Wiens Rathaus, die ÖGK und der Bund haben sich auf die Marschrichtung des Wiener Gesundheitssystems für die nächsten fünf Jahre geeinigt. Ein radikaler Ausbau bei der Primärversorgung soll in Spitälern Betten einsparen. Das Gelingen der Pläne hängt allerdins von der Zahl der Gastpatienten ab.
Nach dem „Wälzen großer Gedanken“ haben sich Wien, ÖGK und Bund laut Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) „zu großen Schritten entschieden“. Das schon länger gepredigte Gesundheitsmantra „digital vor ambulant vor stationär“ soll bis zum Jahr 2030 für die Bevölkerung Realität werden. Wiener Patienten sollen dann vor allem über das Gesundheitstelefon 1450 (und digitale Angebote) in die richtige Richtung geschickt werden – vor allem zu Ordinationen, Primärversorgungszentren und Ambulatorien.
170 neue Zentren als erste Anlaufstellen geplant
Die Zahl der „Sachleistungsstellen“ der ÖGK abseits der Spitäler soll um ein Viertel steigen, 640 in absoluten Zahlen. Das Plus entfällt größtenteils auf Zentren abseits klassischer Ordinationen: In fünf Jahren soll es fast 170 dieser Zentren in Wien geben, davon 80 Primärversorgungszentren und viele mit Spezialisierung: 14 für Kinder- und Jugendheilkunde (davon sechs an Wochenenden geöffnet), neun für gynäkologische Anliegen, vier Zentren für chronische Schmerzen, drei Diabetes-Zentren und drei für Onkologie.
Abgesehen davon will Wien mit weiteren spezialisierten Einrichtungen „experimentieren“ (Zitat Hacker), etwa für COPD, Herz-Insuffizienz und eventuell sogar „kleine Chirurgie“ abseits von Spitälern. „Im niedergelassenen Bereich entsteht das Vertrauen“, ist Wiens ÖGK-Chefin Agnes Streissler-Führer überzeugt. Dort bekämen Menschen das Gefühl „Da kümmert sich jemand um mich – erst damit bleibt das System stabil.“
Medizinischer Fortschritt verschafft Spielraum
Was an niedergelassener Versorgung dazukommt, soll bei den Spitälern wegfallen: Jedes elfte stationäre Bett soll eingespart werden, also insgesamt 800 Betten. Die Kursänderung ist aber noch weit größer, da auch darüber hinaus Umschichtungen stattfinden: 500 Betten sollen für Akutgeriatrie und Remobilisierung reserviert werden. Zudem sollen die derzeitigen Kontingente für Neurologie, Psychiatrie sowie für Kinder und Jugendliche um rund 140 aufgestockt werden.
Die Streichung der Betten soll nicht nur durch den Ausbau des niedergelassenen Bereichs verschmerzbar sein, sondern auch durch den medizinischen Fortschritt: Für Augen-Operationen beispielsweise braucht es heutzutage kaum je Spitalsaufenthalte. Allein das macht Kapazitäten von 45 Betten frei. Dass der neue Strukturplan für die Gesundheit ein Sparplan sei, weisen Hacker und NEOS-Gesundheitssprecherin Jing Hu vehement zurück. Hu sieht im Gegenteil sogar ein „Zukunftsversprechen“ an die Wiener Bevölkerung.
Mit dem Ausbau des ambulanten Bereichs entsprechen wir Wünschen von Patienten: Alle wollen lieber daheim als im Spital schlafen.

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ)
Bild: David Bohmann
„Unsympathische“ Härte gegenüber Gastpatienten
Hacker hat laut eigener Aussage nur „ein zentrales Ziel: die Versorgung verbessern“. Nachsatz: „Natürlich, wenn Menschen lieber daheim als im Spital schlafen, stört es uns nicht, wenn wir dadurch weniger Nacht- und Wochenenddienste in Spitälern finanzieren müssen.“ Die Prognosen stehen und fallen mit der Entwicklung beim Konfliktthema Gastpatienten. Der Strukturplan baut darauf auf, dass sich deren Zahl in fünf Jahren halbieren wird – oder entsprechend mehr Geld nach Wien fließt.
Dann würde auch die Zahl der Spitalsbetten wieder steigen. Der neue Gesundheitsplan ist der erste, der im Jahresrhythmus evaluiert und allenfalls angepasst werden soll. Ohnehin hat es Hacker „nie sympathisch gefunden, Gastpatienten abzuweisen“. Das sei aber nötig: „Es kann nicht sein, dass Wiens Steuerzahler das Gesundheitssystem anderer Bundesländer finanzieren.“
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