„Krone“-Serien-Kritik

TV-Meisterwerk nahe der Perfektion: „Adolescence“

Streaming
16.03.2025 05:30

Das Haus der Millers wird gestürmt und der 13-jährige Sohn Jamie wegen Mordverdachts festgenommen – was auf den ersten Blick wie eine Folge von „CSI“ aussieht, entfaltete sich zu einer Gesellschaftskritik über toxische Männerbilder, soziale Medien und unser Unvermögen, mit all dem richtig umzugehen.

Es ist in den frühen Morgenstunden, als die schwer bewaffnete Polizeitruppe das Haus der Familie Miller stürmt. Die Eltern, Eddie (Stephen Graham) und Manda (Christine Tremarco), sind noch im Schlafzimmer, Tochter Lisa (Amélie Pease) gerade im Bad. Die Beamten sind aber auf der Suche nach dem 13-jährigen Sohn Jamie (Owen Cooper). Nein, kein Missverständnis, wie die Eingreiftruppe schnell klarmacht, denn Jamie soll seine Mitschülerin Katie ermordet haben...

Was auf den ersten Blick wie eine Folge von „CSI“ oder „Law & Order“ aussieht, entpuppt sich rasch als kritische Auseinandersetzung mit falschen und toxischen Männerbildern, den schlecht bis gar nicht reflektierten Umgang mit sozialen Medien und das Scheitern, diese Themen generationsübergreifend aufzuarbeiten. Dabei packen die Macher von „Adolescence“ (ab sofort auf Netflix) die Zuschauer – im, soweit man das in diesem Zusammenhang so nennen kann, positiven Sinn – an der Gurgel, um sie hautnah am Geschehen teilhaben zu lassen.

Das Gespräch zwischen Jamie (Cooper) und seiner Psychologin Briony (Doherty) wird zum ...
Das Gespräch zwischen Jamie (Cooper) und seiner Psychologin Briony (Doherty) wird zum Gänsehaut-Kammerspiel.(Bild: Netflix)

Das gelingt dank der vier knapp einstündigen Folgen, die jeweils in einem durch und ohne Schnitt gedreht wurden, mit bitterer Leichtigkeit – von der Verhaftung und der ersten Einvernahme (Episode 1) über den Tag danach, wenn die Polizisten Bascombe (Ashley Walters) und Frank (Faye Marsay) auf Spurensuche gehen (Episode 2), dem als Kammerspiel inszenierte Gespräch Jamies mit der Psychologin Briony Ariston (Erin Doherty) (Episode 3) bis hin zu den Tagen vor der Verhandlung (Episode 4). Diese „One Shots“, die andernorts oft zur durchchoreografierten Effekthascherei verkommen, werden in „Adolescence“ zum unumgänglichen Stilmittel, verstörend ehrlich und absolut brillant.

Hätten sie etwas anders machen sollen? Bessere Eltern sein? Eddie (Graham) und Manda (Tremarco) ...
Hätten sie etwas anders machen sollen? Bessere Eltern sein? Eddie (Graham) und Manda (Tremarco) machen sich Vorwürfe.(Bild: Ben Blackall)

Apropos brillant: Nicht nur technisch spielt die Serie alle Stückeln, auch das Drehbuch ist an Feinsinnigkeit kaum zu überbieten, die Dialoge und Interaktionen sind wie aus dem Leben gegriffen – ungeschönt, aber nicht überzogen. Gleiches gilt für die Darsteller: neben Graham als liebevoller Vater, der sein Bestes gibt, und Doherty als gewiefte Psychologin, sei allen voran der junge Cooper erwähnt, der in seiner allerersten Rolle eine Leistung abliefert, die ihresgleichen sucht. Ein TV-Meisterwerk nahe der Perfektion – von der ersten bis zur letzten Sekunde.

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