Das Ringen um den Wiener Lobautunnel ist um ein weiteres Kapitel reicher. Diesen nicht umzusetzen, verstoße gegen geltendes Recht und würde „beträchtliche politische und finanzielle Haftung nach sich ziehen“, hieß es am Mittwoch vonseiten der Wiener Wirtschaftskammer. Damit nicht genug: Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne), die das Projekt Lobautunnel gewissermaßen „begraben“ hatte, droht im Ernstfall sogar eine Klage.
Laut Expertenansicht sei das Aus für den Lobautunnel rechtlich nicht gedeckt. „Der Lobautunnel kann nicht von heute auf morgen vom Tisch gewischt werden. Dafür fehlen die rechtliche Grundlage und das notwendige Einvernehmen mit dem Finanzministerium“, erklärte Walter Ruck, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, am Mittwoch.
„Weisung rechtlich nicht möglich und rechtswidrig“
Eine Weisung der Klimaschutzministerin an die Asfinag für den Baustopp sei „rechtlich nicht möglich und außerdem rechtswidrig“, kommt Verfassungsrechtsexperte Heinz Mayer in einem Rechtsgutachten zum Schluss. „Das letzte Wort hat nicht ein Verwaltungsorgan, sondern der Gesetzgeber“, so Mayer weiter. „Sollte belegt werden, dass eine solche Weisung ergangen ist, hätte das eine Ministeranklage und in weiterer Folge auch zivil- und strafrechtliche Folgen.“
Ruck: „Baustopp zurücknehmen“
Auch Gesellschaftsrechtexperte Jörg Zehetner sagte am Mittwoch, eine Weisung der Ministerin gegen eine Aktiengesellschaft sei „aktienrechtlich unzulässig“. Wirtschaftskammer-Präsident Ruck fordert daher von Asfinag-Aufsichtsrat, dass der Baustopp zurückgenommen wird.
Zum derzeitigen Zeitpunkt setze sich die Ministerin aber über das Gesetz hinweg, erklärte der Verfassungsrechtsexperte. „Im Prinzip, in der Sache, ist der Tunnel seit dem Jahr 2018 rechtskräftig genehmigt, Beschwerden an Höchstgerichte blieben erfolglos.“ Rechtlich könne das Projekt also nicht abgesetzt werden. Wenn Gewessler sage, dass der Tunnel nicht komme, „handelt sie außerhalb ihrer Zuständigkeit“, so Mayer weiter. Sollte sie das Gesetz ändern wollen, könne das nur der Gesetzgeber tun, nicht aber eine Ministerin, sagte Zehetner.
Ludwig sieht Rechtsauffassung der Stadt bestätigt
Bestätigt fühlte sich hingegen Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) - der ebenfalls zu den Verfechtern des Umfahrungs-Lückenschlusses zählt. Die neuen, nun präsentierten Erkenntnisse würden die Meinung und die Rechtsauffassung der Stadt Wien eindeutig bestätigen. Es werde einmal mehr klargestellt, dass die Entscheidung von Ministerin Gewessler ohne taugliche Rechtsgrundlage getroffen worden sei, hob Ludwig hervor. Bereits der Umstand der „völligen Intransparenz des Entscheidungsprozesses“ habe den Eindruck entstehen lassen, dass es sich um eine willkürliche Entscheidung der Ministerin gehandelt habe, beklagte Ludwig. Man sei lediglich über die Absage des Projektes informiert worden.
Die Stadt Wien hat Klimaziele und diese sind mit dem Lobautunnel nicht in Einklang zu bringen.
Peter Kraus, der Parteivorsitzende der Grünen in Wien
Kritik zu den vorgelegten Rechtsgutachten kam von den Grünen und Umweltschützern. „Die Stadt Wien hat Klimaziele und diese sind mit dem Lobautunnel nicht in Einklang zu bringen. Wer also nun gegen die Absage des Lobautunnels klagt, klagt gegen das Pariser Klimaabkommen“, sagte Peter Kraus, der Parteivorsitzende der Grünen in Wien. „Moderne Standortpolitik geht anders“, hieß es zudem von Greenpeace. Laut Global 2000 brauche es keinen Lobautunnel, sondern eine „ökologische und sozial gerechte Mobilitätswende und einen schnellen Ausbau von bequemen und zuverlässigen Öffi-Verbindungen“.
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