20 Jahre danach

9/11: „Da fielen die Leichenteile von den Bäumen“

Ausland
13.09.2021 11:23

11. September 2001. Eine entführte Maschine, Flug United Airlines 93, stürzt bei Shanksville/Pennsylvania ab. Die Passagiere wollten die Entführer überwältigen. Sie wussten, was an diesem Tag schon bei anderen Entführungen geschehen war. „Ich war keine 20 Kilometer vom Absturzort entfernt. Ich war in Pennsylvania an der Universität. Es war das vierte Flugzeug, das wohl ins Weiße Haus oder ins Kapitol fliegen sollte“, erinnert sich Reinhard Heinisch. Der Professor für Politikwissenschaften in Salzburg besitzt auch die US-Staatsbürgerschaft und ist oft in den USA.

Die Einsturzstelle des Flugzeuges nahe der 245-Seelen-Gemeinde sei rasch bereinigt worden. „Doch später, als das Laub von den Bäumen fiel, da fielen dann auch noch Leichenteile von den Bäumen. Es war schrecklich“, sagt Heinisch, für den diese Ereignisse nicht nur wegen diesem einen Tag prägend waren.

Viele Studenten zogen in den Krieg
„Zwei Tage später bin ich nach Washington geflogen und ich erinnere mich noch an das rauchende Pentagon und Flugabwehrraketen. Eine bleibende Erinnerung.“ Noch schlimmer: Viele Studenten der Uni, an der er damals unterrichtete, zogen in den Krieg. „Um sich ihr Studium zu finanzieren. Nicht wenige von ihnen starben. Die Amerikaner waren unvorbereitet und hatten keinerlei Kontakte in Afghanistan.“

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Doch später, als das Laub von den Bäumen fiel, da fielen dann auch noch Leichenteile von den Bäumen. Es war schrecklich.

Reinhard Heinisch, Professor für Politikwissenschaft

Gespaltene Gesellschaft in den USA
Unmittelbar nach den Attentaten habe es einen enormen Zusammenhalt in den USA gegeben. „Doch sukzessive kam es zu einer Spaltung der Gesellschaft“, so der Politikprofessor. Es sei eine Phase der Ungleichbehandlung und Einschränkung der Menschenrechte entstanden, die auch deutlich sichtbar war. Einhergehend mit einer großen Unzufriedenheit in der Bevölkerung.

„Donald Trump war der sichtbare Auswuchs. Die Unzufriedenen wählten jene Politiker, die sich gegen das Establishment, das Bush und die Clintons verkörperten.“ Man habe in Afghanistan viele Fehler begangen. „Die Taliban machten sogar ein Angebot für eine Koalition, das wurde alles ausgeschlagen. Man wollte etwas auf einer künstlichen Wiese aufbauen, das hat nicht funktioniert.“

Beim Absturz der entführten Maschine in Shanksville starben 40 Passagiere und Crew-Mitglieder. Die Terroristen hätten wohl das Weiße Haus oder das Kapitol zum Ziel gehabt. (Bild: AP)
Beim Absturz der entführten Maschine in Shanksville starben 40 Passagiere und Crew-Mitglieder. Die Terroristen hätten wohl das Weiße Haus oder das Kapitol zum Ziel gehabt.

Afghanistan: Kriegsmüde Amerikaner
Zudem konnten sich die Taliban immer wieder in ihren Rückzugsgebieten in Pakistan erholen und wieder zuschlagen. Die USA wollten es sich nicht mit Pakistan verscherzen.„ Heute sind die Amerikaner kriegsmüde. Kabul steht am Ende einer Entwicklung, die am 11. September 2001 begonnen hat. Hinzu kamen die Zweifel an der moralischen Komponente durch die Folterungen in Guantanamo und Abu Ghraib.“

Innenpolitischer Druck zu groß
Irgendwann haben die Amerikaner begonnen, Termine für ihren Abzug zu kommunizieren, was strategisch sehr schlecht gewesen sei. Heinisch: „Es war dem innenpolitischen Druck geschuldet. Die Amerikaner wollten seit Jahren keine Särge ihrer Soldaten mehr sehen. Und eine Demokratisierung eines weit entfernten Landes wie Afghanistan ist ihnen egal. Da gerät jeder Präsident zusehend in Erklärungsnot, die kriegerischen Aktivitäten zu argumentieren.“

Am 20. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September gedachten Tausende Menschen der Opfer des islamistischen Terrors. (Bild: AP)
Am 20. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September gedachten Tausende Menschen der Opfer des islamistischen Terrors.

Für die Taliban war das natürlich eine erfreuliche Entwicklung. Sie wussten, die Amerikaner würden irgendwann in absehbarer Zeit abziehen, und mussten das nur noch aussitzen. Gleichzeitig begann man damit, die Regierung in Afghanistan zu destabilisieren. Das Ende ist bekannt. Die Nato-Truppen sind unrühmlich abgezogen, die Taliban nach 20 Jahren wieder an der Macht.

„Die Situation bleibt volatil“
Professor Heinisch: „China, die Taliban und Pakistan arbeiten nun zusammen. Es geht um Abbau von Rohstoffen und auch um militärisches Know-how der Amerikaner, das den Taliban nun in die Hände gefallen ist.“ Andererseits haben die Chinesen haben kein Interesse, dass ihre muslimischen Uiguren auf dumme Gedanken kommen, sollten sie sich von den Taliban inspiriert fühlen. „Es wird also eine rein geschäftliche Beziehung bleiben.“ Die Situation bleibt volatil. Die Region ist instabil. Das kann noch sehr gefährlich werden.

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