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Nina Ortlieb hat Olympia noch nicht abgeschrieben

Vorarlberg
15.01.2022 08:55

Am 20. Jänner 2021 war Nina Ortlieb im Training zur Weltcupabfahrt in Crans Montana (Sz) zu Sturz gekommen und hatte sich schwer verletzt. Fast ein Jahr danach ist es ruhig um die Lecherin geworden. Ihre Rückkehr in den Weltcup verzögert sich. „Krone Vorarlberg“-Skiexperte Magnus Walch hat sich jetzt mit der 25-Jährigen in ihrer Heimat zum Gespräch getroffen, in dem Ortlieb ordentlich aufhorchen lässt.

Magnus Walch: Die Frage, die uns alle interessiert: Wie geht es dir zurzeit? Körperlich und mental?

Ortlieb: Körperlich ist viel weitergegangen in den letzten Wochen. Die Entwicklung ist sehr positiv. Derzeit ist es eine Mischung aus Schneetraining und Konditraining, die meinen Trainingsalltag ausmacht. Mental war es schon eine große Belastung, als mir bewusst geworden ist, dass es einfach viel länger braucht, um zurückzukommen, als wir gedacht und geplant haben. Seit ich wieder auf Schnee bin, geht es aber aufwärts - diese Woche haben wir mit dem Stangentraining begonnen. Das sind wesentliche Schritte, die auch mental sehr guttun.

Walch: Ein Arlberger, Meinhard Tatschl, betreut dich während deines Comebacks auf Schnee. Wie sieht eure gemeinsame Arbeit aus?

Ortlieb: Meini ist der Beauftragte für die Back-to-Race-Gruppe. Er erfüllt diese Funktion perfekt - auch weil er viel Erfahrung mitbringt. Er war zuvor Trainer von Anna Veith und hat sich mit ihr in der Vergangenheit öfters auch unserer Trainingsgruppe angeschlossen. Zurzeit trainiere ich viel alleine mit ihm. Solange die Bedingungen hier in Lech so gut sind, macht es für mich einfach nicht viel Sinn, woanders hinzufahren. Bald wird es Überschneidungen mit den Plänen unserer Trainingsgruppe geben und ich werde wieder öfters mit dem Team trainieren. Es ist jetzt aber wichtig, nichts zu überstürzen, auch wenn es schwer ist, zu diesem Zeitpunkt geduldig zu bleiben.

Walch: Kann Meini dir dabei helfen, geduldig zu bleiben?

Ortlieb: Auf jeden Fall. Er ist seit vielen Jahre im Trainerbusiness, hat viel erlebt. Meini vermittelt sehr viel Ruhe und hat einen klaren Plan. Noch waren keine großen Entscheidungen zu treffen. Bei denen, die er schon treffen musste, hatte ich aber ein sehr gutes Gefühl. Er hatte zum Beispiel das Gespür, wann der Skiwechsel von den kürzeren Ski auf die Rennski zeitlich passt. Das war nicht zu früh und nicht zu spät. Wir waren auch viel mit den Slalomski unterwegs. Mit diesen kann man in kurzer Zeit viele Schwünge fahren, um Belastung aufs Knie zu bringen und die Strukturen daran zu gewöhnen. Das war sicher auch eine wertvolle Maßnahme.

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„Das Wissen, dass die beiden den Weg gemeinsam zurück aus der Verletzung geschafft haben, hilft mir sehr“

Nina Ortlieb über ÖSV-Betreuer Meini Tatschl und Österreichs letzte Gesamtweltcupsiegerin Anna Veith

Walch: Dein Leben spielt sich derzeit also hauptsächlich auf den Lecher Pisten ab, oder?

Ortlieb: Zwischen den Schnee-Einheiten bin ich noch öfters im Olympiazentrum Innsbruck. Zwar ist für das Konditraining hier in Lech alles vor Ort, in Innsbruck haben wir aber Messgeräte und Kraftmessplatten, mit denen wir sehen können, wie sich das Skifahren auf den Körper auswirkt. Zusätzlich habe ich dort auch Physiotherapie-Einheiten und sportpsychologische Betreuung.

