Interview in Bologna

Garics zu krone.at: “ÖFB-Team? Nächste Frage!”

Fußball
08.09.2011 12:20

Er ist unser letzter Mohikaner in der Serie A, seit Jahren ein verlässlicher Rechtsaußen bei Napoli, Atalanta und Bologna - zuletzt hat es für Gyuri Garics aber wenig zu lachen gegeben. Erst der Zoff mit Didi Constantini, dann im Februar ein Kreuzbandriss. krone.at besuchte Garics nun in Bologna, wo er für sein Comeback schuftet und soeben wieder ins Mannschaftstraining eingesteigen ist. Gesprächig, was die Serie-A-Favoriten, die Aussichten Bolognas und das regelmäßige Scheitern von Österreichern in Italien angeht, schwindet das Strahlen in seinen Augen nur bei einem Thema: "ÖFB-Team? Nächste Frage!"

krone.at: Buongiorno, Gyuri! Gleich vorweg, wie geht es deinem Knie nach dem im Februar erlittenen Kreuzbandriss?
Gyuri Garics: Super, alles top! Vergangene Woche war die letzte, in der ich nicht mit der Mannschaft mittrainieren konnte. Davor gab's die letzte Einheit im Reha-Zentrum, und seit dieser Woche bin ich praktisch bei der Mannschaft. Ich würd' mal sagen, Mitte/Ende September bin ich wieder voll einsatzfähig.

krone.at: Also wieder bereit für Einsätze in der Serie A?
Garics: Das liegt beim Trainer ... (lacht)

krone.at: Gab es beim Heilungsprozess denn irgendwelche Komplikationen?
Garics: Nein, Komplikationen hat es Gott sei Dank keine gegeben, außer dass das Knie vielleicht einmal angeschwollen war. Ich hoffe, dass das so weitergeht. Es ist halt so, dass die Verletzung kein normaler Kreuzbandriss gewesen ist, sondern ein bisschen komplizierter. Und dadurch war von Beginn weg nicht so klar, ob es vier oder fünf Monate werden würden.

krone.at: Wie muss man sich deinen Alltag seit der Verletzung vorstellen?
Garics: Ich war in der Früh von 9 Uhr bis 12 Uhr hier im Reha-Zentrum und am Nachmittag von 16 Uhr bis 19 oder manchmal auch bis 19.30 Uhr - also mindestens sechs Stunden am Tag, Montag bis Samstag durch, Sonntag frei. Das ist mein Alltag gewesen. Ich hab' meine Kollegen nie gesehen und meine Freundin auch nicht, nur die Therapeuten - es waren wirklich sechseinhalb harte, lange Monate.

krone.at: Wird man da nicht verrückt, wenn man als Vollblut-Fußballer so lange den Ball links liegen lassen muss?
Garics: Den Ball habe ich tatsächlich erst in den letzten sechs, sieben Wochen gesehen - bis dahin gar nicht. Und da muss ich ganz ehrlich sagen, habe ich auch viel Zeit gehabt, über andere Sachen nachzudenken, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Ich habe zwar auch versucht, die Mannschaft zu beobachten, aber nur so viel wie nötig, weil es tut schon weh, wenn man nicht dabei sein kann.

krone.at: Stichwort Verletzungspause - Ronny Gercaliu ist ja während seiner mehrmonatigen Verletzungspause Vater geworden, hast du deine Fußball-Freizeit ähnlich nutzen können?
Garics: Nein, das war bei mir keine Frage. Wenn die Zeit reif ist und wenn man den geeigneten Partner dafür hat, macht man ein Kind. Das würd' ich nicht von vornherein in eine Verletzungspause legen ... (lacht)

krone.at: AC Milan, Inter Mailand, Juventus Turin, Napoli - die Kandidaten für den Gewinn des Scudetto kann man wohl an einer Hand abzählen. Wer ist für dich der Favorit auf den Titel?
Garics: Ich denke, dass es heuer wieder Milan macht, die sind für mich der Nummer-eins-Kandidat. Und dahinter eben Inter und Juventus, wobei ... (überlegt) ... Juve hat eine gute Mannschaft zusammengestellt, aber gute Arbeit braucht ihre Zeit - es ist ja nicht so, dass man von einem Tag auf den anderen eine Mannschaft basteln kann.

