In vielen Bundesländern zeigt ein Blick auf die Stromrechnung überraschendes: die Entgelte für die Stromnetze übersteigen die Kosten für den Stromverbrauch. Hohe Investitionen und andere Faktoren werden diesen Trend noch verstärken. Für E-Control-Vorstand Alfons Haber sind neue Regeln notwendig.
Zwei große Faktoren bestimmen, wie viel wir für unseren Strom zahlen: der Strompreis selbst und die Netzentgelte. 2001 wurde der Strommarkt liberalisiert, doch während die Kunden beim Strom die freie Wahl unter unzähligen Anbietern haben, sind sie nach wie vor an die alten Netzanbieter angewiesen. „Es handelt sich dabei um natürliche Monopole, so wie bei Wasserleitungen oder Eisenbahnschienen“, erklärt Ökonom Norbert Wohlgemuth. „Daher ist da auch Regulierung notwendig.“
Große Unterschiede in Österreich
Und diese Regulierung übernimmt in Österreich die E-Control. Alle Netzanbieter legen dort ihre Kosten, aber auch geplante Investitionen vor – der Regulator überprüft sie dann und legt die jeweiligen Netzentgelte fest. „Die Kosten werden durch die Stromabgabemengen geteilt, daher werden sie in Cent pro kWh angegeben“, erklärt E-Control-Vorstand Alfons Haber. Dabei ergeben sich erhebliche Unterschiede zwischen den 14 Netzbereichen in Österreich (siehe Grafik unten).
Außer Konkurrenz läuft das Kleinwalsertal mit 21,91 Cent/kWh, denn das Tal kann nur über Deutschland versorgt werden. Bei den Bundesländern belegt dann Kärnten den „Spitzenplatz“ mit 11,78 Cent, deutlich über dem Österreichschnitt von 9,28 Cent. Im südlichsten Bundesland gibt es nämlich eine ungünstige Mischung: starke Zersiedelung bis in die tiefsten Täler und auf die Berge erfordert viele Leitungen, doch die schwächere Wirtschaft bedeutet auch weniger Stromverbrauch.
So werden relativ hohe Kosten durch relativ wenige Kilowattstunden geteilt. Doch die Netzkosten steigen in ganz Österreich und dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen – Faktoren wie Personalkosten und höhere Kreditzinsen betreffen die Branche genauso. „Wir erzeugen immer mehr Energie in Österreich, doch Energie lässt sich derzeit nicht in großer Form speichern“, erklärt Haber.
Steigende Investitionen der Netzbetreiber
In Erwartung eines enorm steigenden Stromverbrauchs durch Industrie und E-Mobilität investieren die Netzbetreiber kräftig – die Investitionen werden sich in den kommenden zehn Jahren auf insgesamt fast 25 Milliarden Euro verdoppeln. „Die Investitionen stellen nur einen Anteil der Netzkosten dar. Somit schlagen sich diese Erhöhungen der Investitionen nicht eins zu eins in den Netztarifen nieder“, beruhigt der E-Control-Vorstand jedoch.
Bei den Investitionen geht es auch um die Versorgungssicherheit in Österreich, die für Industrieunternehmen einen echten Standortvorteil darstellt – ein Produktionsausfall kostet so viel, dass höhere Energiekosten in Kauf genommen werden.
„Für die geplante Dekarbonisierung und Elektrifizierung müssen Stromnetze gebaut, aber auch reguliert werden“, betont der E-Control-Vorstand. „Die Frage ist: Wie viel Netze brauchen wir in Zukunft und wer zahlt wie viel für den Anschluss?“ Denn nur bei einem viel höheren Stromverbrauch, den die Netzbetreiber auch erwarten, steigen die Netzentgelte nicht eklatant an.
Es sollen sich möglichst viele Leute auf der Gewinnerseite fühlen, nur wenige als Verlierer.
Alfons Haber, Vorstand E-Control
Bild: Foto Georg Wilke
Die Branche erwartet, dass nicht nur die Industrie viele ihrer Prozesse elektrifizieren wird, sondern dass auch die E-Mobilität stark zunehmen wird, verstärkt Wärmepumpen statt Gasheizungen zum Einsatz kommen. Eine Herausforderung, die nicht unterschätzt werden darf, ist der starke Ausbau von Photovoltaik.
Photovoltaik und gerechte Kosten
„Es sind rund 470.000 PV-Anlagen in Österreich installiert, die 25 Prozent der gesamten Kraftwerksleistung ausmachen“, beschreibt Haber die Lage. „2024 kamen 2,1 Gigawatt hinzu und rund 84.000 neue Zählpunkte.“ Bekanntlich produzieren diese Anlagen besonders im Sommer und zu Mittagszeit besonders viel Strom. So kommt es immer wieder dazu, dass die Strompreise über Stunden bei null liegen und erst am Abend kräftig steigen.
„Statt eines Nachstromtarifs könnten wir einen Sommerstromtarif machen“, regt der E-Control-Vorstand an. Denn nur mit einer effizienten Nutzung könne die Belastung der Netze reduziert werden – dann wären auch weniger Investitionen notwendig. Grundsätzlich fordert Haber, dass die Last auf andere Art verteilt werden muss. So tragen Einspeiser nur sechs Prozent der gesamten Netzkosten, den Rest die Entnehmer.
Auch die Rabatte auf die Netzkosten für Energiegemeinschaften sieht der E-Control-Vorstand kritisch. „Bei einer zukünftigen Gestaltung muss gelten: Netztarife sind kein Förderinstrument. Befreiungen müssen überprüft werden“, so Haber. Zusätzlich können Smart-Meter, Effizienz beim Netzausbau und Kostengerechtigkeit Tarifsteigerungen etwas abfedern.
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