Fußball-Manager:

„Du kannst oft nächtelang nicht schlafen!“

Oberösterreich
31.01.2023 15:00

Mit über 30 Arbeitsjahren gilt Stefan Reiter als längtsdienender Fußball-Profi-Funktionär Österreichs. Der 62-jährige vor seinem „Transfer“ in die Pension über überfälllige Reformen, die Seriösität und das Image der Branche sowie Erfolge und eine verpasste Titelchance . . . 

„OÖ-Krone“: Herr Reiter, Angst vor einem Pensionsschock?

Stefan Reiter: Nein!

Was haben Sie nach über 30 Jahren Profibusiness und Dauerstress ab 1. Februar vor?

Länger schlafen und mich mehr bewegen. Es ist zwar peinlich, aber als Sportfunktionär hatte ich nie Zeit, selbst Sport zu machen.

Wird der Fußball weiter eine Rolle spielen?

Klar! Auch wenn ich mich schon länger massiv vom Spitzenfußball zurückgezogen habe, wenig im TV seh’. Die Champions League meist erst ab dem Viertelfinale. Auch die Bundesliga immer weniger. Nun freu’ ich mich auf Sportplatzbesuche in der Region und Gespräche mit einer Knacker und einem Bier in der Hand.

Wobei Sie den Kontakt zur Basis ja über all die Jahre sehr gepflegt haben.

Ich bin immer dem Fußball treu geblieben, von dem ich komme. Mich kann auch weiter jeder anrufen, wenn mein Rat erwünscht ist.

Was, wenn der OÖ-Fußballverband Sie anruft?

Der ist wie andere Verbände in einer sehr schwierigen Situation, weil es eines extremen Umdenkens bedürfte. Ich war immer bereit, den OÖFV zu unterstützen, aber es muss Sinn machen. Vor zwei Jahren erarbeitete ich ein Konzept für eine positive Veränderung der 3. und 4. Ligen. Geändert hat sich seither aber nichts. Doch es bedürfte eines generellen Umdenkens.

Zitat Icon

Alles schaut nur aufs Nationalteam, keiner auf die Basis.

Stefan Reiter über den ÖFB.

Inwiefern?

Es kann nicht sein, dass sich beim ÖFB ein Sportdirektor um den Spitzen- und Breitenfußball kümmert. Es braucht einen eigenen Mann für Amateure und Nachwuchs. Alles schaut nur aufs Nationalteam, keiner auf die Basis. Obwohl der Fußball in einem unheimlichen Konkurrenzkampf zu anderen Sportarten steht. Da gehen viele Talente und Spieler verloren. Und im Frauenfußball wird überhaupt nur an die Spitze gedacht.

Was würden Sie als Ihren größten Erfolg bezeichnen?

Das ist schwierig, weil jeder Erfolg zu seiner Zeit der größte war. Der erste Aufstieg mit Ried war unglaublich. Bei Pasching stieg ich in der Relegation zur 2. Liga ein und wir schafften es bis in den Europacup. Auch mit Blau-Weiß Linz wurde ich Meister der 2. Liga. Trotzdem waren die zwei Erstliga-Aufstiege und Cupsiege mit meinem Heimatklub Ried für mich das größte.

Zitat Icon

Trainer Paul Gludovatz sagte damals, wenn du mir zwei Spieler holst, können wir Meister werden. Vielleicht wäre das möglich gewesen - doch ich hab’s nicht getan.

Stefan Reiter über die Titelchance der SV Ried

Sie waren mit Ried 2010 und 2011 auch Herbstmeister!

Trainer Paul Gludovatz sagte damals, wenn du mir zwei Spieler holst, können wir Meister werden. Vielleicht wäre das möglich gewesen – doch ich hab’s nicht getan, weil wir uns das nicht leisten konnten. Vielleicht war es ein Fehler!

Sie haben immer sehr auf die Finanzen geachtet!

Genau das ist es im Profi-Fußball! Du arbeitest nicht mehr als in anderen Berufen. Aber du kannst oft nächtelang nicht schlafen, weil du vor einer Entscheidung stehst, die ein Jahr später noch sehr, sehr wichtig ist – ob nun positiv oder negativ!I

Ihre ungewöhnlichste Erinnerung?

Da gibt es hunderte!

Einmal wurden Sie am Airport Warschau von Polizei mit Maschinenpistolen umstellt!

Ich hatte 200.000 Schilling (Anm.: 15.000 €) in bar dabei, mit denen ich einen Spieler kaufen sollte. Ich wurde verhaftet, mir wurde das Geld abgenommen, aber ich bekam es wieder.

Zitat Icon

Was den wenigsten Menschen bewusst ist: Fußball ist ein großer Steuerzahler!

Stefan Reiter über die Profi-Vereine

Wie seriös ist der Profi-Fußball?

Heute wirtschaftlich sehr seriös! Vor 30 Jahren wurden Verträge noch auf Bierdeckeln gemacht. Jetzt - und das ist den wenigsten bewusst - ist der Fußball ein großer Steuerzahler. In Ried ist der Klub einer der größten der Stadt. Wenn in Linz der Bau von zwei Stadien als Wahnsinn kritisiert wird, sage ich: Die Investitionen werden über Steuergelder zurückgezahlt. Wenn ein Klub zwei Millionen Lohnkosten hat, geht eine davon an die öffentliche Hand.

Ist das Image des Fußballs generell zu negativ?


Ja, weil sich die Öffentlichkeit oft von Einzelaktionen blenden lässt. Weil etwa Ronaldo jetzt 200 Millionen verdient, irgendwo 200.000 Euro unterschlagen werden oder einer einen Satz sagt, den man nicht sagen darf.

Wie zuletzt Didi Kühbauer!

Genau! Aber es spielen weltweit hunderte Millionen Kinder Fußball und nehmen dadurch eine positive Entwicklung. Mannschaftssport ist die beste Integration. Jeder weiß, was in Linz zu Halloween los war. Aber es war kein einziger dabei, der bei einem Fußballverein ist. Leider fällt das der Politik zu wenig auf.

Doch nicht nur deshalb drohen dem Fußball immer schwierigere Zeiten. Gemeint ist das Funktionärssterben!

Deshalb müssen wir wieder da hin, wo wir waren, als ich mit 23 Sektionsleiter bei Utzenaich wurde. Keiner bekam einen Cent. Die Bezahlung war die Gemeinschaft, die über den Fußball hinausgeht. Dank der lernte ich etwa meine Frau kennen.

Zitat Icon

Es gibt inzwischen aber immer mehr Vereine, denen es egal ist, in welcher Klasse sie spielen. Sie wollen Kindern etwas bieten, die Ortsgemeinschaft stärken.

Stefan Reiter über Amateurvereine

Das Rad der Zeit lässt sich aber nicht zurückdrehen!

Es gibt inzwischen aber immer mehr Vereine, denen es egal ist, in welcher Klasse sie spielen. Sie wollen Kindern etwas bieten, die Ortsgemeinschaft stärken. Der Amateurfußball muss viel mehr weg vom Klassendenken, in welcher Liga man spielt. Das ist egal, zumal immer weniger Vereine Geld haben.

Umso verrückter ist, wie viel auch im Amateurbereich teils bezahlt wird.


Obwohl keiner besser spielen kann, wenn er 100 Euro kriegt oder nicht! Deshalb sind die Vereine gefordert, ihr Umfeld so positiv zu gestalten, dass man nicht wegen ein paar Euro spielt, sondern wegen dem Spaß und einer Gemeinschaft, die weit über den eigentlichen Sport hinausgehen soll.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spiele