Österreichs Journalismus befindet sich seit Längerem unter starkem Ressourcendruck – was sich besonders deutlich an der Anzahl der hauptberuflich Tätigen zeigt. Derzeit bauen mehrere Medienhäuser aufgrund einer finanziell düsteren Lage erneut Stellen ab.
Seit der Jahrtausendwende sei mindestens ein Drittel der journalistischen Jobs verloren gegangen, sagt Medienexperte Andy Kaltenbrunner, der mit dem Medienhaus Wien wiederholt eine Gesamterhebung durchführte. Im ersten „Journalisten-Report“ aus 2007 ist noch von rund 7100 hauptberuflichen Journalistinnen und Journalisten die Rede. Die jüngste Generalerhebung aus 2018/2019 brachte es nur noch auf 5350.
„Nach unseren jetzigen Beobachtungen – ohne Detailzählung in jedem der paar Dutzend großen und Hunderten kleinen Medienunternehmen – sind inzwischen deutlich weniger als 5000 Journalistinnen und Journalisten aktiv. Manche arbeiten zudem in einer Grauzone des Prekariats, wo sie journalistisches Einkommen mit anderem aufbessern müssen, um leben zu können“, so Kaltenbrunner. Manche große Medienunternehmen mussten Stellen mit Kündigungen abbauen, andere besetzten Abgänge und Pensionierungen nicht nach, manche Medien wurden wiederum ganz eingestellt.
Die Gründe für den Abbau seien je nach Unternehmen sehr unterschiedlich. Manche hätten die Umstellung auf digitale Geschäftsmodelle verschlafen und würden nun „immer größere Löcher im vorgestrigen Wertschöpfungsmodell“ etwa durch Preiserhöhungen der sinkenden Printabos stopfen. Das sei inzwischen jedoch ausgereizt, mahnt Kaltenbrunner. Wer frühzeitig in Transformation investierte, war wiederum im Nachteil, weil „Gratisprodukte on- und offline offensiv zu lange forciert wurden“.
Kaltenbrunner: „Weniger echter Journalismus“
Parallel habe die Qualität des Journalismus gelitten. Denn: „Weniger Menschen im Newsroom machen weniger echten Journalismus. Das bringt weniger Publikum. Eine Spirale“, sagt der Medienexperte. Licht am Ende des Tunnels gebe es „nur mit einer sehr viel besseren, sachkundigen Medienpolitik, mit vermutlich sogar deutlich mehr transparenter Förderung für Journalismus, die qualitativ messbar ist und an definierte Demokratieziele anknüpft“. Medienminister Andreas Babler (SPÖ) kündigte zuletzt an, eine Studie zur Neuaufstellung der Medienförderung im Land in Auftrag zu geben. Zudem sind ein „Meine-Zeitung-Abo“, das sich an junge Personen richtet, und eine neue Vertriebsförderung in Planung.
„Anständige Medien und seriöse Politik brauchen beide dringend den Schulterschluss mit einer liberalen Öffentlichkeit, um klarzumachen, warum wir viel mehr unabhängigen, vielfältigen Journalismus und kritischen Diskurs brauchen, statt Propagandaprodukte und Populismusgebrüll“, meint Kaltenbrunner.
Strobl: „Mediale Öffentlichkeit in Schieflage“
Auch Walter Strobl vom Presseclub Concordia ortet gegenüber der APA ein „demokratiepolitisches Problem“. „Auf der einen Seite gibt es immer weniger journalistische Medien, die ausreichend Ressourcen für die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe haben. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Medien, die nichts anderes tun, als ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Dadurch gerät die mediale Öffentlichkeit in eine Schieflage“, warnt der Medienexperte.
Abhilfe könnten höhere Förderungen schaffen. „Diese sind aber nur dann zu rechtfertigen, wenn sie zielgerichtet jene Medien unterstützen, die über Angelegenheiten von öffentlichen Interesse berichten“, sagt Strobl. Zudem müssten verstärkt innovative, neue journalistische Verbreitungswege mitgedacht werden. Langfristig erachtet es der Experte jedoch als problematisch, fehlende Einnahmen am Markt durch Förderungen zu substituieren.
Massiver Wettbewerbsvorteil für Social-Media-Plattformen
Es müsse auch bei den Marktbedingungen angesetzt werden. Mit der Digitalsteuer, die auf große internationale Plattformen abzielt, sei ein erster Schritt getan. Zu kritisieren sei aber vor allem die Ungleichbehandlung von redaktionellen journalistischen Medien und Social-Media-Plattformen. „Letztere haften nicht für von ihnen veröffentlichte Inhalte – ein massiver Wettbewerbsvorteil, der sachlich nicht zu rechtfertigen ist“, meint Strobl.
Werbeerlöse wandern ab
Große internationale Player wie Meta und Google ziehen zudem immer mehr Werbung aus dem heimischen Markt ab. Schon deutlich mehr als die Hälfte der Werbeausgaben wandere zu den Plattformen, weiß Josef Trappel, Leiter des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft an der Uni Salzburg. Die Geschäftsmodelle der Medienhäuser seien aber weiterhin stark werbegetrieben.
Als „Silberstreif“ sieht der Kommunikationswissenschaftler, dass die Zahlungsbereitschaft für Onlinejournalismus zuletzt deutlich gestiegen ist. Laut jüngstem „Digital News Report“ stieg die Anzahl an Personen, die im Vorjahr für Onlinenews gezahlt haben, von 13,7 Prozent der Befragten auf 22 Prozent. Zudem würden seriöse Medienhäuser mit ihren verlässlichen Infos in Zeiten zunehmender Fake News und Desinformation immer wichtiger werden, ist sich Trappel sicher.
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