Entspannt in Jamaika

Rhythmus der Karibik auf der Reggae-Route

Reisen & Urlaub
30.12.2018 09:00

1000 Kilometer im Rhythmus der Karibik! Ein Roadtrip auf Jamaika führt zu Rastafaris, Palmenstränden, Partymeilen und mit Eskorte durch Kingston. Unterwegs auf eigene Faust - mit der Sonne im Rücken und Bob Marley als Soundtrack.

Der Toyota holpert über Schlaglöcher, Geschwindigkeitsbegrenzungen werden nur als gut gemeinte Ratschläge verstanden – auf der Straße ist Schluss mit der karibischen Gelassenheit. Auto- und Motorradfahrer kennen nur ein Gas – Vollgas. „Passt gut auf euch auf und lasst euch nicht hetzen“, hat schon der Rastamann am Beginn unserer Reise geraten. Also: Fuß vom Gas, Radio an, Bob Marley in den CD-Player, Lautstärkeregler rauf, Puls runter – im eigenen Rhythmus kann es weitergehen.

Von Montego Bay, dem Tor zu Jamaika und Start der geplanten Insel-Umrundung, führt die Route die Nordwestküste entlang weiter bis Negril. „Punta Negrilla“, wie die Spanier das Westende der Insel nannten, hat sich seit den Sechzigerjahren vom Sumpfland in eine Tourismushochburg verwandelt. Neben dem berühmten Seven-Mile-Beach, den es hier zu entdecken gibt, geht in Negril das „Dream Weekend“ über die Bühne; neben dem „Sum Fest“ das bekannteste Reggae-Festival, bei dem angesagte Künstler auftreten. Berühmte Musiker hat Jamaika überproportional viele: „Mr. Bombastic“ Shaggy, Marcia Griffiths, den Marley-Clan, Grace Jones, Tanya Stephens, Jimmy Cliff, Sean Paul - um einige berühmte Töchter und Söhne Jamaikas zu nennen. Eine enorme Dichte an Weltstars für ein Drei-Millionen-Einwohner-Land.

Ruhiger als beim Carneval auf der Partymeile wird’s am Ende der West End Road, wo kleine Hotels im Kolonialstil in die steile Felsküste gebaut sind. Auf einer der Klippen steht Kino, Fischer, Teilzeitrettungsschwimmer und Paradebeispiel dafür, warum die Jamaikaner als besonders coole Zeitgenossen gelten. Schlendernder Gang, Reggae im Blut, verspiegelte Sonnenbrille und tiefenentspanntes Gemüt. „Wah gwaan?“, will er wissen. Auf Jamaikanisch heißt das so viel wie „what’s going on?“ – also was läuft? Die typische Antwort: „nota gwan“ – nichts läuft. Auch „Ya man“ , jamaikanisch für Ja, gehört zum guten Ton und ist so typisch für die Insel, dass der Ausdruck sogar auf T-Shirts gedruckt wird.

Noch viel wichtiger ist den Jamaikanern der Respekt und ihr Stolz. Der Hintergrund dafür liegt wohl auch in Jamaikas dunkler Geschichte der Sklaverei. Tausende Schwarzafrikaner hatten die Spanier und Briten im 17. und 18. Jahrhundert auf die Insel gebracht und auf den Plantagen ausgebeutet. Sogar das Schwarz der Landesflagge soll an die finstere Vergangenheit erinnern. Umso mehr zählt jetzt der Respekt voreinander und der Stolz, den es zu bewahren gilt – den Stolz eines Löwen, der gleichzeitig Symboltier der Rastafari ist. Das Grün der Flagge steht hingegen für die Hoffnung und für Landwirtschaft, Gelb symbolisiert die reichen Naturschätze: In der üppigen Vegetation sind neben dem Nationalvogel Wimpelschwanz Kolibri, der nur auf der Insel vorkommt, auch der größte Schmetterling der Welt, der „Giant Swallowtail“, und sogar Krokodile zuhause. 

Wo Marihuana legal ist
Mit Spannung und der Hoffnung, am Black River eines der Reptilien zu erspähen, nehmen wir die nächste Etappe in Angriff. Das Ziel: Treasure Beach im Süden der Insel. Genauer – das Haus von „Paul vom Hügel“, wie sich der Quartiergeber per E-Mail vorgestellt hatte. Keine Adresse, keine Wegbeschreibung führen zum kleinen Aussteiger-Häuschen, das irgendwo auf einem Hügel nahe Southfield liegen soll. „No problem“ – irgendwie wird’s schon funktionieren, ist die Devise auf Jamaika. Auch diesmal: Mit dem Auto geht’s auf gut Glück eine steile Bergstraße hinauf. Durch tiefe Lacken über Steine, vorbei an ausrangierten gelben Schulbussen und wilden Kakteen bis zu Pauls Appartement. „Wha gwaan?“, grinst Paul und reicht seinen Gästen einen Joint zur Begrüßung. Ganz normal auf Jamaika. Der Besitz einer bestimmten Menge Marihuana ist sogar legal – auch um mehr Touristen anzulocken. Davon will Paul mit seinem Aussteigerquartier profitieren und hofft auf mehr Gäste. Sein Häuschen am Hügel mit Blick auf das karibische Meer hat er selbst gebaut und damit ein Geschäft gegründet. „Wir lernen das in der Schule - wie wir ein Unternehmen führen. Auch wenn es nur ein kleiner Marktstand ist“, so der Selfmade-Hotelier.

Von Pauls Hügel geht es weiter. Immer entlang der Küste, über überschwemmte Straßen, vorbei an Fußball spielenden Kindern und urigen Fischerdörfern; bis Alligator Pond. Hier lassen die Fischer ihre Boote zu Wasser und flicken Netze, Frauen verkaufen am Strand den Fang des Tages. Viele Touristen verschlägt es nicht in diese kleine Bucht, ins ursprüngliche Jamaika. Die Krokodile vom „Black River“ stehen da schon eher auf dem Reiseprogramm. Heute lässt sich jedoch keines der Reptilien blicken.

Richtung Osten werden die Straßen besser, auf dem letzten Kilometer geht es sogar auf einem Highway bis Kingston. Die erste Station in der Hauptstadt: Hope Road Nummer 56. An dieser Adresse wurde Musikgeschichte geschrieben, heute ist das Haus der 1981 verstorbenen Reggae-Legende Bob Marley ein Museum. Küche, Schlafzimmer und Tonstudio sind original erhalten und geben Eindrücke, wo und wie die Legende gelebt und gearbeitet haben muss. Noch heute gilt Bob Marley als bekanntester Vertreter der Rastafari-Religion, die Jamaika geprägt hat. Die zu Dreadlocks verfilzten Haare, der stolze Löwe als Symbol der äthiopischen Wurzeln, das Marihuana und der Reggae sind für sie keine Modeerscheinung, sondern sind fixe Bestandteile der Religion.

Nicht weit von der Hope Road entfernt feiern Odane und Andrew den Beginn ihres Wochenendes. Im Club wird „Twerking“ getanzt, der karibische Rum ist im Eintritt inbegriffen. „Was führt euch hierher?“, wollen die beiden wissen, die Sonnenbrillen aufgesetzt, die schweren Goldketten um den Hals. Die Begegnung ist uns nicht ganz geheuer. Lange haben Banden die Straßen kontrolliert. „Heute haben wir die Kriminalität im Griff“, sagen die beiden, die sich zu unserer Überraschung plötzlich als Polizisten ausgeben. Trotz vorgezeigten Dienstausweises und Pistole unterm Hemd wollen wir das nicht so recht glauben. Erst als Odane auf seinem Handy ein Bild von sich in Uniform mit Olympia-Sprinter Usain Bolt vorzeigt, glauben wir ihm. „Es ist viel sicherer geworden hier“, sagt Odane und bietet an, uns bei einer Stadttour zu begleiten. Am nächsten Tag geht’s also mit Polizei-Eskorte zu einigen finsteren Ecken der Stadt, die selbst für Touristen recht sicher wirken. Seine Golduhr und Schmuck sollte man trotzdem nicht unbedingt zur Schau stellen, heißt es.

Wir verlassen Kingston und machen uns auf die Rückreise. Vorbei am mystischen Blue Mountain, wo der berühmte Kaffee angebaut wird, weiter nach Port Antonio. Wieder haben Ausläufer eines Tropensturmes die Straßen überschwemmt. Traumhafte Strände, wie Winnifred’s Beach, entschädigen schnell für die Verzögerungen: Hier verbringen Einheimische ihre Freizeit, in Rastahütten werden Nüsse veredelt und „Jerk Food“ zubereitet. Dazu dienen ausrangierte Ölfässer, in denen als Griller zweckentfremdet scharf mariniertes Hühner- und Schweinefleisch gebraten wird. Der letzte Abschnitt des Roadtrips führt über perfekt ausgebaute Straßen vorbei an kilometerlangen Sandstränden zurück nach Montego. 1000 Kilometer sind zurückgelegt, die Insel ist erfolgreich umrundet – ohne Unfall und andere Pannen. Jetzt geht’s zurück nach Österreich, mit einem Rucksack voller Eindrücken und dem Soundtrack der Reggae-Insel im Gepäck.

Thomas Leitner, Kronen Zeitung

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