„TikTok-Islamismus“
Deutschland verbietet Gruppierung von Kalifat-Fans
Der deutsche Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat den islamistischen Verein „Muslim Interaktiv“ verboten. Der Gruppierung demonstrierte im vergangenen Jahr in Hamburg für einen deutschen Gottesstaat. „Kalifat ist die Lösung“, stand dabei auf Schildern.
Zudem laufen gegen die Vereine „Generation Islam“ und „Realität Islam“ vereinsrechtliche Ermittlungen, wie das Ministerium mitteilte. Im Zusammenhang mit dem Verbot und den Ermittlungen untersuchten Polizeikräfte am Mittwoch in der Früh Objekte in Hamburg, Berlin und Hessen.
In Hamburg gab es demnach Durchsuchungen in sieben Objekten. Zahlreiche Polizeikräfte waren im Einsatz. In Hessen sind nach Angaben einer Sprecherin des hessischen Innenministeriums vier Objekte betroffen. In Berlin liegt einer der Einsatzorte nach dpa-Informationen im Bezirk Neukölln.
Schlag gegen „TikTok-Islamismus“
„Wer auf unseren Straßen aggressiv das Kalifat fordert, in unerträglicher Weise gegen den Staat Israel und Juden hetzt und die Rechte von Frauen und Minderheiten verachtet, dem begegnen wir mit aller rechtsstaatlichen Härte“, erklärte Dobrindt. „Wir lassen nicht zu, dass Organisationen wie ,Muslim Interaktiv‘ mit ihrem Hass unsere freie Gesellschaft zersetzen, unsere Demokratie verachten und unser Land von innen heraus angreifen.“
Die Gruppe fiel mehrmals mit radikalen Äußerungen auf:
Hamburgs Innensenator Andy Grote bezeichnete das Verbot als Schlag gegen „den modernen Tiktok-Islamismus“. „Mit dem heute vollstreckten Verbot von Muslim Interaktiv haben unsere Sicherheitsbehörden eine gefährliche und sehr aktive islamistische Gruppierung ausgeschaltet“, sagte der SPD-Politiker.
Islam als alleiniges gesellschaftliches Ordnungsmodell
„Muslim Interaktiv“ lehne das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ab und weise damit eine verfassungsfeindliche Grundhaltung auf, schrieb das deutsche Innenministerium in einer Mitteilung. Der Verein verstoße gegen den Gedanken der Völkerverständigung, indem er das Existenzrecht Israels bestreite. Er werde aufgelöst und sein Vermögen beschlagnahmt.
Der Islam solle aus Sicht von „Muslim Interaktiv“ als alleiniges gesellschaftliches Ordnungsmodell dienen und islamisches Leben staatlichen Entscheidungen vollständig entzogen sein. Zum Beleg führte das Ministerium Zitate des Vereins auf wie „all unsere Ideen und Wertevorstellungen entspringen unserer islamischen Weltanschauung und sind unverhandelbar“. Die demokratische Gesellschaft entspreche demnach einer „Wertediktatur“.
Propaganda in sozialen Medien
Darüber hinaus missachte „Muslim Interaktiv“ die Menschenrechte, so das deutsche Innenministerium. Die Gruppe richte sich insbesondere gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter sowie gegen die Freiheit hinsichtlich sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität. Man setze auf die massive Nutzung sozialer Medien und „Performances“ in der realen Welt.
„Hierdurch soll eine möglichst große Gruppe von Menschen indoktriniert und so beständig Verfassungsfeinde geschaffen werden, um die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend zu untergraben.“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht bei den drei Vereinigungen, die sich mit ihren Aktionen und Social-Media-Aktivitäten vorwiegend an junge deutschsprachige Muslime richten, eine ideologische Nähe zur Islamisten-Gruppierung „Hizb ut-Tahrir“, für die in Deutschland seit 2003 ein Betätigungsverbot gilt.
Junge Muslime als Zielgruppe
Die Protagonisten der drei Vereinigungen rufen zu einer an einem archaischen Islam orientierten Lebensweise und zur Abkehr von der Mehrheitsgesellschaft auf. Sie warnen vor einer angeblich staatlich forcierten Anpassung und stellen Muslime generell als unterdrückte Minderheit dar. Das verfängt vor allem bei jungen Muslimen, die im Alltag aufgrund ihrer Religion Ausgrenzung erfahren haben.
Insbesondere die Gruppe „Muslim Interaktiv“ sei „mit ihrer an der Popkultur orientierten Aufmachung und ihrem professionellen Auftritt in den sozialen Medien vor allem für Jugendliche attraktiv“, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2024. Im vergangenen Jahr sei es ihr zudem gelungen, bei mehreren Demonstrationen, die sich auf den Nahost-Konflikt bezogen, teilweise mehr als 1000 Teilnehmer zu mobilisieren.
Die drei Gruppierungen werden nicht dem jihadistischen Spektrum zugeordnet. Das heißt, dass die Islamisten zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele – anders als Gruppierungen wie Al-Kaida oder der sogenannte Islamische Staat (IS) – nicht auf Gewalt und Terrorismus setzen.
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