3600 Kubikmeter Abfall

Wohin mit Atommüll? Österreich auf Standortsuche

Österreich
25.04.2018 06:08

In Österreich läuft kein AKW, dennoch brauchen wir ein Atommülllager! In vier Jahrzehnten haben sich 3600 Kubikmeter Nuklearabfall angesammelt. Nun geht es darum, den richtigen Standort für ein Endlager zu finden.

Schon vor 27 Jahren gab es hitzige Diskussionen um den nuklearen Abfall aus Medizin, Industrie und Forschung. „Braucht Österreich überhaupt ein Atommüll-Endlager? Wo könnte der richtige Standort denn liegen?“, lauteten die Kernfragen. Von 16 geologisch gefundenen möglichen Standorten wurden sechs ausgeschieden. Weitere sechs gelten bis heute als möglicherweise geeignete Standorte und vier wurden als wahrscheinlich geeignete Standorte klassifiziert.

Diskussion seit 1991 eingefroren
Sofort hielten die betroffenen Landeshauptmänner, von Kärntens Zernatto (SPÖ) über Oberösterreichs Ratzenböck (ÖVP) bis zu Niederösterreichs Ludwig (ÖVP), Brandreden. Aus Gründen des Fremdenverkehrs, des Schutzes der Bevölkerung und der Nachbarschaft zu Nationalparks etc. komme ein Standort in den jeweiligen Bundesländern nicht infrage, hieß es unisono. Schluss. Punkt. Basta! Somit wurde die Diskussion 1991 fürs Erste eingefroren.

11.200 Fässer voll mit Atommüll 
Doch mittlerweile hat sich im Forschungszentrum Seibersdorf ein nuklearer Müllberg von 11.200 Fässern aufgetürmt. Bis 2045 ist der Standort noch als Zwischenlager gesichert. Doch dann?

„Keine übertriebene Angst“, beruhigt Dr. Reinhard Uhrig, Atomexperte von GLOBAL 2000 ,„auch wenn wir am Mittwoch des 32. Jahrestages des SuperGAUs von Tschernobyl und des damit verbundenen Horrors gedenken, so hat Österreich richtig entschieden, das AKW Zwentendorf nicht in Betrieb zu nehmen.“

95 Prozent vom Müll schwach radioaktiv
Denn unser Problem ist lösbar: Unsere 3600 Kubikmeter Atommüll sind zu 95 Prozent schwach radioaktiv. Sie haben in einem Würfel mit der Seitenlänge von 15,33 Metern Platz und müssen nur 300 Jahre lang und nicht sehr tief unter der Erde gesichert werden. Um das zu erreichen, braucht Österreich einen öffentlichen Prozess zur Bewusstseinsbildung. Der AKW-Staat Tschechien hingegen hat mit seinen Schrottmeilern 3742 Tonnen hochradioaktiven Abfall erzeugt. Todesstrahlen die 240.000 Jahre lang sicher von Wasser, Tieren und Menschen ferngehalten werden müssen - derzeit gibt es weltweit kein einziges Endlager für Atommüll …

Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger im Interview
„Krone“: Frau Ministerin Köstinger, Österreich ist auf der Suche nach einem Atommülllager. Gibt es schon einen konkreten Standort?
Elisabeth Köstinger: Nein, es gibt noch keine Festlegung auf einen bestimmten Standort, wir sind auch offen für Kooperationen mit anderen europäischen Ländern. Wir haben insgesamt sehr wenig radioaktive Abfälle in Österreich, vielleicht steht am Ende ein gemeinsames Projekt mehrerer Staaten.

Heißt das Export? Eben das wird ja von Umweltschützern kritisiert, weil wir ja Atomkraft-frei sind?
Es stellt sich die Frage, ob wir einen Alleingang machen und es in Europa Dutzende solcher Standorte gibt oder ob nicht ein oder mehrere Endlager sinnvoll sind. Klar ist: Wir müssen alles sicher entsorgen und lagern, das Problem in Seibersdorf muss gelöst werden.

Wieso haben wir überhaupt radioaktiven Abfall in Österreich? Müssen wir uns jetzt vor Verstrahlung fürchten?
Definitiv nein! Wir reden ja nicht von Uran-Brennstoffen aus Atomkraftwerken, die Tausende Jahre strahlen. Unsere Abfälle stammen vorwiegend aus der Medizin und der Forschung, sie sind zu 95 Prozent als schwach radioaktiv eingestuft. Es geht also von Seibersdorf keinerlei Gefahr für Mensch und Umwelt aus. Dennoch braucht es eine sichere Möglichkeit der Endlagerung. Wo genau das sein wird, ist noch gänzlich offen.

Wie geht die Suche nun konkret über die Bühne? Die Kritik lautet ja, dass das im Geheimen abläuft.
Das stimmt so nicht. Es gibt ein öffentliches Verfahren! Wir erarbeiten ein nationales Entsorgungsprogramm, das ist auch eine europäische Verpflichtung. Derzeit läuft die strategische Umweltprüfung, dabei gibt es umfassende Möglichkeiten der Stellungnahme für die Öffentlichkeit. Alle künftigen Entscheidungen werden transparent und unter Einbindung der Öffentlichkeit und auch Umweltorganisationen getroffen.

Bis wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?
Das ist schwer zu sagen, es gibt vorerst keinen großen Zeitdruck. Die Abfälle sind derzeit ordnungsgemäß in Seibersdorf zwischengelagert. Wir werden diesen Prozess durchführen und dann ein Ergebnis vorlegen. Auch dann werden wir erst genau wissen, mit welchen Kosten wir rechnen müssen.

Sie gelten als überzeugte Atomkraft-Gegnerin?
Wir sprechen hier nicht von Atomkraft, sondern von wissenschaftlichen und medizinischen Abfällen. Auf europäischer Ebene kämpfe ich intensiv gegen kommerzielle Nutzung von Atomkraft zur Stromproduktion. Ich habe für Österreich erst vor wenigen Wochen eine EU-Klage gegen den Ausbau des ungarischen Atomkraftwerks Paks II eingebracht.

Christoph Matzl und Mark Perry, Kronen Zeitung

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