„Schlimmste Albträume“

Wien: Mafia-Prozess um erpresserische Entführung

Wien
17.06.2025 16:00

Am Wiener Landesgericht hat am Dienstag unter strengen Sicherheitsvorkehrungen – neben der Justizwache waren auch Cobra und WEGA vor Ort – ein Prozess um eine erpresserische Entführung in Mafia-Kreisen begonnen. Angeklagt sind ein 39-jähriger Montenegriner und ein 50-jähriger Serbe, den der Staatsanwalt dem gefürchteten montenegrinischen Kavač-Clan zurechnet, der europaweit tätig ist und dem auch Mordanschläge und krumme Geschäfte in Wien zugeschrieben werden.

Die Angeklagten sollen im März 2020 gemeinsam mit weiteren Mittätern zwei Kroaten im Alter von inzwischen 41 und 64 Jahren nach Wien gelockt und in einem angemieteten Appartement festgehalten haben. Die Männer wurden laut Anklage gefesselt, malträtiert und mit dem Umbringen bedroht, um zunächst den Vater des Jüngeren, später den 64-Jährigen zur Zahlung von einer Million Euro zu bringen.

Die Entführten standen laut Anklage in Todesangst. In dem Apartment, in das die Opfer gelockt wurden, erwarteten sie laut Staatsanwalt mehrere Menschen mit „Handsägen und Pistolen mit Schalldämpfern“. Der ganze Raum war mit Nylon ausgekleidet. Der Staatsanwalt fasste die Situation so zusammen: „Ihre schlimmsten Albträume werden wahr.“

Staatsanwaltschaft: „Kennt man aus Serien“
Gleich zu Beginn skizzierte er die Gefährlichkeit des Kavač-Clans. „Da wird Suchtgifthandel in gewaltig großen Mengen betrieben.“ Daneben würde immer wieder versucht werden, Mitglieder des verfeindeten serbisch-montenegrinischen Škaljari-Clans auszuschalten. „Das kennt man aus Serien und dem Italien der 80er-Jahre, und so etwas wollte man in Wien auch etablieren.“

Als der völlig eingeschüchterte 64-Jährige, der mit Zigarettenschmuggel im großen Stil seinen Lebensunterhalt bestritten haben dürfte, zusicherte, zumindest 750.000 Euro zu bezahlen, wurden die beiden Männer freigelassen. Daraufhin seien alle nach Zagreb gefahren, wo die Übergabe hätte stattfinden sollen. „Man fuhr getrennt, weil die Opfer so zugerichtet waren im Gesicht“, und dies bei den aufgrund der Covid-19-Pandemie geltenden strengeren Ausreiseregelungen zusätzlich Aufmerksamkeit erregt hätte. Außerdem hätten die Opfer gewusst, dass sie den Deal einhalten müssten. In Zagreb seien schließlich 10.000 Euro übergeben worden.

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen
Von der heutigen Befragung der Opfer erhoffte sich der Staatsanwalt nicht viel: „Schauen Sie einmal, wer da herinnen steht, wer da vor der Tür steht“, verwies er auf die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen und die Bedrohung, der sich die Opfer ausgesetzt sehen, sollten sie die Täter belasten. Zentraler Punkt seien hingegen die Chats. Mit seiner Prognose behielt er recht, bei der Zoom-Befragung der aus Kroatien zugeschalteten Männer gaben beide an, die beiden Angeklagten noch nie gesehen zu haben, zum Tatzeitpunkt nicht in Wien gewesen und grundsätzlich nie in Wien gewaltsam festgehalten geworden zu sein. Auch ein Foto von sich selbst, stark zugerichtet, erkannte eines der Opfer nicht.

Gibt es tatsächlich eine dritte Person?
Zuvor versuchten die Verteidiger, die Aufmerksamkeit der Geschworenen von den zahlreichen sichergestellten Chats wegzulenken. „Sie verurteilen heute nicht den Kavač-Clan, sie verurteilen heute nicht die Chats“, sagte Mirsad Musliu, Rechtsvertreter des 39-Jährigen. Er ortete außerdem in der Übersetzung Fehler. So sei es nie um den Vater eines der Opfer gegangen, sondern der 64-Jährige – der in den Chats als „Opa“ bezeichnet wird, gemeint gewesen. Das sei der springende Punkt, denn davon hänge ab, ob es sich tatsächlich um eine erpresserische Entführung handle. Sei keine dritte Person involviert, so spreche man von Freiheitsentzug mit Körperverletzung und einem Strafrahmen von einem bis zehn, anstatt zehn bis zwanzig Jahren.

Zitat Icon

Sie verurteilen heute nicht den Kavač-Clan, sie verurteilen heute nicht die Chats.

