Tamagotchi 2.0

Macht Rex und Mietzi Konkurrenz: “EyePet” für die PS3

Spiele
17.11.2009 15:22
1994 war ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Jahr. Black Sabbath feierten ihre Reunion, die Pathfinder-Sonde landete auf dem Mars und J.K. Rowling veröffentlichte den ersten "Harry Potter". Weitaus größeren Einfluss auf das gesellschaftliche Leben dürfte jedoch ein eiförmiges Spielzeug aus Japan gehabt haben: das Tamagotchi. Auch wenn das virtuelle Küken bei vielen mittlerweile in Vergessenheit geraten sein mag, lebt die Idee vom künstlichen Haustier, das zu hätscheln und zu pflegen es gilt, bis heute weiter.
Der jüngste Versuch, Hunde, Katzen und andere über die Jahrhunderte angestammte Haustiere zu verdrängen, kommt aus dem Hause Sony und hört auf den Namen "EyePet". Mit den am Schlüsselanhänger baumelnden Tamagotchis von einst hat das Spiel für die PlayStation 3 jedoch nur wenig gemein, wofür schon allein das auf dem Zauberwort "Augmented Reality" basierende Spielprinzip verantwortlich zeichnet.

Darunter zu verstehen ist die Verschmelzung von virtueller Spielwelt und realer Umgebung, was auf der Sony-Konsole mit Hilfe der PS3-Kamera gelingt. Ähnlich den bekannten "EyeToy"-Spielen erfasst diese den Spieler samt all seinen Bewegungen, mengt virtuelle Objekte hinzu und präsentiert das Ganze in trauter Zweisamkeit auf dem Fernsehbildschirm. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Na gut, ein bisschen vielleicht schon.

Denn während sich das anfängliche Setup – Couchtisch wegstellen, Kamera nach unten richten, für ausreichend Beleuchtung sorgen und auf dem Boden Platz nehmen – noch als recht einfach erweist, entpuppt sich der Umgang mit dem frisch geschlüpften EyePet als eher kompliziert. Dies ist größtenteils auf den Umstand zurückzuführen, dass man sich selbst nur spiegelverkehrt auf dem Bildschirm sieht, was bei sämtlichen Interaktionen mit dem virtuellen Haustier ein entsprechendes Umdenken erfordert.

Der Kampf mit der "Zauberkarte"
Ebenfalls nicht immer leicht zu handhaben ist der Umgang mit der "Zauberkarte". Magisch ist diese Plastik-Karte keineswegs, sie dient schlichtweg als Platzhalter für virtuelle Objekte, die die Software je nach Spielsituation darauf projiziert. Ein Beispiel: Das kleine EyePet hat Hunger und will gefüttert werden. Der Spieler hält die Zauberkarte hoch, die daraufhin von der Kamera erkannt wird und sich auf dem Bildschirm in eine Milchflasche verwandelt. Durch drehen und neigen der realen Karte kann der Spieler die virtuelle Flasche nun wie eine echte bewegen.

Theoretisch zumindest. In der Praxis scheitern viele Aufgaben oftmals daran, dass die Karte stets auf die Kamera gerichtet sein muss. Ist sie dies nicht, verschwinden nämlich Milchflasche und Co wieder von der Bildschirmoberfläche. Ein wirklich realistisches Hantieren mit den virtuellen Gegenständen ist daher kaum möglich, viel zu oft müssen sich Handgelenk und Arm in unnatürliche Posen begeben – spiegelverkehrt, versteht sich.

Füttern, waschen, pflegen, spielen
Auch in spielerischer Hinsicht hat "EyePet" so seine Schwächen. Einmal geschlüpft, gilt es das pelzige Wesen zu füttern, zu pflegen und mit ihm zu spielen. Das ist anfangs spannend und aufregend, verliert durch die fast gleichen Aufgaben jedoch schnell an Elan. Ob man das EyePet nun das erste Mal mit fünf, dann mit zehn und schließlich mit fünfzehn Keksen innerhalb einer Minute füttert - an der eintönigen Tätigkeit des Kekse-Fütterns ändert sich nichts. Auch freispielbare Outfits, Frisuren und Objekte, mit denen das EyePet ausgestattet werden kann, dürften zumindest unter der älteren Gamerschaft nur bedingt für die gewünschte Abwechslung sorgen.

Eben noch im Wohnzimmer, schon auf der Showbühne
Schlecht ist "EyePet" trotz der angesprochenen Mängel jedoch keineswegs – man muss nur begreifen, dass es weniger ein Spiel als eine technische Machbarkeitsstudie ist, die schon heute aufzeigt, wie das Gaming von morgen aussehen könnte. Dies gilt eben insbesondere für die Verschmelzung von virtueller und realer Welt, die sich am besten anhand der Zeichnen-Funktion demonstrieren lässt: "EyePet" ist nämlich imstande, Objekte, die der Spieler auf ein Blatt Papier gemalt und anschließend mittels Kamera eingescannt hat, nachzuzeichnen. Schließlich kann der Titel diesen Gegenständen auch noch Leben einhauchen und so etwa aus der Skizze eines Autos oder Flugzeugs binnen weniger Sekunden ein real mittels Controller steuerbares Fahrzeug zaubern.

Fast schon lebendig
Das audiovisuelle Drumherum verstärkt zu guter Letzt das Gefühl der "erweiterten Realität": Obwohl sich die Bewegungsabläufe häufig gleichen, wirkt das EyePet mit seiner putzigen Mimik, dem flauschigen Pelz und den je nach Stimmungslage unterschiedlichen Lauten fast schon lebendig. Einzig das auf großen Flachbildfernsehern eher grobpixelige Bild der PS3-Cam im Hintergrund sowie die längeren Ladezeiten erinnern daran, dass eben doch alles nur ein Spiel ist.

Fazit: Mietzi und Rex können beruhigt aufatmen: Sie werden in absehbarer Zeit nicht durch ein Spiel ersetzt. Dafür ist die Handhabung des EyePets noch zu holprig und der Spielumfang zu mager. Spaß macht das Herumtollen mit dem pelzigen Wesen aber dennoch, wobei dies bei älteren Semestern eher auf die dem Spiel zugrundeliegende Technik und weniger auf die für die junge Zielgruppe zurechtgeschnittenen Mini-Games zurückzuführen sein dürfte. Interessant zu sehen ist "EyePet" aber allemal, zeigt es doch, was in Zukunft im Bereich des Gamings möglich sein kann und wird.

Plattform: PS3
Publisher: Sony
krone.at-Wertung: 7/10


von Sebastian Räuchle 

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