Tests, Impfung, Schutz

Was wir seit dem ersten Lockdown gelernt haben

Österreich
23.11.2020 06:00

Es ist ein Witz, der zu Beginn der Pandemie im Internet die Runde machte: „Jesus kommt aus dem Urlaub zurück und fragt, was er verpasst hat. Ein Bürger antwortet: ,Auf einem chinesischen Markt hat jemand eine Fledermaus gegessen - und jetzt habe ich meinen Job verloren.‘“ Was uns die Krise gelehrt hat und was sich bisher getan hat - die „Krone“ gibt einen spannenden Überblick.

  • Virus: Tatsächlich konnte schon früh und mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Erreger von Fledermäusen stammt und über einen Zwischenwirt auf den Menschen gelangt ist. Das Erbgut des Virus wurde schnell sequenziert, der Code weltweit geteilt. Mittlerweile gibt es mehr als 62.000 wissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema. „Wir wissen, wie das Virus andockt, kennen die Mechanismen und wie es zum Erkrankungsbild kommt“, sagt Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter. Studien zeigen zudem, dass sich der Erreger durch die Verbreitung unter Menschen kaum verändert.
  • Medizinische Versorgung: Ein sicheres Heilmittel gibt es noch nicht. Doch die Überlebensrate beträgt derzeit zwischen 70 und 80 Prozent - und liegt somit deutlich höher über jener im Frühjahr, wie AKH-Intensivmediziner Klaus Markstaller im „Krone“-Interview sagte. Man habe dazugelernt. Patienten können nun besser gelagert, beatmet und behandelt werden. Auch an Medikamenten wird intensiv geforscht.
  • Schutzausrüstung: Der Aufschrei zu Beginn der ersten Welle war groß - vielerorts fehlten Schutzausrüstungen, Masken waren teils fehlerhaft. Inzwischen gibt es laut Gesundheitsministerium ein eigenes Vorratslager mit einem Grundstock an Schutzausrüstungen, medizinischen Produkten sowie Beatmungsgeräten.
  • Tests: Überprüft wurde im Frühling nur, wer eindeutige Symptome hatte. Heute wird um ein Vielfaches mehr getestet. Erleichterung brachte der Antigentest, der ohne Labor auskommt - und auch auf Antikörper kann mittlerweile getestet werden. Während im April im Schnitt zwischen 3000 und 5000 Menschen täglich getestet wurden, soll ab Dezember die ganze Nation getestet werden.
  • Impfung: Sofort zu Beginn der Pandemie begann weltweit die Suche nach einem Impfstoff. In der ersten Welle war man davon freilich noch meilenweit entfernt, in der zweiten sieht es anders aus. Am 9. November informierte das Unternehmen Biontech über vielversprechende Ergebnisse aus einer der zehn laufenden Wirksamkeitsstudien an Corona-Vakzinen. Tage später legte der US-Konzern Moderna nach. Sein Impfstoff zeigte in einer Zwischenanalyse eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent beim Schutz vor Covid-19.
  • Lockdown: Im Frühjahr musste es schnell gehen - das sah man mancher Verordnung an. Von Tippfehlern & Co. abgesehen, zeichneten sie sich vor allem durch eines aus: einen sehr großen Interpretationsspielraum. So groß, dass schon im Sommer der Verfassungsgerichtshof einige Punkte daraus als rechtswidrig aufhob: etwa, dass Bau- und Gartenmärkte vor Möbelhändlern wieder aufsperren durften, oder das Betretungsverbot von öffentlichen Orten.
