Streetfighter

Kawasaki ER-6n: Einsteiger-Raubein komplett neu

Motor
04.04.2012 05:50
Leicht verschlafen knurrt mich die Kawasaki ER-6n an, als ich den Startknopf drücke und ihr 650er-Zweizylinder-Reihenmotor anspringt. Muss ich das persönlich nehmen? Nein. Ihr Charakter ist einfach nicht von der weichgespülten Sorte, und das ist gut so.
(Bild: kmm)

Die fürs 2012er-Jahr komplett neue Japanerin soll mich beim zweirädrig-heimatlichen Frühlingserwachen begleiten. Sie tut das in knallgelb wie die Narzissen, die schon im Garten leuchten. Sonst hat die Optik aber nichts Blumiges: Hier steht ein waschechter Streetfighter! Bullig, muskulös, maskulin – sie ist zwar ein Einsteiger-Motorrad, macht aber eine ernsthaft gute Figur. Dazu tragen der Bugspoiler und die schnittigen Kühlerabdeckungen bei. Optisch würde ich ihr deutlich mehr geben als die 72 PS, die der Twin leistet. Da kann man sich schon als Fahrschüler fühlen wie ein Großer.

Die Kleine wirkt richtig mächtig ...
Die Optik-Kur hat ihr gut getan, die Linien sind immens stimmig, die hängende Kinnlade ist einer aggressiven Doppelscheinwerfer-Partie gewichen, die wirkt, als würde sie direkt aus dem neuen, geschwungenen "Doppelrohr-Perimeter-Rahmen" wachsen. Eine elegante Doppelrohrschwinge macht rechts als Bananenschwinge dem Auspuffendtopf Platz; der ist – günstig für den Schwerpunkt – ganz unten angebracht und – gut fürs Auge – ein Designerstück. Das Monofederbein ist genauso selbstbewusst knallgelb wie der Rest des Bikes, der nicht schwarz ist, und sagt schau her, mit mir kannst du richtig was anfangen!

... und fährt sich sehr erwachsen
Starten wir also zur ersten Ausfahrt. Sofort klingt der Motor nicht mehr unwillig, sondern angenehm rau. Eine Ausgleichswelle verhindert arges Vibrieren, aber auch James Bond nimmt den Martini nicht gerührt, sondern geschüttelt. Man merkt, dass man der Maschine Drehmoment im unteren und mittleren Drehzahlbereich anerzogen hat, das schiebt ordentlich an. Ab 2.000 Touren geht's los, drunter ruckelt und schlägt's, man sollte also tunlichst im Griff haben, in welchem Gang man sich befindet. Bewegt sich die Drehzahlmessernadel Richtung 7.000/min., kommt noch etwas Extra-Schub, das maximale Dremoment von 64 Nm liegt genau dort an. "Gas, Gas, Gas" brüllt sie mir in die Ohren, ich ziehe weiter am Kabel, nehme bei 8.500/min. die Maximalleistung von 72,1 PS mit, dann locker weiter ins Zweistellige. Das macht sie gut und gern.

Das Fahrwerk hält, was das vorwitzige Federbein verspricht: nicht zu weich, nicht zu hart und immer transparent. In Kurven gibt sie ein gutes, sicheres Gefühl, Schräglagenfreiheit ist dank hoch angebrachter Rasten mehr als ausreichend vorhanden. Vorne beißen Doppelkolben-Schwimmsättel in zwei 300er-Scheiben, hinten ein Einkolben-Sattel in eine 220er-Scheibe. Für ein Superbike wäre das zu wenig, hier geht es in Ordnung. Die Bremsen packen ausreichend kräftig zu und sind bestens zu dosieren. Auch als mir auf der Landstraße ein Hase vors Moped läuft. Und wieder wird klar: ABS ist Pflichtprogramm, auch wenn es 600 Euro extra kostet. Es regelt fein und bietet ein unbezahlbares Sicherheitspolster.

Mehr muss nicht sein
Die Sitzposition ist relativ aktiv, auch kleine Leute dürften locker auf den Boden runterkommen, weil die ER-6n recht schmal ist im Schritt. Ich sitze mit meinen 1,88 Meter ziemlich versammelt auf dem Motorrad, mit spitzen Knien, fühle mich aber trotzdem erstaunlich wohl dabei.

Auch die kleine Tachoeinheit ist neu: Der weiß hinterlegte analoge Drehzahlmesser (hurra, kein Digiband!) liegt gut im Blick, direkt darunter befindet sich der blau beleuchtete digitale Tacho mit dem Bordcomputer. Der kann auch Restweite, was aber nicht viel bringt: Der Wert schwankt extrem und hat dadurch keine Aussagekraft, außerdem wird unterhalb von 100 Kilometern nichts angezeigt. Als Durchschnittsverbrauch zeigt mir das Display 5,5 l/100 km an, macht mit dem 16-Liter-Tank 290 Kilometer Reichweite. Eine Ganganzeige gibt's nicht, dafür ein Symbol, das dem Fahrer sagt, ob er gerade sparsam fährt oder Sprit verschwendet. Nicht selbstverständlich: Kupplungs- und Bremshebel sind einstellbar.

Die Kawasaki ER-6n ist ein Einsteiger-Bike, das auch gehobene Ansprüche erfüllt und sehr leicht zu fahren ist – auch beim Balancieren unter Schritttempo im Stau. Der Motor ist kräftig, das Fahrwerk am Punkt, die Optik für die Klasse ein Hammer. ABS sollte unbedingt mitbestellt werden, dann kommt man auf 8.199 Euro.

Wer sich fragt, ob er mit 72 PS auskommt, dem sei gesagt: Ja. Problemlos. Jedenfalls auf der Straße. Und Quartett spielen sollen die Kinder am Schulhof.

Warum?

Starke Optik, starke Fahrerei

Warum nicht?

Wer einen seidigen Vierzylinder sucht, ist hier falsch.

Oder vielleicht ...

... Yamaha XJ6, Honda NC700S, Suzuki Gladius

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(Bild: kmm)



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