Was ging schief?

Das schwarz-grüne Koalitions-Trauma aus 2003

Österreich
03.10.2019 06:00

Nicht zum ersten Mal erwägt die ÖVP eine Koalition mit Grün, vor 16 Jahren war man schon nah dran. Doch was ging damals schief?

An Sonntagen, noch dazu in aller Herrgottsfrüh, tut sich politisch selten viel. Nicht so am 16. Februar 2003. Um 6.21 Uhr schickte die Austria Presse Agentur eine „Vorrang“-Meldung aus: „Verhandlungen ÖVP-Grüne gescheitert.“ Und was davor geschah, weist eine verblüffende Ähnlichkeit zur aktuellen Lage der Nation auf: Nach zwei Jahren zerbrach 2002 die Koalition von ÖVP und FPÖ. Bei der Neuwahl fuhr die ÖVP auf Kosten der FPÖ gar satte 42 Prozent ein - und nachdem Vorgespräche mit der SPÖ scheiterten, wollte der damalige ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel eine Regierung mit den Grünen schmieden.

Van der Bellen wollte „liberales Korrektiv der ÖVP“ sein
Und nicht nur er wollte, wie Zeitzeugen berichten. Gleich mehrere damals entscheidende Verhandler erklärten der „Krone“, dass die Grünen-Spitze in die Regierung gedrängt hat. Grüner Parteichef war damals der heutige Bundespräsident Alexander Van der Bellen, er wollte seine Partei als „liberales Korrektiv der ÖVP“ unbedingt in eine Regierung mit den Schwarzen führen. Werner Kogler, damals einfacher Abgeordneter, verhandelte für die Grünen das Budget-Kapitel des Koalitionspokers.

„Die wollten aus Prinzip nicht mit uns regieren“
Und Van der Bellens heutiger Chefberater - Lothar Lockl - war Koordinator der Verhandlungen, er wollte wie auch Verhandlerin Eva Glawischnig mit der ÖVP regieren. Woran scheiterte es also? Schwarze sagen: an den Wiener Grünen. Tatsächlich hat die linke Truppe das Projekt von Anfang an torpediert. Erst stimmten sie (erfolglos) gegen den Verhandlungsstart, dann forderten sie den Abbruch. „Die wollten aus Prinzip nicht mit uns regieren“, erinnert sich die damalige Schüssel-Beraterin Heidi Glück.

Peter Pilz soll „Unruhe gestiftet“ haben
Zugleich hat der ÖVP-Chef laut Grünen immer härter verhandelt, gab bei den im politischen Pokerspiel nicht gerade versierten Grünen zu wenig nach. Die Stimmung verschlechterte sich zunehmend, vor allem Peter Pilz soll dann „Unruhe gestiftet“ haben, behaupten ÖVP-Zeitzeugen. In einer 16-stündigen Marathonsitzung scheiterte man letztlich an Streitereien über Eurofighter und das Budget. Der Rest ist Geschichte: Nur zwölf Tage später wurde Schwarz-Blau II angelobt.

Und doch hat sich seither einiges geändert, schildern Zeitzeugen: So säßen bei den Grünen nun mehr regierungserfahrene und kompromissbereite Politiker, zudem spielt der Klimaschutz eine vergleichsweise gigantische Rolle. ÖVP-Attacken auf Grün wie einst (Stichwort: „Haschtrafiken“) gab es nicht. „Die Voraussetzungen“, so ein Insider, „sind also besser.“

Klaus Knittelfelder, Kronen Zeitung

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