Walch: Hast du im psychologischen Bereich etwas verändert?

Ortlieb: Ich hatte zuerst einen Mentalcoach, mit dem ich gut zusammengearbeitet habe. Auf Wunsch des Österreichischen Skiverbands habe ich mich aber dann für die Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen des Olympiazentrums entschieden. Das hat sich sehr gut entwickelt und wir haben eine starke Vertrauensbasis aufgebaut.

Walch: Du hast zuvor Anna Veith angesprochen. Hast du noch viel Kontakt mit ihr?

Ortlieb: Damals, im Zuge ihrer schweren Verletzung, haben wir uns viel ausgetauscht. Jetzt erfolgt der Austausch hauptsächlich über Meini. Das Wissen, dass die beiden den Weg gemeinsam zurück aus der Verletzung geschafft haben, hilft mir sehr.

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„Bei den Olympischen Spielen einfach nur dabei zu sein, ist für mich fast das gleiche, wie nicht dabei zu sein“

Nina Ortlieb über die die Spiele in Peking

Walch: Ich kann mich noch erinnern, als wir im Herbst miteinander gesprochen haben. Olympia war das große Ziel. Das wird kein Thema mehr sein für dich, oder?

Ortlieb: Olympia habe ich noch nicht ganz abgeschrieben. Ich bin mir bewusst, dass es schwierig wird. Solange es aber nicht endgültig ist, spekuliert man natürlich damit, es doch noch rechtzeitig zu schaffen. Es hat sich vieles gut entwickelt in letzter Zeit. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass dieser Schritt noch passiert.

Walch: In dem Fall ist Olympia noch immer das Ziel?

Ortlieb: Die Hauptorientierung liegt auf der langfristigen Entwicklung. Wenn es klappt und ich bereit dafür bin, nehme ich es natürlich gerne mit. Ich weiß aber, dass ich noch viele Jahre vor mir habe und vernünftig bleiben muss. Wenn ich zu Olympia fahre, möchte ich auch um Medaillen mitkämpfen. Nur dabei zu sein, ist fast das gleiche, wie nicht dabei zu sein.

Walch: Ich bleibe hartnäckig: Wenn Olympia nicht klappen sollte, sehen wir dich heuer noch auf Ski?

Ortlieb: Ich möchte auf jeden Fall heuer noch ins Renngeschehen einsteigen. Es gibt ja auch nach Olympia noch Weltcuprennen - da will ich dabei sein. So gesehen ist die Antwort auf diese Frage eher Ja als Nein.

Walch: Du hilfst ab und zu bei euch im Hotel aus. Wie reagieren die Gäste, wenn sie von einer Weltcupsiegerin bedient werden?

Ortlieb: Daheim mitzuhelfen ist selbstverständlich, das habe ich immer schon gemacht. Wenn viel los ist und man mich braucht, helfe ich gerne mit. Die meisten Gäste kennen mich und meinen Vater und freuen sich, wenn sie mit uns ins Gespräch kommen.

Walch: Tut es dir eigentlich weh, wenn du dir zurzeit die Weltcuprennen im TV ansiehst?

Ortlieb: Das hängt vom Rennen ab. Bei den Damen-Speedrennen ist natürlich immer auch ein weinendes Auge dabei, weil man nicht dabei sein kann. Man wird sich aber auch immer wieder bewusst, warum man so hart arbeitet, wo man wieder hin will und auch warum man dort wieder hin will. Und ich halte mir vor Augen, dass ich noch viele Jahre vor mir habe.

Walch: Hast du auch den Slalom von Adelboden mitverfolgt?

Ortlieb: Ja, natürlich. Das war unglaublich. Ich kenne Johannes schon lange. Er nahm mich früher immer mit ins Internat nach Stams. Er hat auf eine andere Art und Weise einen Leidensweg hinter sich. Solche Momente sind dann etwas ganz Besonderes und sehr emotional. Da freut sich einfach jeder mit einem mit.

Porträt von Magnus Walch
Magnus Walch
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