Anschlag in Magdeburg
Angeklagter war wohl vom Rechtsstaat frustriert
Vor knapp einem Jahr wurden bei einem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in der deutschen Stadt Magdeburg sechs Menschen getötet und Hunderte verletzt. Nun hat der Angeklagte bei Gericht eingeräumt, die Tat geplant zu haben.
Er habe den Angriff „vor 16 Monaten“ vorbereitet, erklärt Taleb A. am zweiten Prozesstag am Dienstag vor dem Landgericht Magdeburg. Zugleich gab der 51-Jährige an, dass er am Montag in einen Hungerstreik getreten sei.
In seiner stundenlangen Aussage vor Gericht schilderte der Mann, wie er Magdeburg zwischen August 2023 und Dezember 2024 mehrfach für die Tatplanung besucht habe. Eine zunächst geplante „Sprengattacke“ auf die Staatsanwaltschaft mit Gaszylindern verwarf er demnach aber ebenso wie einen Angriff auf ein Café. Die Anschlagspläne begründete er mit dem Ringen um Aufmerksamkeit für seine Anliegen, etwa den Schutz saudi-arabischer Frauen. „Ich wollte einfach, dass die Welt mich hört, dass wir leiden, dass wir verfolgt werden.“
Der Prozess hatte am Montag mit der Anklageverlesung begonnen. Der aus Saudi-Arabien stammende Arzt war laut Anklage am 20. Dezember vergangenen Jahres mit einem Mietwagen über den stark besuchten Weihnachtsmarkt in Magdeburg gefahren und hatte zahlreiche Menschen erfasst. Ein neunjähriger Bub und fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren starben, mehr als 300 weitere Menschen wurden verletzt.
Nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg wollte A. „eine unbestimmte große Zahl von Menschen“ töten. Er räumte zum Prozessauftakt am Montag ein, am Steuer des Tatwagens gesessen zu haben.
Wirre Aussagen
Auch am Dienstag äußerte sich der Angeklagte zu den Vorwürfen – allerdings nur vage und teils wirr. Auch schweifte er erneut zu philosophischen und religiösen Themen ab. Deutlich wurde auch sein Frust über deutsche Behörden wie Polizei und Staatsanwaltschaft, die ihn nicht bei seinem Vorgehen gegen einen aus seiner Sicht „korrupten“ Kölner Flüchtlingshilfeverein unterstützt und stattdessen gegen ihn selbst ermittelt hätten.
Die Generalstaatsanwaltschaft sieht in der „Unzufriedenheit und Frustration“ des Angeklagten über den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten und der Erfolglosigkeit eigener Strafanzeigen das Tatmotiv für den Weihnachtsmarktanschlag.
Hungerstreik
A. befindet sich seit Montag nach eigenen Angaben im Hungerstreik, den er „drei Wochen“ fortsetzen wolle. Der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg erklärte an den Angeklagten gewandt: „Es liegt an Ihnen, ob Sie die Verhandlung mitmachen wollen, ob Sie anwesend sein wollen oder nicht.“ Sternberg zufolge kann das Gericht für den Fall, dass der Angeklagte wegen des Verzichts auf Essen und Trinken nicht mehr verhandlungsfähig sein sollte, auch ohne ihn weiterverhandeln.
Laut Rechtslage kann ein Gericht im Fall, dass ein Angeklagter sich „vorsätzlich“ in einen Zustand versetzt, in dem er nicht verhandlungsfähig ist, auch ohne die Anwesenheit des Angeklagten weiterverhandeln, wenn dieser bereits zur Sache aussagte. „Das ist passiert“, sagte der Vorsitzende Richter. Damit wären für eine Weiterverhandlung ohne den Angeklagten „die Voraussetzungen erfüllt“. Für den Prozess sind bisher Termine bis März bestimmt.
Wegen Sicherheitsbedenken erteilte die Stadtverwaltung Magdeburg unterdessen den Veranstaltern des diesjährigen Weihnachtsmarkts vorerst keine Genehmigung. Grund ist demnach ein Schreiben des Landesverwaltungsamts als übergeordnete Behörde, in dem das diesjährige Sicherheitskonzept der Marktveranstalter bemängelt wird. Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) warnte vor einem verheerenden Signal, sollte der Magdeburger Weihnachtsmarkt nicht stattfinden können. Das wäre „eine Kapitulation der breiten Stadtgesellschaft vor dem Attentat“, erklärte Borris am Montag.
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