Peter Klimek, Komplexitätsforscher und „Wissenschaftler des Jahres 2021“ warnt davor, eine Infektion mit der Omikron-Variante des Coronavirus auf die leichte Schulter zu nehmen. Er warnte angesichts der schon jetzt hohen Infektionszahlen vor einer gewissen Sorglosigkeit - insbesondere, dass bei Omikron immer wieder von einer „milden“ Variante gesprochen wird, stimme nicht, so Klimek. Lediglich die insgesamt höhere Immunität in der Bevölkerung mache die Mutation weniger gefährlich.
Es mangle in Österreich sicher nicht an Expertengremien, es brauche aber echte „nachhaltige, professionelle Strukturen“ und insgesamt deutlich mehr Ressourcen zur Seuchenkontrolle. Aktuell schlagen sich Forscher Nächte um die Ohren, um die vorhandenen Informationen zur Covid-19-Pandemie für die Politik aufzubereiten. Es bräuchte aber auch Strukturen und Expertisen in politischen Institutionen, wie den Ministerien, um sich systematisch einen Reim auf das Geschehen machen zu können.
Nicht nur auf „genehme“ Forscher hören
In Österreich herrsche vielfach die Einstellung, sich als Politiker nur jene Experten zu holen, die in etwa die eigene Meinung vertreten, sagte Klimek am Montag bei der Übergabe der Auszeichnung „Wissenschaftler des Jahres“ durch den Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten. Diese „Beliebigkeit“ gelte es zu überwinden. Dazu brauche es auch ein anderes Selbstverständnis in der Wissenschaft, die ihre gewisse „Eminenzhörigkeit“ ein Stück weit ablegen sollte.
„Hohe Zahlen dürfen uns nicht wurscht sein“
Leider breche nun die „Omikron-Welle über uns herein“, betonte Klimek. Vielerorts gehe man aber schon abgestumpft an die Interpretation der täglichen Zahlen heran, die oft erst bei neuen Rekorden richtig aufregen. Er habe gelesen, dass eine Pandemie nicht mit einem Knall, sondern mit einem Wimmern ende, sagte Klimek: „Vielleicht ist das jetzt schon das Wimmern.“ Hohe Zahlen dürfen „uns einfach nicht wurscht sein“. Es gelte, die Pandemie als nachhaltige Herausforderung des Gesundheitssystems zu managen, so der Komplexitätsforscher und Physiker.
Gesundheitssystem unter Druck
Ob das mit der nun ausgerufenen Orientierung bei der Maßnahmensetzung bis zum neuerlichen Lockdown anhand der Belegungszahlen der Normalstationen gelingt, bezweifelt Klimek sehr. Hier gebe es viele Fragen zur Umsetzung. Zudem komme das Gesundheitssystem von zwei Seiten unter Druck, nämlich durch den Anstieg der Covid-19-Patienten, durch andere Erkrankungen und zusätzlich durch Ausfälle beim Spitalspersonal durch die Fluchtvariante Omikron.
Klimek: „Es würde mich überraschen, wenn wir da jetzt in wenigen Tagen eine schlagkräftige Lösung schaffen.“ Er kenne etwa kein Meldesystem, wo sich die Krankenstände im Gesundheitsbereich ablesen ließen.
Zu langes Abwarten erhöht Schäden
Die Orientierung an Kapazitätsgrenzen sei „wieder der falsche Ansatz“. Warte man lange zu, und schrammt dann knapp an der Grenze entlang, werden auch die Schäden in allen Bereichen wieder groß - von den Erkrankten, über das Gesundheitspersonal bis zur Wirtschaft. Das „immer an der Kapazitätsgrenze Entlangfahren sehe ich zunehmend kritisch“, betonte Klimek.
Der beste Weg, die Welle abzuflachen, seien die Booster-Impfungen, die die Wahrscheinlichkeit einer symptomatischen Erkrankung drastisch reduzieren. Klar sei, dass bei Omikron die Quarantänemaßnahmen und deren Länge verändert werden müssten.
Jetzt etwa dreifach Geimpfte als Kontaktpersonen auszunehmen, sei als „ein Zuckerl fürs Impfen“ verständlich. Quarantäne aber stark an den Immunisierungsstatus zu koppeln, werde international zunehmend kritisch gesehen. Es wäre daher vielleicht „überlegenswerter, Quarantäne an die Symptomatik und nicht an den Immunisierungsstatus“ zu knüpfen.
Zu große „Impflücke“ bei Älteren
Letztlich müsste jetzt alles darangesetzt werden, die älteren Menschen in Österreich zur Boosterimpfung zu bewegen. Relativ glimpflich verlaufe die Omikron-Welle nämlich dort, wo um die 90 Prozent der Über-60-Jährigen die Auffrischungsimpfung erhalten haben. In Österreich seien das aktuell aber nur rund 70 Prozent. Zum Schließen dieser „Impflücke“ blieben nur noch wenige Wochen Zeit, so Klimek.
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