krone.at: Beim AC Milan sagt man, dass er sehr am Zenit schrammt mit seinen teilweise doch angejahrten Stars. Packen sie es tatsächlich noch einmal?
Garics: Nein, das ist trotzdem noch immer eine sehr gute Truppe. Zu Boateng, der in der Mitte drinnen ist, haben sie noch dazu ein paar Junge dazugeholt, die Offensive ist auch nicht gerade alt. Dazu kam jetzt auch Taiwo für links hinten, ein Guter von Marseille mit Erfahrung und auch noch ziemlich jung. Sie haben also schön langsam versucht, die Mannschaft zu verjüngen, im Gegensatz vielleicht zu Inter ... (zögert) ... Inter hat das meiner Meinung nach vielleicht ein bisschen vernachlässigt.

krone.at: In den vergangenen Jahren war ein sportlicher und wirtschaftlicher Niedergang des italienischen Fußballs zu beobachten - im Europacup scheiden die Klubs immer recht früh aus, und finanziell kracht es auch jedes Jahr irgendwo. Wie erlebst du selbst die Situation als Aktiver in Italien?
Garics: Nachdem was voriges Jahr bei uns in Bologna passiert ist, kann man ja gar nicht mehr wegschauen. Da bist du fast von einem Tag auf den anderen quasi ohne Verein dagestanden, das ist dann natürlich nicht lustig. Wenn man von Italien hört, fragt man sich, "vielleicht bekommt man sein Geld, vielleicht aber auch nicht", und das ist keine schöne Sache. Da muss man natürlich den Deutschen ein Kompliment machen, wie sie das machen - so wie eigentlich in jedem Bereich.

krone.at: Wie wird sich dein Klub, der FC Bologna, heuer schlagen? In die Vorsaison seid ihr ja mit den Diskussionen um eure finanzielle Lage gestartet - ist heuer mit mehr Ruhe im Vorfeld auch sportlich mehr möglich?
Garics: Na gut, mit Ruhe sind wir auch im vergangenen Jahr in die Saison gestartet, von den Problemen haben wir lange nichts gewusst. Heuer scheint die ganze Sache anders - es ist so, dass die Leute, die den Verein jetzt führen, einiges getan haben, um alles in Ordnung zu bringen. Der Verein hat sich stabilisiert, das ist für die Mannschaft und für die sportliche Seite sicherlich sehr positiv. Wir wissen auch, dass es so oder so keine einfache Saison wird, du brauchst nur zwei, drei Mal nur 95 statt 100 Prozent geben und es brennt schon lichterloh. Wir sind ja voriges Jahr zum Beispiel bis März auch super geflogen und dann hatten wir einen Einbruch und wären am Ende fast noch abgestiegen.

krone.at: Viel hat nicht gefehlt ...
Garics: Ich glaub, es waren drei, nein ... (überlegt) ... 42, 38 ... es waren vier Punkte, aber du musst natürlich die drei Punkte dazurechnen, die uns von der Liga abgezogen worden sind. Wenn man die dazu zählt, wären es schon sieben gewesen. Wir haben jedenfalls einen Trainer, der sehr engagiert ist, der viel Feuer in die Mannschaft reinpusht und der versucht, jeden gleich zu behandeln. Und auch wenn ich die Mannschaft und den Trainer wegen meiner Verletzungspause bisher sehr wenig gesehen habe, kann ich sagen, dass die Jungs einen sehr guten Eindruck machen.

krone.at: Seid ihr in der Offensive nicht allzu sehr von Alt-Star Marco di Vaio abhängig? Der sorgte in der vergangenen Saison mit 19 Toren (von 35 insgesamt, Anm.) ja doch am ehesten für Gefahr in den gegnerischen Abwehrreihen ...
Garics: Der Marco hat in den vergangenen drei Jahren immer mehr als 15 Tore geschossen, also das ist schon irgendwie eine Garantie. Sein Alter spricht leider Gottes nicht für ihn, aber andererseits ist er ein Junge, der sehr bemüht ist - über seine Qualitäten brauchen wir sowieso nicht lange reden. Der Verein hat das Problem natürlich auch erkannt und versucht, in der Offensive einiges dazuzuholen. Aber es ist eben auch nicht so einfach, Spieler zu holen, die dir im Jahr zehn, 15 Tore garantieren.

krone.at: Mit dem Schweden Mikael Antonsson hast du einen ehemaligen Austria-Legionär als Kollegen bekommen - habt ihr schon in alten Derby-Erinnerungen geschwelgt?
Garics: (lacht) Also wir sind uns jedenfalls in Erinnerung geblieben, aber das ist auch normal, wenn man eine gewisse Zeit in derselben Liga spielt. Man kennt sich vielleicht nicht persönlich, aber man weiß zumindest, dass man schon einmal gegeneinander gespielt hat. Ich hab' ihm anfangs natürlich auch gleich meine Hilfe angeboten, da er nicht Italienisch spricht. Ich hab' ihm gesagt: "Jederzeit, wenn du was brauchst, nur anrufen!" Er ist ein sehr netter Typ. Es ist natürlich was anderes, ihn in der eigenen Mannschaft zu haben, als etwa ein Derby gegen ihn zu spielen.

