„Rechtliche Schikanen“

Kind zu Hause unterrichtet: Mutter droht Haft!

Österreich
02.09.2023 12:56

Für jene Eltern, die ihre Kinder auch nach der Pandemie zu Hause unterrichten, hagelt es mittlerweile unzählige Geldstrafen, einer Mutter droht sogar der Freiheitsentzug, einer weiteren der Entzug des Sorgerechts. Auch die Kinder selbst müssen vor Gericht. Der Bildungsminister sieht hier keine Einschränkungen.

Masken- und Testpflicht, Betreuungs-Wirrwarr und generelle Unzufriedenheit mit dem heimischen Bildungssystem: Über 4000 Schüler wurden letztes Jahr von ihren Eltern aus der Schule genommen und daheim unterrichtet, bis Ende des Schuljahres kehrte mehr als die Hälfte von ihnen nicht in die Klassen zurück.

Den Eltern dieser Kinder wird nun Gefährdung des Kindeswohls angelastet. Einer Mutter - sie möchte anonym bleiben - soll sogar das Kind weggenommen werden, einer weiteren drohen sieben Tage Haft: Barbara Panner war nicht bereit, die Verwaltungsstrafen, mit denen die Eltern in der Folge konfrontiert waren, zu zahlen: „Das wäre für mich ein Schuldeingeständnis gewesen.“

Eltern: „Verschärfungen waren gegen Kindeswohl“
Im Kern dreht sich der Streit um die sogenannte Externistenprüfung: Diese muss von jedem abgelegt werden, der sein Kind zu Hause unterrichten will. Doch zahlreiche Eltern verweigerten sie - aus einer Reihe von Gründen: „Theoretisch hätten wir im Juni die Externistenprüfung machen müssen. Bis in den Mai hinein gab es keine Klarheit“, erklärt etwa Mutter Manuela Bittgen im „Krone“-Gespräch. Es habe keine gesetzliche Übergangsfrist gegeben, man habe keinen Kontakt zur Prüfungsschule haben dürfen, der Stoff sei nicht eingegrenzt worden und bei Fragen sei man abgewimmelt worden.

Dass etwa ein Volksschulkind dann auch noch ohne Elternteil vor die Prüfungskommission treten sollte, stieß bei den Eltern zusätzlich auf Unverständnis, so der Tenor. Grundsätzlich habe man aber immer zu der Prüfung antreten wollen - nur nicht unter diesen Voraussetzungen. Und: „Die Verschärfungen haben definitiv nicht zum Wohle der Kinder stattgefunden.“

Schulpflichtig in Österreich - was heißt das?

  • Schulpflichtig sind Kinder in Österreich mit dem auf die Vollendung des 6. Lebensjahres folgenden 1. September.
  • Genau genommen herrscht in Österreich aber weniger Schulpflicht als Unterrichtspflicht. Diese wurde bereits 1774 durch Maria Theresia eingeführt.
  • Unterrichtspflicht bedeutet, dass Kinder entweder in die Schule gehen müssen oder aber einen gleichwertigen Unterricht zum Beispiel auch zu Hause erfahren müssen. 

Der häusliche Unterricht ist zwar verfassungsrechtlich verankert, die Bildungsdirektion kann ihn aber untersagen - immer dann „wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Gleichwertigkeit des Unterrichts nicht gegeben ist“, heißt es vom Ministerium. Wird die Externistenprüfung verweigert oder nicht bestanden, muss das Schuljahr - im vergangenen Jahr gab es keine Möglichkeit für eine Nachprüfung - automatisch an einer Schule mit Öffentlichkeitsrecht nachgeholt werden.

Tut man das nicht, so hagelt es Verwaltungsstrafen - die je nach Bezirk unterschiedlich hoch ausfallen: zwischen 400 und 6000 Euro.

Kinder mussten vor Gericht
Im Sommer erhöhte die Bildungsdirektion weiter den Druck: Jene Kinder und Jugendlichen, die der Schule unerlaubt fernblieben, mussten vor einem Richter erscheinen. „Sie wurden mit Diktiergerät befragt, wieso sie nicht in die Schule gehen, und ob sie denn wissen, dass das auch Konsequenzen haben kann“, erzählt eine Mutter. Da es sich teils um unter 14-Jährige gehandelt habe, bestanden die Eltern darauf, dabei sein zu können. „Mit Widerwillen wurde das von den Richtern auch akzeptiert.“

Häuslicher Unterricht sei bestimmt nicht für jeden passend, so die Eltern. Doch für ihre Familien sei es die richtige Entscheidung gewesen. Die Kinder seien zudem nicht isoliert, sondern hätten viele Kontakte: „Wir machen weit mehr Lern-Ausflüge und Projekte gemeinsam, als es in der Schule der Fall wäre.“ Und: Man orte Absicht hinter dem Vorgehen der Bildungsdirektion: „Es wurde einem unmöglich gemacht, diese Prüfung zu machen.“

Polaschek: „Ich erkenne keine Einschränkung“
„Dass Prüfungen stattfinden, war allen bekannt. Prüfungen haben immer stattgefunden“, sagt Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) auf Anfrage von krone.tv. Um das Verfahren sicherer und objektiver zu machen, habe man eine eigene Prüfungskommission eingesetzt. Dies sei notwendig gewesen, da im Gegensatz zu vor der Pandemie, wo die allermeisten Kinder und Jugendlichen sehr gute Prüfungsergebnisse gehabt haben, die Prüfungsergebnisse nach der Pandemie deutlich schlechter geworden seien. „Es hat sich gezeigt, dass jene Kinder und Jugendliche, die gut vorbereitet waren, diese Prüfungen auch alle sehr gut bestanden haben. Insofern erkenne ich hier keine Einschränkung.“

Zahlen zum häuslichen Unterricht im Schuljahr 2022/23:

Da auf der Vorschulstufe keine Externistenprüfung abgelegt werden muss, bestand am Ende des Schuljahres 2022/23 laut Bildungsministerium für 2280 Kinder im häuslichen Unterricht die Verpflichtung zur Ablegung einer Externistenprüfung. Von diesen haben 1878 (82,4%) die Externistenprüfung bestanden, 162 (7,1%) haben die Prüfung nicht bestanden und 240 (10,5%) sind nicht angetreten.

Polaschek: „Kein Grund für Schulpflicht“
Für eine Schulpflicht, wie es in Deutschland der Fall ist und es die Pflichtschullehrergewerkschaft fordert, sieht Polaschek aber keinen Grund: Es gebe sehr guten häuslichen Unterricht, durch extrem engagierte Eltern. Man müsse dort tätig werden, wo die Gefahr bestehe, dass die Kinder durch Eltern nicht entsprechend gut unterrichtet werden.

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