Festwochen-Intendant Milo Rau zeigt die Uraufführung seines pazifistischen Meisterstücks im Odeon-Theater. Ein Projekt mit der Substanz für einen großen Theaterabend.
Als Vergeltungsreisender durch postkoloniale Ruinenfelder bleibt der Schweizer Milo Rau eine unermüdliche und vertrauenswürdige Instanz. Er kennt dort quasi jeden Meter Boden, während er sich bei der Erkundung von Jelineks „Burgtheater“ im plüschroten Tunnelsystem österreichischer Verdrängungssucht verlaufen hat.
So sieht man diesmal im intimen Rahmen des Odeon-Theaters eine starke und bewegende Arbeit. Anton Lukas’ Bühne ist ein schmaler Wüstenstreifen mit Relikten einer zerstörten Zivilisation. Auf der großen Videowand erzählt der irakische Lehrer Azad Hassan, dem die islamistischen Besatzer eine Hand abgeschlagen haben, seine authentische Geschichte.
Auf der Bühne regiert die bedeutende Schweizer Schauspielerin Ursina Lardi in der Rolle einer Kriegsfotografin. Sie ist auch Ko-Autorin des ebenso nachdrücklichen wie poetischen Textes, den Rau aus mehreren Lebensgeschichten gefertigt hat. Einer vergleichbaren Gestalt, der Kriegsberichterstatterin Schalek, hat Karl Kraus in den „Letzten Tagen der Menschheit“ monströse Züge verliehen. Ursina Lardi hingegen entwirft eine zuinnerst zwiespältige Persönlichkeit: Auch diese Frau begeilt sich als Profiteurin des Grauens an dessen Schönheit, bis sie als Opfer einer Massenvergewaltigung die Perspektive wechseln muss.
Nicht alles geht auf: Die für Rau typischen Verweise auf die antike Mythologie wirken etwas aufgesetzt. Und dass die geschändete Fotografin plötzlich Ursina Lardi heißt und ihr Schicksal auf der Bühne der koproduzierenden Berliner Schaubühne ausbreitet, ist ein exaltierter Kunstgriff. Aber die Substanz ist die eines großen Theaterabends.
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