Ärztin gründet Verein

System versagt: Wenn Helfer selbst Hilfe benötigen

Wien
05.10.2022 07:00

Unser Gesundheitssystem hängt am seidenen Faden. Immer mehr Mitarbeiter kommen selbst an ihre Grenzen und kehren dem Beruf den Rücken. Ein neuer Verein will helfen und lädt am 11. Oktober im Tunnel zur Benefizlesung mit Rudi Anschober. Alle Infos auf www.secondvictim.at

Eva Potura ist Intensivmedizinerin in Wien und erinnert sich: „Ich musste einen Covid-Patienten intubieren, er bekam kaum mehr Luft, um zu sprechen. Wir alle ahnten, dass er es nicht schaffen wird. Er schrieb mit letzter Kraft auf einen Zettel, dass wir seiner Frau ausrichten sollen, dass er sie liebt. Wir riefen sie in seinem Beisein an und sagten an seiner Stelle diese Worte. Es waren seine Abschiedsworte.“

Jeder soll funktionieren
Von Personen im Gesundheitswesen erwartet man, dass sie nach einem solchen Erlebnis schnell zur Tagesordnung übergehen. Doch nicht alle schaffen das, müssen sie auch nicht. „In unserer Ausbildung lernen wir, anderen zu helfen. Wir lernen auch, dass man weiterkommt, je härter man ist, wir lernen leider auch reinzubeißen. Doch irgendwann geht es einfach nicht mehr“, so Potura.

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Optimistische Studien gehen davon aus, dass 60 Prozent des gesamten Gesundheitspersonals betroffen sind.

Dr. Eva Potura, Second-Victim-Gründerin

Ärztin gründet Verein für Betroffene
Also wollte sich die Wiener Ärztin an Gleichgesinnte wenden, nur gab es dafür noch keine Plattform, zumindest nicht in Österreich. Potura: „Ich hatte zuvor bereits von ,Second Victim‘ gehört. So bezeichnet man Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die aufgrund eines schweren Zwischenfalls, eines medizinischen Fehlers und/oder eines Patientenschadens traumatisiert wurden. Also habe ich einen Verein dafür gegründet.“

Und offenbar war die Ärztin mit ihren Gedanken nicht alleine. Der Zuspruch, aber auch die Nachfrage nach Hilfe sind enorm. „Wir wollen Bewusstsein schaffen. Immerhin arbeiten in Österreich rund 460.000 Personen im Gesundheitswesen, und Studien gehen davon aus, dass rund 60 Prozent davon einmal in der Karriere in diese Situation kommen - und das sind die optimistischen Schätzungen.“ Viele kehren dem Beruf danach für immer den Rücken. Potura: „Schon jetzt ist die Lage prekär. Wir haben kein Problem mit fehlenden Betten, sondern fehlendem Personal.“ Daher fordert die Medizinerin dringend Gegenmaßnahmen. Über den Verein wurden schon über 80 Therapiesitzungen ermöglicht. Um Spenden zu sammeln, gibt es am 11. Oktober eine Benefizlesung (QR-Code links).

Fakten

Rund eine halbe Million Menschen arbeitet allein in Österreich in Gesundheitsberufen.  

Optimistische Studien gehen davon aus, dass rund 60 Prozent des Gesundheitspersonals einmal in der Karriere traumatisiert werden. Viele kehren dem Beruf den Rücken. Andere Studien sehen die Lage düsterer.  

Über den Verein Second Victim (secondvictim.at) Über den Verein Second Victim (secondvictim.at) wurden schon über 80 Therapiesitzungen ermöglicht - finanziert rein aus Spenden. 

Das Krisentelefon ist jeden Mo. von 9 bis 11 Uhr und Do. von 17 bis 19 Uhr unter +43 720 70 43 44 erreichbar.

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