„Krone“-Kolumnist Robert Schneider erzählt die Geschichte eines Dorfbewohners namens Rudi, der sich ganz still aus der dörflichen Gemeinschaft zurückgezogen hat und dabei einige Fragen offenließ.
Vor vier Tagen ist der Rudi gestorben. Eine Nachbarin hat es mir erzählt. Unrunde einundachtzig Jahre ist er alt geworden. „Wenn ich den Löffel abgebe, wird es keine Todesanzeige geben.“ Das hat er mir immer gesagt. „Ich bin doch nicht blöd und lass die Zeitung noch Geld an meinem Tod verdienen.“ Hat er wörtlich gesagt. Also wusste ich auch nicht, dass er über den Jordan gegangen ist. Beerdigt wurde er nicht auf unserem Dorffriedhof. Das hätte ich mitbekommen. Nehme an, er hat sich stillschweigend einäschern und in alle Winde zerstreuen lassen. Mit der Kirche war er nämlich schon lange fertig. Hat er mir auch oft erzählt.
Der Rudi war ein alleinstehender Herr, der sein Leben lang gearbeitet hat. Er war Maurer gewesen und hat vielen Bekannten am Wochenende irgendwelche Gartenmauern oder andere Gewerke hochgezogen. Schwarz natürlich. Dafür samstags bis tief in die Nacht. Was er mit dem ganzen Geld gemacht hat, weiß keiner. Jedenfalls hat er es nicht für sich ausgegeben. Er wohnte in einem baufälligen Haus, wo man ihn nie eine Mauer ausbessern sah.
Einmal in seinem Leben hat er eine Busreise gemacht. Nach Mailand. Aber schon auf dem Brenner habe ihn das Heimweh so gepackt, dass er gar keinen Appetit mehr gehabt habe. Es hieß, er sei zu geizig gewesen, den „Welschen“ sein sauer verdientes Geld in den Rachen zu werfen.
Eine Beschäftigung machte ihm Freude im Leben. Immer am Jahresende besuchte er seine Bank und ließ sich das Ersparte auf Heller und Pfennig (heute würde man Cent sagen) herausrechnen. Da ging dann ein Strahlen über sein Gesicht. Niemand weiß, wer sein Erbe antreten wird. Die Kirche ist es sicherlich nicht.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.