krone.at: Apropos Derby - was sagst du als ehemaliger Rapidler eigentlich zur derzeit gestörten Beziehung zwischen der Rapid-Führung und den Rapid-Fans? Was hast du hier in Italien davon mitgekriegt?
Garics: Wenig, weil es natürlich auch mit Rapid etwas zu tun hat und Rapid war immer schon für mich ein Thema - und das wird auch immer so bleiben. Schade, weil es auch in Italien ein paar Schlagzeilen gegeben hat. Das sind Dinge, die nicht passieren sollten im Fußball - aber leider Gottes gibt es sie immer wieder, nicht nur in Österreich. Aber was willst du tun?

krone.at: Siehst du irgendeine Legitimation für diese Art des Protests?
Garics:(zögert) Also die Fans zahlen natürlich für den Eintritt und haben natürlich das Recht, wenn sie nicht zufrieden sind, Kritik zu üben. Wenn man etwa ins Theater geht und es gefällt einem nicht, dann klatscht man am Schluss eben nicht. Am Fußballplatz schaut das halt leider ein bisschen anders aus, aber ich denke, dass man nicht das Recht hat, solche Dinge zu tun, wie sie eben jetzt bei Rapid beim letzten Derby der vergangenen Saison vorgefallen sind. Man kann streiten, man kann sich aufregen, man kann kritisieren - aber nicht so. Das hat keinen Sinn und mit Fußball nichts zu tun.

krone.at: Kommen wir jetzt zum Thema ÖFB-Team - wie geht es dort nach dem Zoff mit Teamchef Didi Constantini mit deiner Karriere ...
Garics: ÖFB-Team? Nächste Frage bitte ...

krone.at: Wie meinen?
Garics: Du brauchst gar nicht weiter zu reden - das interessiert mich zurzeit nicht. Ich hab' nichts dazu zu sagen ...

krone.at: Gar nichts? Weder zur ...
Garics: Nichts! Gar nichts! Zurzeit ist für mich das Nationalteam kein Thema, das wisst's ihr schon länger. Und ich möchte da gar nichts weiter kommentieren, das interessiert mich nicht. Das sollen sie sich dort selber ausmachen…

krone.at: Na gut, dann zu den österreichischen Legionären in Italien. In den vergangenen Jahren sind zwar immer wieder Österreicher nach Italien gekommen, aber durchgesetzt hat sich kaum einer dauerhaft. Woran liegt das?
Garics: Die Serie A ist die schwierigste Liga für mich. Du musst technisch, taktisch und athletisch, einfach von jeder Seite her, sehr gut vorbereitet sein. Ich hab' immer schon gesagt, das ist nicht der schönste Fußball hier, aber er ist der komplizierteste. Ich lege nicht sehr viel Wert auf Statistiken, aber es ist eben so, dass der letzte Feldspieler, der sich durchgesetzt hat, der Schachner war und der nächste bin dann wahrscheinlich schon ich ...

krone.at: Der Polster war auch noch dazwischen ...
Garics: Ja genau, der Polster natürlich, 'tschuldige. Der war zwar nicht lange hier, aber dafür hat er immer gespielt und mit Toren seine Spuren hinterlassen, den möchte ich natürlich nicht vergessen. Es ist eben so, dass viele Spieler daherkommen, auch aus anderen Ligen, und sie schaffen es nicht, sich durchzusetzen.

krone.at: Also kein spezielles Problem von uns?
Garics: Nein, es ist nicht so, dass es nur wir nicht schaffen. Ich würd' sagen, dass es schon auch eine Einstellungssache ist, es hängt sehr viel vom Kopf ab. Viele denken sich, sie kommen und sie werden mit offenen Armen erwartet, "endlich ist der Spieler XY von Österreich da". Aber das ist nicht so, du bist eine Nummer von sehr vielen. Wenn du deine Leistung bringst, dann wirst du auch behandelt wie einer von den Italienern. Nur, Chancen bekommst du sehr, sehr wenige. Du hast die Möglichkeit, vielleicht einmal oder zweimal einen Fehler zu machen - danach ist der Zug aber abgefahren. Solche wie uns gibt es hier ... (überlegt) ... nicht nur zehn, sondern Hunderte. Und der Beste, der am meisten Geduld hat und der am meisten arbeitet, der wird es schaffen.

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(Bild: KMM)



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