Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller diesmal über Cybermobbing.
Es hat einen Grund, warum Cybermobbing verboten ist: Nach der Veröffentlichung von intimen Texten oder Bildern, die im Vertrauen mit anderen geteilt wurden, kommt es immer wieder zu schweren psychischen Krisen der Betroffenen. Häufig werden Betroffene sozial isoliert. Manche leiden in der Folge unter Selbstmordgedanken oder begehen Suizid. Das macht sehr betroffen. Und wütend.
Sexualität betrifft einen sehr persönlichen Lebensbereich. Im Überschwang einer ausgelassenen Party haben die meisten Heranwachsenden (oft bis ins fortgeschrittene Erwachsenenalter) Sachen gemacht, von denen sie nachträglich froh sind, dass sie in keinem Erinnerungsalbum dokumentiert sind. Gerade in Institutionen, die Wert auf Disziplin, Korpsgeist und Härte legen, Homosexualität tabuisieren und männliche Stärke heroisieren, ist die Fallhöhe bei Verletzungen der Intimsphäre hoch.
Bei allem, was in der Bevölkerung über das Bundesheer bekannt ist, ist es befremdlich, dass Videos einer pandemiebedingt verbotenen Abschlussfeier das Widerlichste sein sollen, was in mehreren Jahrzehnten in einer Kaserne in Österreich vorgefallen ist. Die Dramatisierung der Videos in den sozialen Medien hat den Bildern der Feier überhaupt erst zu ihrer Bekanntheit verholfen. Und kaum jemand hat sich Gedanken darüber gemacht, wie beschämend es für die Betroffenen ist, in einer solchen Weise öffentlich - und letztlich auch von einigen Medien - bloßgestellt zu werden. (Anm. der Redaktion: Die „Krone“ hat bewusst davon abgesehen, die Videos zu zeigen.)
Man muss sich aber auch gar nicht einfühlen können. Es hätte gereicht, hätten sich alle an die Cybermobbing-Gesetze gehalten: Die Bilder umgehend gelöscht. Die Personen, die diese Bilder in Umlauf gebracht haben, sofort angezeigt. Und vielleicht auch nach der Veröffentlichung der Videos den Betroffenen Krisenintervention angeboten?
Es wird Zeit, dass sich herumspricht, dass alle möglichen und unmöglichen Arten, Sex zu haben, okay sind, wenn alle Beteiligten Spaß daran haben. Eines der wichtigsten Kriterien bei Sexualität ist das Einverständnis. Wenn alle Lust haben und zustimmen, ist auch das Versenden von Nacktfotos & Co kein Problem. Bei der unerwünschten Veröffentlichung von Videos gibt es allerdings kein Einverständnis der Beteiligten.
Als Sexualpädagogin, finde ich, gibt es kaum etwas Widerlicheres, als Menschen aufgrund ihrer selbstbestimmten Sexualität öffentlich so unter Druck zu setzen, dass sie ihrer Lebensfreude beraubt werden.
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