Anwalt Mirsad Musliu verteidigt den Erstangeklagten

Kürzer hielt sich der Verteidiger des Zweitangeklagten. „Da gibt es keine Opfer. Diese Opfer sind in einem anderen Verfahren Täter.“ Bei seinem Mandanten handle es sich jedoch um eine Verwechslung. „Er war da nicht dabei. Der Vorname ist einer, der in Kroatien an jeder Ecke vorkommt.“ Keine Verwechslung könne es hingegen bei den Opfern gegeben haben. So meinte die Staatsanwaltschaft, das jüngere Opfer sei ausgewählt worden, weil man dachte, er sei sehr wohlhabend, was aber nicht der Fall ist. „Ein Clan, der so gefährlich ist, irrt sich nicht“, so das Argument der Verteidigung.

Kontrollinspektor im Verhör
Danach wurde auch ein ermittelnder Kontrollinspektor gefragt. Eine Verwechslung des Angeklagten schloss er aus, es gäbe von ihm doch auch zahlreiche Sprachnachrichten. Er schilderte, wie sich anhand der Chats belegen lasse, dass sowohl in Wien als auch in Zagreb mehrere Täter vor Ort gewesen seien. So sei der 50-Jährige in Wien bei den Misshandlungen gewesen, der 39-Jährige habe sich in Zagreb für die Geldübergabe bereitgehalten. Anfangs hätten die Täter noch gedacht, dass es sich bei dem jüngeren Opfer um einen Millionärssohn handle. Als dieser nach über fünf Stunden Freiheitsentzug und Folter nicht nachgegeben habe, sei man zu dem älteren Opfer übergegangen, um die Aktion mit „etwas Positivem“ zu beenden.

Anwalt Rudolf Mayer verteidigt zusammen mit Musliu.
Anwalt Rudolf Mayer verteidigt zusammen mit Musliu.(Bild: Bartel Gerhard)
Anwalt Alexander Philipp verteidigt den Zweitangeklagten.
Anwalt Alexander Philipp verteidigt den Zweitangeklagten.(Bild: Anja Richter)

„Wenn wir die Ausgangslage betrachten, ist das natürlich unglaublich wenig (die 10.000 Euro die sie schließlich bekommen haben sollen, Anm.)“, so der Inspektor. Die erpresserische Entführung sei aber gegeben. Dafür, dass die Aktion letztlich mehr gekostet habe, als sie einbrachte, sei einer der führenden Köpfe der Aktion schließlich unter Zugzwang geraten. Er habe aus Rachelust den Zweitangeklagten kontaktiert, um Informationen über die Opfer zu bekommen. Dieser meinte jedoch nur „Ich hebe mir keine Beweismittel auf“.

Länderübergreifende Ermittlungen
Heute benannten sie sich nicht schuldig, ansonsten verwehrten sie erneut die Aussage. Belastet werden sie von der Kommunikation, die sie vor, während und nach den inkriminierten Tathandlungen mit vermeintlich abhörsicheren Krypto-Handys mit anderen Banden-Mitgliedern geführt hatten. Die verschlüsselten Sky-ECC-Mobiltelefone konnten im Zuge von Ermittlungen gegen den Kavač-Clan sichergestellt werden.

Die Chats liefen über einen Server in Frankreich, der in einer Kooperation von Polizeibehörden in Belgien, den Niederlanden und Frankreich geknackt werden konnte. In weiterer Folge konnten die Chats mithilfe des FBI entschlüsselt werden, was zur Aufdeckung der nun verfahrensgegenständlichen strafbaren Handlungen führte.

„Es gibt keine normalen Geschäftsleute, die diese Mobiltelefone benutzen. Die werden ausnahmslos von Kriminellen, maximal Verwandten von Kriminellen benutzt“, schilderte der Inspektor. Aufgrund der vermeintlichen Verschlüsselung hätten sich alle sicher gefühlt. „Wenn sie nicht bald Auskunft geben, wo das Geld ist, dann werden wir wohl anfangen müssen zu sägen“, etwa einer der Chats. Sowohl die Täter als auch die vermeintlichen Opfer haben mit diesen Mobiltelefonen kommuniziert. Bevor alle wieder nach Zagreb fuhren, bekamen die beiden Opfer ihre Handys zurück, auch am Weg wurde so kommuniziert.

Urteil wohl frühestens im Oktober
Fortgesetzt werden dürfte der Prozess frühestens Mitte Oktober. Dann soll ein Ermittler befragt werden, der heute im Urlaub war. Außerdem stellte die Staatsanwaltschaft den Antrag auf ein Schallgutachten, mit dem die Sprachnachrichten mit den Stimmen der Angeklagten abgeglichen werden sollen. Die Verteidigung möchte die insgesamt rund 15 Mittäter befragen – oder zumindest jene, die greifbar sind. Einer sitzt wie die Angeklagten in Wien in U-Haft, einer in Deutschland. Nach den anderen wird gefahndet.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt