Tödliche Täuschung

Autor deckt neue Details zu Jack Unterweger auf

Österreich
02.02.2024 17:29

30 Jahre nach seinem Tod fasziniert Jack Unterweger immer noch die Menschheit. Autor und Journalist Malte Herwig hat den Fall noch einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und will vor allem einer Frage auf die Spur gehen: Wie gelang es ihm, die Menschen so zu manipulieren?

Jack Unterweger, ein verurteilter Frauenmörder aus den frühen 70er-Jahren, wurde lebenslang inhaftiert. In der Justizanstalt Stein entdeckte er das Schreiben und wurde später als Schriftsteller gefeiert.

Zwischen Gefängnis und Ruhm
„Jack ist kein einfacher Serienkiller, sondern ein Hochstapler. Er hat die Menschen getäuscht. Man muss sich vorstellen, dass der ORF einen verurteilten Mörder engagiert hat, um im Rotlichtmilieu über seine eigenen Morde zu recherchieren. Das kann man nicht erfinden“, so der deutsche Schriftsteller Malte Herwig, der bereits Kriegsverbrecher, Mörder und Psychopathen interviewt hat.

In seinem aktuellen Buch „Austrian Psycho“ (Molden, 18,90 Euro) verarbeitet er die Ergebnisse seiner jahrelangen Recherche aus der Sicht eines Kulturschaffenden, der Jack Unterweger als „Häfnpoeten“ unterstützt hat. „Man muss sich das einmal vorstellen: Jack Unterweger hat nach seiner vorzeitigen Entlassungen Lesungen abgehalten. Nach den Veranstaltungen suchte er sich ein Opfer und ermordete die Frauen“, fasst der Deutsche die Taktik des Killers zusammen.

Reise in die Kindheit des Frauenmörders
Für seinen Podcast „JACK. Gier frisst Schönheiten“ reiste Herwig nach Kärnten und schaute sich jene Hütte im Wimitztal an, in der Unterweger mit seinem Großvater aufgewachsen ist. „Das war wirklich gruselig. Hinter Spinnweben konnte ich das Leben von Jack regelrecht vor mir sehen.“

Herwig interessierte sich schon immer für zwei Dinge, nämlich einmal Kultur und die Verbrechen, die Abgründe. Und bei Jack Unterweger kommt beides zusammen. Der Journalist sprach erstmals mit damaligen Mitarbeitern der Justizanstalt Stein. Der ehemalige Oberst Willibald Zach berichtet, dass Jack die Leute manipuliert hat. Er hat in Haft seinen Hauptschulabschluss nachgeholt und das Schreiben für sich entdeckt.

Jack als Plagiator
„Etwas anderes, was ich noch gefunden habe, ist, dass diese ganze Schriftstellerei bei Unterweger, ein Schmäh war, der konnte gar nicht schreiben. Dieses Buch ,Fegefeuer‘, das ist tatsächlich kein schlechtes Buch, aber ich habe viele Indizien dafür gefunden, dass er das gar nicht selbst geschrieben hat. Aber er war ein Plagiator. Er konnte töten, aber nicht schreiben“, so das Rechercheergebnis des Deutschen. Gedichte von Hermann Hesse änderte er minimal und gab die Zeilen für sein Werk aus.

Ein DNA-Test von einem Haar und eine spezielle Knoten-Technik überführte Jack als Mörder. Literaten wie Elfriede Jelinek, Erich Fried und Ernst Jandl setzten sich für seine Freilassung nach dem ersten Mord ein. Dann mussten die Intellektuellen schlucken, als für den gefeierten Poeten die Handschellen wegen mehrfachen Mordes klickten.

  • Johann Unterweger wurde am 16. August 1950 in Judenburg geboren und wuchs beim Großvater in Kärnten auf.
  •  Bereits als Kind fiel seine Kriminalität auf: Diebstahl, Einbruch, Gewalt an Frauen.  
  • 1974 verübte er einen Mord und wurde zu einer lebenslangen Haft verurteilt.  
  • Er wurde gefeiert als „Häfnpoet“. Künstler setzten sich für seine Enthaftung ein.
  •  Am 23. Mai 1990 kam er frei und wurde zum Teil der Seitenblicke-Gesellschaft.  
  • 6 Monate nach der Freilassung begann eine Mordserie, die elf Opfer forderte.
  • Am 27. Februar 1992 wurde er in Miami festgenommen.
  • Nach zwei Jahren U-Haft stand er wegen neunfachen Mord in Graz vor Gericht.
  • Am 29. Juni 1994 wurde er verurteilt. Sechs Stunden nach dem Urteil erhängte er sich.

Das Besondere an Malte Herwigs Buch ist neben Erzähltechnik und hohem literarischen Niveau die Akribie, mit der er Unterwegers Lügengebäude zum Einsturz bringt. 

Anwältin Astrid Wagner:
„Ich habe ihn geliebt“

Astrid Wagner, eine der bekanntesten Anwältinnen Österreichs, war einst Unterwegers letzte Vertraute - mehr noch, sie war seine letzte Geliebte. Obwohl es zwischen ihr und dem Prostituiertenmörder „nur einen einzigen Kuss gegeben hat“. Damals, während seiner U-Haft, vor seinem spektakulären Prozess in Graz.

„Ich hatte Medienberichte über seinen Fall gelesen, war von seiner Unschuld überzeugt, und habe ihn deshalb - als blutjunge Juristin - hinter Gittern besucht. Um ihm Kraft zu geben.“ Und in der Folge habe sich dann eben „eine tiefe Beziehung zwischen uns beiden entwickelt“.

Juristin bezweifelt Richtigkeit des Urteils
Wie sehr hat „Jack“ Astrid Wagners weiteres Leben - selbst noch nach seinem Suizid - beeinflusst? „Sehr. Ich bin wahrscheinlich wegen ihm Strafverteidigerin geworden. Um Männer und Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind wie er war, beizustehen; um vor Gericht für ihre Rechte zu kämpfen.“ Das klingt beinahe, als würden Sie die Richtigkeit seines Urteils bezweifeln. „Was stimmt. Ich bin mir nämlich bis dato nicht sicher, ob er tatsächlich ein Serienkiller gewesen ist. Oder ob er nur von der Justiz dazu stilisiert wurde.“

Fix hingegen wisse sie: „Er war ein extrem empathischer Mensch, in dessen Nähe ich mich immer sehr wohlgefühlt habe. Ich konnte mit ihm intelligente Gespräche führen, ich konnte mit ihm lachen, ich konnte mit ihm traurig sein.“ Nachsatz: „Aber natürlich trug Jack auch dunkle Seiten in sich - wie jeder Mensch auf dieser Welt.“ Ob diese dunklen Seiten in ihm stärker waren, als seine guten - „das werde ich vermutlich leider niemals mehr erfahren“ ...

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