Alle Macht den Milliarden schweren Agro-Konzernen – Brüssels unverfrorene Marschrichtung bei Saatgut! Dort soll zu Gunsten der globalen Chemie-Lobby heimischen Bauern Zucht und Anbau nahezu unmöglich gemacht werden. Einen handfesten Skandal gibt es auch um ein dubioses Glyphosat-Gutachten.
Zum einen sorgt die abrupte Rücknahme einer zentralen Glyphosat-Studie aus dem Jahr 2000 für neue Verunsicherung bei heimischen Naturschützern – und politisches Beben. Denn die Fachzeitschrift „Regulatory Toxicology and Pharmacology“ hat die Arbeit nach jahrelangen Manipulationsvorwürfen nun offiziell zurückgezogen.
Trotz dieser langen Vorgeschichte stützte sich die EU-Kommission bei der Wiederzulassung von Glyphosat eben auch auf solche fragwürdigen Grundlagen. Für SPÖ-EU-Abgeordneten Günther Sidl ist das ein unhaltbarer Zustand: „Bei derart weitreichenden Bewertungen darf es keine Abhängigkeit von unzuverlässigen Studien geben.“
Er fordert daher eine sofortige Neubewertung des Wirkstoffs – basierend auf der gesamten, verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz. Es geht um nicht weniger als die Frage einer möglichen Krebsgefahr. Ein Risiko, das weder auf Verdacht noch auf lückenhaften Daten beruhend akzeptiert werden kann.
Sidl verlangt außerdem einen grundlegenden Kurswechsel bei Pestiziden. Der Kern seiner Argumentation ist klar: Was in der Natur landet, landet später im Körper. Und dort sind potenziell krebserregende Stoffe nicht zu rechtfertigen.
Die EU müsse endlich Alternativen fördern, statt an überholten Modellen festzuhalten. Eine europäische Forschungsinitiative für ökologische Pestizide wäre ein erster Schritt – eine Weichenstellung, die bisher fehlt.
Saatgutrecht: Wenn Vielfalt zur Nebensache wird
Parallel zur Glyphosat-Debatte bereitet die EU den Beschluss eines neuen Saatgutrechts vor – und erneut hagelt es Kritik. Der Rat der Landwirtschaftsminister:innen will seine Position fixieren, doch der aktuelle Entwurf sorgt für massive Bedenken bei Produzenten, Züchter und Konsumenten.
Österreichs Agrarminister Totschnig muss endlich für unsere Landwirte aktiv werden! Seine offensichtliche Untätigkeit ist langsam beklemmend.

EU-Mandatar Günther Sidl (SPÖ)
Bild: SPÖ/Sebastian Philipp
ARCHE NOAH-Expertin Magdalena Prieler warnt, dass die geplanten Regeln die Situation deutlich verschlechtern würden. Vor allem die Vermarktung neuer, vielfältiger Sorten könnte künftig unmöglich werden. „Das kommt einem Arbeits- und Innovationsverbot gleich“, so Prieler.
Abweichungen von starren Einheitlichkeitsvorschriften sollen künftig nur noch bei Obst und Gemüse erlaubt sein. Für Kulturen wie Getreide oder Ölpflanzen wäre das ein herber Rückschritt – gerade in Zeiten, in denen regionale Anpassung und genetische Vielfalt entscheidend für Resilienz gegen Klimawandel und Krankheiten sind.
Besonders problematisch: Die derzeitige Freiheit von Landwirt:innen, Saatgut untereinander weiterzugeben, ist in der Ratsposition nicht abgesichert. Die Weitergabe von Vermehrungsmaterial zur Erhaltung der Vielfalt könnte eingeschränkt werden – ein Grundpfeiler bäuerlicher Praxis. Der administrative Druck auf kleine Betriebe droht zu steigen, ohne erkennbaren Nutzen.
242 europäische Organisationen – darunter ARCHE NOAH, IFOAM Organics Europe und Via Campesina – warnen daher kollektiv vor einem gefährlichen Kurs. Es wäre ein Rückbau bereits bestehender Rechte und ein Eingriff zugunsten der Marktinteressen großer Agrarkonzerne. Eine europäische Umweltpolitik, die Vertrauen verspielt
Die beiden Vorgänge – eine lückenhafte wissenschaftliche Grundlage bei Glyphosat und ein restriktives, innovationshemmendes Saatgutrecht - zeigen vor allem eines: Die europäische Agrarpolitik verliert an Konsistenz und Glaubwürdigkeit.
Während die EU offiziell den Schutz von Biodiversität und Gesundheit betont, werden gleichzeitig Entscheidungen getroffen, die genau diese Ziele untergraben. Es geht hier nicht um ideologische Detailfragen, sondern um grundlegende Prinzipien: Transparenz in der Risikobewertung, Schutz von Vielfalt und bäuerlicher Freiheit sowie die Verantwortung gegenüber Konsumenten und Umwelt.
Beide Dossiers offenbaren systemische Schwächen – und legen den Verdacht nahe, dass wirtschaftliche Interessen oft stärker wiegen als ökologische Vernunft oder langfristige Versorgungssicherheit.
Fazit: Europa braucht Kurskorrekturen
Sowohl bei Glyphosat als auch beim Saatgutrecht stehen also Entscheidungen an, die tief in die Zukunft der europäischen Landwirtschaft eingreifen. „Entweder setzt die EU ein Zeichen für Glaubwürdigkeit, Vorsorge und Vielfalt.“
Oder sie trägt weiter dazu bei, dass Vertrauen schwindet und Spielräume für nachhaltige Alternativen enger werden‘, wettert Sidl. Noch bestehe die Chance, nachzubessern. Doch ein „Weiter so“ wäre ein Signal, das man weder der Umwelt noch den Menschen guten Gewissens zumuten kann‘ appelliert der öko-engagierte Sozialdemokrat.
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