NATO hegt Verdacht
Russland soll „Estonia“-Wrack für Spionage nutzen
Vor mehr als 30 Jahren sank die Fähre „Estonia“ auf den Grund der Ostsee, 852 Menschen fanden dort ihr Grab. Um die Totenruhe nicht zu stören, gilt rund um das Wrack ein Tauchverbot. Jetzt erhärtet sich der Verdacht, dass Russland das Sperrgebiet nutzt, um den Westen auszuspionieren.
In der Nacht auf den 28. September 1994 sank die MS „Estonia“ auf dem Weg von Tallinn nach Stockholm, als bei einem Sturm die Bugklappe abbrach. Es war das schwerste Schiffsunglück im Europa der Nachkriegszeit, 852 Menschen kamen dabei ums Leben.
Viele der Leichen wurden nie geborgen, das Wrack liegt bis heute in rund 80 Metern Tiefe am Meeresgrund und gilt offiziell als Grabstätte. Ein Jahr nach der Katastrophe unterzeichneten die Anrainerstaaten Schweden, Finnland und Estland ein Abkommen, das Tauchgänge rund um die „Estonia“ verbietet, um die Totenruhe nicht zu stören.
Die „Estonia“ liegt zwischen Stockholm und Tallinn am Meeresgrund:
Militärübungen im Sperrgebiet
Doch offenbar halten sich nicht alle daran: In der NATO gibt es Erkenntnisse darüber, dass Russland das Wrack als Übungsgelände und möglicherweise als Versteck für Spionagetechnik nutzt, wie Recherchen von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ (SZ) ergaben. Demnach sollen vor wenigen Jahren technische Geräte an der gesunkenen Fähre angebracht worden sein, die das hochpräzise Navigieren von Unterwasserdrohnen und Robotern ermöglichen. Westliche Sicherheitskreise gehen davon aus, dass das russische Militär dort entsprechende Aktivitäten geübt hat.
Aufgrund der Seewege sei die Position des Schiffswracks zwischen Schweden, Finnland und Estland aber auch ideal, um von dort heimlich Informationen zu sammeln, erklären Militärvertreter gegenüber den deutschen Medien. So könnte Russland in der Sperrzone ungestört militärische Sensorik verstecken, um NATO-Kriegsschiffe und U-Boote etwa anhand ihrer Schraubengeräusche zu orten. Entsprechende Geräte könnten anders als am sandigen Ostseegrund am Wrack fest montiert werden und würden kaum auffallen.
Spionage mit dem „Forschungsschiff“
Zuständig für derartige Unterwasserspionage ist in Russland die Hauptverwaltung Tiefseeforschung (GUGI), eine streng geheime Einheit, die direkt dem Verteidigungsministerium untersteht. Zur Flotte der GUGI gehören Spezialschiffe, die offiziell der Forschung dienen. Eines dieser Schiffe ist die „Jantar“, die in den vergangenen Jahren auffällig oft genau über Unterwasserinfrastruktur europäischer Staaten in der Nord- und Ostsee fuhr. Die „Jantar“ gilt als wichtigstes Spionageschiff Russlands. Sie wird etwa dazu eingesetzt, Unterwassermikrofone einzusetzen, die dann die Geräusche gegnerischer U-Boote aufzeichnen.
Der Verdacht, dass auch am Wrack der „Estonia“ solche Sensorsysteme angebracht wurden, wird von keinem der Anrainerstaaten bestätigt – auch, um keine Rückschlüsse auf die eigenen Spionagefähigkeiten zuzulassen. Man beobachte aber die Aktivitäten in der Ostsee genau, wobei Russland seit der Invasion in der Ukraine aggressiver auftrete. Freilich schweigt auch der Kreml dazu.
Spionagesystem an anderer Stelle entdeckt
Vor Jahren wurde aber bereits ein Unterwasser-Ausspähsystem an anderer Stelle in der Ostsee gefunden, wie WDR, NDR und SZ aus Sicherheitskreisen erfuhren. Demnach geht man davon aus, dass in den Meeren, zu denen Russland Zugang hat, an vielen Stellen Unterwassersensorik zu Spionagezwecken installiert wurde.
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