Corona-Chaos in OÖ

„Die Menschen können die Wahrheit vertragen“

Oberösterreich
17.11.2021 19:41

Oberösterreich versinkt jeden Tag tiefer im Corona-Schlamassel. Wie lange das soziale und gesundheitliche Netz noch standhält, ist fraglich. Immer lauter werden die Stimmen: Die Politik muss endlich Klartext reden und handeln, bevor es endgültig zu spät ist!

Experten sind sich einig: Es führt kein Weg mehr an einem Lockdown für alle vorbei. Doch die Landesregierung in Oberösterreich zeigt sich zögerlich, spielt weiter auf Zeit. Ob sich diese Rechnung für das Gesundheitssystem tatsächlich ausgehen kann? Ein nüchterner Blick auf die Fakten aus den vergangenen drei Tagen.

  • Mit Stand Mittwoch gab es im Land 4423 Neuinfektionen, wovon 1200 auf die am Montag durchgeführten Tests in den Schulen zurückzuführen sind.
  • 106 Patienten liegen aktuell auf Intensivstationen. Die Kapazität in OÖ umfasst 127 Betten. Vorstand der Lungenheilkunde Kepler Klinikum Linz, Bernd Lamprecht, verdeutlicht: „Wenn man bedenkt, dass Patienten erst fünf bis sieben Tage, nachdem sie sich infiziert haben, im Spital eintreffen, muss man mit weiter steigenden Zahlen rechnen.“
  • Jede dritte Operation muss verschoben werden. Oö. Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser hält fest: „Wir können bereits von Triage sprechen, wenn man Eingriffe nicht mehr anbieten kann, auf die Menschen seit Monaten warten.“
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Ich empfehle der Politik, schon bald Maßnahmen zur Kontaktreduktion zu ergreifen, damit wir Weihnachten nicht in einem Lockdown verbringen müssen.

Bernd Lamprecht, Lungenfacharzt

  • Das Gesundheitspersonal ist am Ende. Erzählungen wie jene einer Linzer Krankenschwester im „ORF-Report“ könnten nicht dramatischer sein. Sie schildert die Situation auf der Corona-Station: „Am Wochenende gab‘s bei uns so viele Tote, dass die Prosektur überlastet war, wir mussten die Leichen am Gang abstellen.“
  • Alarm schlägt zudem die Österreichische Krebshilfe. Sie fordert einen sofortigen Lockdown für Salzburg und Oberösterreich. „Noch nie zuvor gab es die Situation, dass Krebspatienten fürchten mussten, nicht entsprechend medizinisch versorgt zu werden“, sagte Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda.
  • Landesweite Betroffenheit löste der Fall eines 15 Monate alten Mädchens aus dem Raum Vöcklabruck aus. Das Kleinkind musste aufgrund einer Zweifachinfektion mit anschließendem Lungenversagen auf die Intensivstation. Ob das Mäderl überlebt, entscheidet sich in den nächsten Tagen.
  • Heillos überfüllte Teststationen frustrieren die Oberösterreicher. Wer es überhaupt zum Nasenabstrich schafft, muss teilweise so lange auf sein Ergebnis warten, bis der Test schon wieder zu alt ist.

„Haben nicht die Zeit, das abzuwarten“
Die „Krone“ konfrontierte Mediziner und politische Entscheidungsträger mit der Misere. Lungenfacharzt Bernd Lamprecht findet klare Worte: „Auch wenn die genannten Maßnahmen sicher einmal Früchte tragen werden - wir haben nicht die Zeit, das abzuwarten.“ Das hieße, es werde sehr bald stärkere Maßnahmen zur Kontaktreduzierung geben müssen. „Wir brauchen mindestens 30 Prozent Kontaktreduzierung, 50 Prozent wären großartig. Aus medizinischer Sicht müssen solche Maßnahmen mindestens drei Wochen dauern.“

Klarheit und Wahrheit verlangt der Linzer Bürgermeister Klaus Luger: „Alle Politiker sind gefordert, den Rat der Experten ernst zu nehmen. Und der lautet unmissverständlich, dass ein genereller, bundesweiter Lockdown unvermeidbar wird.“ Er sei kein Freund einer solchen Maßnahme, „ich bin jedoch davon überzeugt, dass klare Schritte der Mehrheit unserer Bevölkerung lieber sind, als Streit und Hinauszögern von ohnedies unabdingbaren Entscheidungen“. Die Menschen vertragen die Wahrheit, ein weiteres Lavieren würde die gesellschaftliche Spaltung weitertreiben.

Lockdown: Aufgehoben ist nicht aufgeschoben
„Erschreckend und viel zu hoch“, kommentiert Landeshauptmann Thomas Stelzer, der am Mittwoch seine Drittimpfung erhielt, die aktuellen Corona-Zahlen im Gespräch mit der „Krone“. Offiziell will der Landeschef den Lockdown noch nicht einläuten und plädiert für eine weitere Galgenfrist: „Ich will dem Ganzen noch ein paar Tage Zeit geben. Die neuen Maßnahmen gelten erst seit Montag und ich möchte schauen, ob sich diese niederschlagen.“

Dazu müssten die Corona-Zahlen spürbar und nachhaltig unter die 3000er-Marke fallen. Stelzer: „Recht viel Spielraum haben wir aber nicht.“ Am Freitag wollen Bund und Länder über weitere Not-Maßnahmen beratschlagen. Stelzer: „Unser Ziel muss in jedem Fall sein, dass die Oberösterreicher Weihnachten feiern können.“

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