Zu dem 262 Seiten umfassenden Bericht einer Untersuchungskommission zu den Missbrauchsvorwürfen bei SOS-Kinderdorf ist nun eine deutlich ausführlichere Fassung mit 991 Seiten bekannt geworden. Brisant: Sie soll alle Namen und Details zu den Fällen enthalten. Neben Kindesmissbrauch geht es offenbar auch um Geldwäsche und Menschenhandel. Der Bericht bleibt vorerst unter Verschluss.
Kaum ein Tag vergeht ohne neue Enthüllungen rund um das SOS-Kinderdorf. Eine Untersuchungskommission vom Dachverband SOS-Kinderdorf International hatte 2023 zwei Berichte zu den Missbrauchsvorwürfen erstellt – eine gekürzte und eine längere Fassung. Bei dem Dokument handele es sich um einen „vertraulichen, zweiten Teil des Berichts“ der Independent Special Commission (ISC), hieß es in einer Stellungnahme von SOS-Kinderdorf International.
Zweiter ISC-Bericht enthüllt brisante Details
Dieser soll vertrauliche Informationen sowie zahlreiche namentliche Nennungen von Personen enthalten, darunter auch Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber. Aus Gründen des Personenschutzes sei es deshalb nicht möglich, die Langfassung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, erklärte der ISC. Sie liege ausschließlich dem „International Senat“ und dem Vorstand der Organisation vor. Die ISC habe jedoch im kürzeren, bereits veröffentlichten Bericht die wichtigsten Erkenntnisse anonymisiert zusammengefasst und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Aus Gründen des Personenschutzes ist es deshalb nicht möglich, das Dokument der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
SOS-Kinderdorf International in einer Stellungnahme
Begrenzte Einsicht für Österreich
SOS-Kinderdorf Österreich konnte 2023 nach eigenen Angaben nur zeitlich begrenzt Einsicht in jenen Ausschnitt des Berichts nehmen, der sich auf den bereits bekannten Spenderfall in Nepal bezieht. Eine vertiefte strafrechtliche Analyse habe keine belastbaren Verdachtsmomente zu Menschenhandel oder Geldwäsche ergeben, erklärte eine Sprecherin. SOS-Kinderdorf International habe hingegen angekündigt, dass geprüft werde, ob und in welcher Form Teile der Langfassung an die Staatsanwaltschaft Innsbruck übermittelt werden könnten. Bereits übermittelte Unterlagen betreffen unter anderem den 2024 verstorbenen langjährigen Präsidenten Helmut Kutin.
Großspender hatte Zugang zu Kindern
Kutin war in den Fokus geraten, da er einem Großspender Zugang zu Kindern in Nepal ermöglicht haben soll – auch nachdem der Mann dort Kinder missbraucht haben soll. Wie bekannt wurde, ermittelte die Staatsanwaltschaft München zwischenzeitlich gegen Kutin, nachdem diese vom Verein „SOS-Kinderdorf weltweit“ mit Sitz in München informiert worden war. Die Ermittlungen wurden jedoch wegen dessen Todes eingestellt. Von SOS-Kinderdorf International sowie von „SOS-Kinderdorf weltweit“ war Kutin bereits zuvor die Ehrenpräsidentschaft aberkannt worden.
Hintergrund der Vorwürfe gegen das SOS-Kinderdorf war eine bekannt gewordene Recherche Mitte September am Standort Moosburg in Kärnten. Kurze Zeit später kamen auch Vorwürfe gegen weitere Kinderdörfer ans Licht. Mittlerweile ermitteln die Staatsanwaltschaften in Klagenfurt, Innsbruck sowie Salzburg aufgrund der Vorwürfe. Auch wurde bekannt, dass der bereits verstorbene SOS-Kinderdorf-Gründer Hermann Gmeiner mehrere Burschen sexuell missbraucht haben soll. SOS-Kinderdorf setzte nach Bekanntwerden der Vorfälle eine Reformkommission unter Führung der ehemaligen OGH-Präsidentin Irmgard Griss ein.
Osttirol beschloss Umbenennung von Gmeiner-Straßen
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe kündigten indes einige Gemeinden an, die Umbenennung von nach Gmeiner benannten Straßen prüfen zu wollen. Der Gemeinderat der Osttiroler Gemeinde Nußdorf-Debant beschloss am Dienstag einstimmig diesen Schritt. Die Straße – in der sich auch das Gemeindeamt befindet – soll künftig Marktstraße heißen. Im Ort ist das zweitälteste SOS-Kinderdorf beheimatet. Auch hier meldeten sich zuletzt ehemalige Bewohnerinnen, die von gewalttätigen Übergriffen in den 1990er-Jahren berichtet hatten.
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