"Mit allen reden"

“Massenmörder” Assad plötzlich wieder salonfähig

Ausland
24.09.2015 22:13
Wohl nicht zuletzt durch die Eskalation der Flüchtlingskrise scheinen immer mehr westliche Staaten ihre harte Front gegen den syrischen Staatschef Bashar al-Assad aufzuweichen. Sowohl die USA als auch Deutschland haben zuletzt nicht mehr ausgeschlossen, einer Übergangslösung mit Beteiligung Assads zuzustimmen. "Es muss mit vielen Akteuren gesprochen werden, auch mit Assad", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Nacht auf Donnerstag. US-Außenminister John Kerry betonte, dass derzeit das Hauptaugenmerk auf dem Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat liege.

Während vor allem unter den westlichen Industriestaaten in den vergangenen Jahren Einigkeit herrschte, dass Assad an der Spitze des Bürgerkriegslands nicht mehr zu halten sei, zeichnet sich nun womöglich eine Wende ab. Die Probleme in Syrien könnten "nicht allein von außen", also aus Ländern heraus gelöst werden, die "nicht direkt zu der Region gehören", sagte Merkel. Neben Syrien müssten auch Länder wie der Iran und Saudi-Arabien einbezogen werden.

Kurz ebenfalls für Gespräche mit Assad
Schon im Frühjahr hatte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier in einem Zeitungsinterview Gespräche mit der syrischen Führung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sein österreichischer Kollege Sebastian Kurz regte während seines Besuchs im Iran gemeinsam mit Bundespräsident Heinz Fischer Anfang September direkte Gespräche mit der Führung in Damaskus an. Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner spricht sich für eine Einbindung Assads in eine Lösung des Bürgerkriegs aus: "Ja, Assad muss man an den Verhandlungstisch mitnehmen", sagte sie am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk.

In Ankara bahnt sich ebenfalls ein Richtungswechsel an: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan - bisher ein vehementer Gegner des syrischen Präsidenten - hat sich nun jener Meinung angeschlossen, wonach eine Übergangslösung im Nachbarland mit einer Beteiligung Assads leichter möglich ist. Erdogan schränkte am Donnerstag jedoch ein, dass niemand eine Zukunft Syriens mit Assad sehe. "Es ist nicht möglich, eine Person, einen Diktator zu akzeptieren, der den Tod von 300.000 bis 350.000 Bürgern verursacht hat", sagte er. Bisher befürwortete die türkische Führung Assads Sturz und unterstützte mit Saudi-Arabien syrische Rebellen im Bürgerkrieg gegen die Regierung in Damaskus.

Setzen sich Russland und Iran durch?
Damit scheint sich der Kurs Russlands und des Iran durchzusetzen. Die beiden Staaten gehören zu den letzten Verbündeten Assads. Aus diesem Grund wurde Merkels jüngster Vorstoß in Moskau begrüßt. Die Haltung der Kanzlerin entspreche der Position Moskaus, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge. Es sei "unrealistisch", den "legitimen Präsidenten" Syriens aus der Suche nach einer Lösung des Konflikts auszuschließen. "Die Erklärung der Kanzlerin stimmt mit dem überein, was Präsident Wladimir Putin mehrfach sagte. Über das Schicksal Syriens kann nur das syrische Volk entscheiden", sagte Peskow.

Auch wenn derzeit ein Aufrüsten Moskaus in Syrien unwiderlegbar ist, nannte der Kremlsprecher jüngste US-Medienberichte über angeblich bevorstehende Luftangriffe Russlands auf IS-Hochburgen "reine Spekulation". Er könne auch nicht bestätigen, dass Putin den Föderationsrat in absehbarer Zeit um eine Erlaubnis zum Einsatz russischer Truppen in Syrien bitten wolle. "Mir ist davon nichts bekannt", sagte der Vertraute des Präsidenten.

Russisches Militärmanöver im Mittelmeer
Das Verteidigungsministerium in Moskau kündigte allerdings ein Manöver im östlichen Teil des Mittelmeers - und damit wohl in der Nähe Syriens - an. An der für Ende September und Anfang Oktober geplanten Übung würden auch ein Lenkwaffenkreuzer und ein Landungsschiff teilnehmen.

Russische Waffen sind bereits im Einsatz gegen die IS-Dschihadisten: Die syrische Luftwaffe fliegt nach Oppositionsangaben mit erst kürzlich eingetroffenen russischen Kampfjets Angriffe. Die Maschinen seien von syrischen Piloten gesteuert worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag mit. Die russischen Kampfflugzeuge seien seit vergangener Woche im Einsatz.

Putin-Obama-Treffen am Montag in New York
Die Augen der Weltöffentlichkeit dürften sich in der kommenden Woche auf die Generaldebatte der Vereinten Nationen richten, bei der ab Montag zahlreiche Staats- und Regierungschefs vor der Vollversammlung in New York sprechen werden. Erstmals seit zehn Jahren wird Putin eine Rede vor dem Plenum halten, dabei will er seine Pläne für Syrien vorstellen.

Am Rande der Generaldebatte sollen Putin und sein US-Amtskollege Barack Obama zusammentreffen, um über den Syrien-Konflikt zu beraten. Das Treffen sei für Montag vereinbart worden, hieß es laut russischen Nachrichtenagenturen. "Angesichts der Lage in der Ukraine und in Syrien und trotz der tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten mit Moskau glaubt der Präsident, dass es unverantwortlich wäre, nicht auszutesten, ob nicht auf hoher Ebene Fortschritte mit den Russen erzielt werden könnten", erklärte ein Sprecher der US-Regierung.

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