In Klostermarienberg betraten russische Soldaten erstmals österreichischen Boden – das Ende des Krieges folgte. Ein Rückblick auf das Jahr 1945.
Spätestens ab 1944 war der burgenländischen Bevölkerung klar, dass die Front immer näher an die Grenzen des damaligen Deutschen Reiches heranrückte. Feindliche Bomberverbände wurden verstärkt gesichtet, als sie den Großraum Wien und Wiener Neustadt ansteuerten. Luftangriffe gab es auf Eisenstadt, Neudörfl, Güssing und andere Gemeinden. Im Land selbst begann der Bau des Südostwalls durch Volkssturmmänner, Hitlerjugend und Freiwillige.
„Ein allerletzter Versuch des NS-Regimes, mit einer Befestigungslinie die vorrückende Rote Armee doch noch aufzuhalten“, berichtet Historiker Herbert Brettl. Herangezogen wurden dafür ebenso Zwangs- und Strafarbeiter, KZ-Insassen und ungarische Juden. An ihnen geschehen kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs noch grausame Verbrechen durch fanatische Nationalsozialisten und ihre Helfer – etwa beim Kreuzstadl in Rechnitz. Rund 200 ungarische Juden werden dort ermordet und verscharrt, ihre Gräber sucht man bis heute. Auch in anderen Gemeinden kommt es zu Massenmorden durch „Endphaseverbrechen“.
Vormarsch der Sowjets ist nicht aufzuhalten
„Der Südostwall blieb aber Stückwerk von geringem militärischem Wert“, schildert Brettl. Am 29. März 1945 dringen sowjetische Truppen erstmals bei Klostermarienberg auf das Gebiet des heutigen Österreich vor. Ein Gedenkstein erinnert daran. Eine Bewohnerin wird später berichten, dass man ein altes Unterhemd auf einen Stecken gehängt habe, um mit dieser weißen Fahne zu den Russen gehen zu können. Die Wehrmachtssoldaten waren bereits abgezogen.
Einprägsame Szenen, die sich später in anderen Orten des Burgenlandes wiederholen – etwa in Leithaprodersdorf, wo dies ein Bericht der Gemeinde dokumentiert. „Sehr oft waren es ehemalige Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, die in russischer Gefangenschaft waren und sich deshalb verständigen konnten“, erzählt der Historiker. So ist versucht worden, eine Zerstörung der Orte zu verhindern. Nicht überall gelingt das, mancherorts gibt es durch Kämpfe einen hohen Blutzoll zu beklagen.
Vergewaltigungen und viele Plünderungen
Es ist die Befreiung vom Joch des Nationalsozialismus, aber von einer Normalität mit Frieden und tatsächlicher Freiheit ist man weit entfernt. Vielfach kommt es zu Vergewaltigungen und Plünderungen durch Einheiten der Roten Armee. So lässt etwa die Gemeindeverwaltung von Neusiedl bei Güssing einen Arzt aus Stegersbach kommen, der Frauen und Mädchen über die Folgen von Geschlechtskrankheiten informiert. „Der Arzt war über die Zahl der missbrauchten Frauen und Mädchen erschüttert. Es hat Jahre gebraucht, bis alle Vergewaltigungen geheilt wurden“, heißt es. Erst allmählich entspannt sich das Verhältnis zur Besatzungsmacht.
Schon nach Tagen endet die Ära als Bürgermeister
So rasch wie möglich will die Bevölkerung wieder ein „normales Leben“ führen, die Zeit ist aber geprägt von großer Sorge und Unsicherheit. Der Wille zum Neuaufbau einer funktionierenden Administration ist stets da, doch der Weg erscheint hart und gepflastert mit Hürden. Einen Alleingang wagt Johann Wiesinger senior. Am 8. April 1945 erklärt er sich selbst zum Bürgermeister, nachdem sechs Tage zuvor die Rote Armee in Rust einmarschiert ist. Im ersten Protokoll der Gemeindeverwaltungssitzung am 21. April wird sein Amt als provisorischer Stadtchef bestätigt, schon nach der zweiten Sitzung am 2. Mai ist die Ära jäh zu Ende. Was dahinter steckt, bleibt ein Geheimnis. „Differenzen mit den Besatzern“, wird vermutet.
Durch Hilfe der Besatzer entsteht Burgenland neu
Noch unklar ist der künftige Status des Landes. In der NS-Zeit waren das Nord- und Mittelburgenland Teil von Niederdonau, der Süden bei der Steiermark. Politiker, wie der spätere Landeshauptmann Lorenz „Lovre“ Karall (ÖVP), versuchen, das Burgenland wieder als eigenes Bundesland entstehen zu lassen. Am 11. April tritt ein provisorischer Landesausschuss zusammen. Doch die Politiker auf der Bundesebene zeigen zunächst kein Interesse, obwohl Österreich am 27. April 1945 offiziell wiederersteht. Letztlich erhalten sie von anderer Seite den entsprechenden Druck.
„Der eigentliche Schöpfer ist die sowjetische Besatzungsmacht“, sagt Brettl. Man wollte die Lafnitz als Demarkationslinie, da sich die Rote Armee dort bereits festgesetzt hatte. Am 29. August beschließt die Provisorische Staatsregierung das Burgenlandgesetz, mit dem unsere Heimat per 1. Oktober 1945 wieder zum eigenen Bundesland wird.
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