Die Brust zu geben ist natürlich. Dennoch gibt es viele Unsicherheiten diesbezüglich, denn es herrschen rund um diesen menschlichen Vorgang immer noch viele Mythen und Missverständnisse.
„Muttermilch stellt ganz einfach die gesündeste Nahrung dar, die man seinem Baby zukommen lassen kann“, bringt es die Linzer Gynäkologin und Stillberaterin Dr. Gudrun Böhm auf den Punkt. „Und es gibt seit den 1960/70er Jahren einen starken Anstieg der Bereitschaft zum Stillen. Erhebungen zeigen, dass 90 Prozent der Jungmütter dazu bereit wären. Dennoch erreichen nur 30 Prozent das Ziel, das auch die WHO empfiehlt, nämlich sechs Monate voll die Brust zu geben.“ Schuld daran sind mitunter auch nach wie vor kursierende Ammenmärchen und Gerüchte rund um das Thema. Meist beginnen die Probleme schon damit, dass sich die Schwangere über alles mögliche erkundigt, jedoch nicht über das Stillen. „Fehlende Informationen stellen dann oft einen Grund dar, vorschnell das ,Handtuch zu werfen‘, obwohl mit professioneller Beratung durchaus rasch Abhilfe geschaffen werden könnte“, betont Dr. Böhm. „Damit kommen wir schon zum ersten Ammenmärchen: Stillen zu können ist keine angeborene Fähigkeit. Man muss selbst aktiv dazu beitragen, dass es funktioniert.“
Stillen zu können ist keine angeborene Fähigkeit. Man muss selbst aktiv dazu beitragen, dass es funktioniert.
Dr. Gudrun Böhm, Gynäkologin
Hierfür sollte man sich schon vorher Wissen aneignen, etwa, dass es anfangs zu Schmerzen kommen kann, welche aber mit der richtigen Technik und Übung wieder verschwinden. Grundsätzlich sind die ersten Tage nach der Geburt (meist im Spital) essenziell. Spätestens dort sollte „frau“ erfahren, worauf es beim Stillen ankommt, wie man das Baby anlegt, wie oft etc. Auch ein Kaiserschnitt muss kein Hindernis sein, wie meist angenommen: „Bedingt durch hormonelle Probleme und Schmerzen kommt es in solchen Fällen wirklich öfter zu einem holprigeren Start, dennoch kann man durch intensivere Betreuung hier gut eingreifen“, führt Dr. Böhm aus. „Heute wird das Baby gleich nach dem Eingriff (mit Kreuzstich) an die Brust angelegt und selbst nach Notsituationen kann man noch ganz viel aufholen.“
Großes Thema ist auch die Beschaffenheit der Brüste. So denken manche Frauen, dass sie mit kleiner Brust gar nicht stillen können. Dr. Böhm: „Das gehört ins Reich der Mythen! Das Drüsengewebe zählt und ist in jedem Busen angelegt. Es tun sich sogar eher Frauen mit ,mehr Oberweite‘ schwerer beim Anlegen.“ Viele fürchten auch, dass durch das Stillen die Brüste schlaff werden: „Das Gewebe verändert sich vor allem durch Nikotin, Alter und Gewichtsschwankungen. Natürlich auch in der Schwangerschaft! Stillen hat, bis auf eine kurze Zeit nach dem Abstillen keinen negativen Effekt auf die Form“, beruhigt Dr. Böhm. Einer der häufigsten Gründe, warum Mütter aufhören, die Brust zu geben, ist die Annahme, sie hätten zu wenig Milch. Es hält sich das Gerücht, Babys müssten vier Stunden Pause zwischen den Mahlzeiten machen. Muttermilch ist aber optimal verdaulich und kann nach Bedarf verabreicht werden. Manchmal sind die Abstände länger, vor allem abends gibt es aber eine Phase des häufigen Trinkens, die sogar einen eigenen Namen bekommen hat: „cluster feeding“. Dieses intensive Trinken am Abend ist normal, kein Hinweis auf „zu wenig Muttermilch".
3. 5.: „Stillmythen“ - 17.00, 19.25 Uhr und am 4. 5. um 11.10 Uhr. Dr. Gudrun Böhm, IBCLC, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, beantwortet im Interview mit Moderatorin Raphaela Scharf Fragen zum Thema. Infos zum Empfang finden Sie hier.
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