    Für die neue Lockdown-Verordnung nahm man sich offenbar mehr Zeit: Die Paragrafen sind präziser formuliert, die Unterpunkte und Ausnahmen mit mehr Details versehen. Ungeklärte Punkte aus dem Frühjahr wurden nun geklärt, etwa: Darf man den Lebensgefährten besuchen, wenn er nicht im selben Haushalt wohnt? (Ja, darf man.) Müssen Diabetiker auf die notwendige Fußpflege verzichten? (Nein, müssen sie nicht - medizinische Dienstleistungen sind von den Schließungen ausgenommen.) Und kann das Pflegeheim verbieten, sterbende Angehörige zu besuchen? (Nein, kann es nicht.) Allerdings: Wasserdicht ist auch die neue Verordnung nicht.
  • Spitäler: Ganze Stationen hat man im Frühling vorsorglich gesperrt, alles bereitete sich auf eine Flut an Patienten vor. Durch die früh gesetzten harten Maßnahmen blieb diese aber aus. Die Auslastung der Intensivbetten lag im März bei 66, im April bei 61 Prozent. Anders stellt sich die Situation in der zweiten Welle dar. In vielen Spitälern sind die Stationen voll, die Lage ist zum Teil dramatisch. Am Sonntag lagen 683 Patienten auf der Intensivstation.
  • Schulen: Von einem Tag auf den anderen wurden im Frühjahr die Schulen dichtgemacht. Home-Schooling war neu, in vielen Haushalten fehlte die Ausstattung, Schüler wie Lehrer und Eltern waren überfordert. Im Herbst bildete sich deshalb - und auch weil Studien belegen, dass Kinder keine Treiber der Infektion sind - eine breite Front gegen den Bildungslockdown. Verhindern ließ er sich letztlich trotzdem nicht. Die Schulen sind wieder im Distanzunterricht. Anders ist die Situation dennoch: Während im ersten Lockdown nur Eltern in systemrelevanten Berufen ihre Kinder in die Schulen schicken durften, können es dieses Mal alle tun. Das wird auch genützt: Im Frühling waren rund fünf Prozent der Kinder in den Schulen, zu Beginn des zweiten Lockdowns waren es 15 Prozent.
  • Kollateralschäden: Verschobene Operationen, nicht wahrgenommene Vorsorgeuntersuchungen, unterbrochene Therapien - der erste Lockdown zog einige Kollateralschäden mit sich. So zeigen mehrere Studien, dass sich viele Österreicher nicht zum Arzt getraut haben - selbst wenn es ernst war. Laut der Med-Uni Graz stieg etwa die Zahl der Todesfälle nach einem Herzinfarkt um 80 Prozent.
    Der Appell im Lockdown 2.0 ist deshalb klar: Wer ärztliche Hilfe braucht, sollte sie unbedingt in Anspruch nehmen und ebenso seine Vorsorgeuntersuchungen einhalten. Auf Verschiebungen von nicht dringend notwendigen Operationen wollte man lange verzichten, aufgrund der dramatisch hohen Auslastung der Spitäler ließ es sich aber auch dieses Mal nicht vermeiden.
    Auch psychologische Betreuung sollte nicht unterbrochen werden, mahnt Psychiater Reinhard Haller. Denn im Vergleich zum Zeitraum vor dem ersten Lockdown stieg die Zahl der Personen mit Depressionen ab Mitte März von knapp unter fünf Prozent auf mehr als 20 Prozent an. Vor allem Erwachsene unter 35, Frauen, Singles und Arbeitslose sind von den Belastungen betroffen. Deshalb gilt: auf die eigene Psyche achten.
  • Maßnahmen: Einsperren - aber sonst? Im Frühling wusste man noch nicht genau, was gegen die Ausbreitung hilft. Es dauerte, bis sich die Maske durchsetzte. Heute ist klar, dass man mit Abstand und Handhygiene die Pandemie in Schach halten kann. Die Maßnahmen wurden auf ihre Wirkung überprüft - und das gibt Hoffnung: „Die wichtigste Erkenntnis ist, dass wir mit relativ einfachen Maßnahmen viel erreichen können“, sagt Mediziner Hutter. „Wenn sie konsequent umgesetzt werden und das Testen und die Kontaktverfolgung funktioniert, bin ich optimistisch, dass wir einen dritten Lockdown vermeiden können.“

Anna Haselwanter und Teresa Spari, Kronen Zeitung

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