„Das war unglaublich“

Borchashvili: Flucht vor Krieg gipfelt in Bronze

Olympia
28.07.2021 08:34

Als Bub war Shamil Borchashvili einst aus Tschetschenien nach Österreich geflohen - gestern eroberte er im Judo Olympia-Bronze. Das war unglaublich, ich war heute mental so stark“, weinte er.

Was für eine Geschichte! 2005 war Shamil Borchashvili als Zehnjähriger mit seiner Familie vor dem Krieg in Tschetschenien geflüchtet – und gelangte nach Österreich. 16 Jahre später ist Shamil, der perfekt Deutsch spricht, Medaillengewinner bei Olympia. Im Judo.

Dabei hatte der 26-Jährige sich erst 2018 entschlossen, es voll und ganz in dieser Sportart zu probieren, die er davor nur hobbymäßig betrieben hatte. Was auch daran lag, dass er erst 2017 Österreichs Staatsbürgerschaft erhielt. Dafür lebt er Judo jetzt mit absoluter Hingabe. „Ich liebe diesen Sport. Er lehrt mich so viele Dinge wie Respekt.“ Und mentale Stärke. Wie sehr Shamil fokussieren kann, bewies er die ganze Woche. So löschte er vor Olympia-Beginn alle Social-Media-Accounts. Ablenkungen im olympischen Dorf gönnte er sich keine.

Dafür erntete er gestern die Belohnung. „Das fühlt sich unglaublich an“, jubelte er. „Ich war heute so relaxt, so stark im Kopf!“ In der Tat. Er legte einen Weltklasse-Gegner nach dem anderen auf die Matte. Erst schlug er den WM-Dritten Anri Egutidze (Por), danach Israels Nummer zwei der Welt Sagi Muki und Sharofiddin Boltabojew (Usb). Zwar verlor er gegen Saeid Mollaei (Mgl), doch im Bronze-Kampf dominierte er Dominic Ressel (D) komplett. Kurz danach weinte Shamil vor Glück. „Vor drei Jahren war mein Traum, hier dabei zu sein. Dass es eine Medaille wird, hätte ich nicht gedacht.“

Sieben Geschwister
Es ist ein Erfolg, den er mit vielen Menschen teilt. Vor allem mit seiner großen Familie. Seinen Eltern, die er abends anrief, und seinen zwei Brüdern und fünf Schwestern. „Die Jüngste, Selima, ist meine Prinzessin“, grinst er. Und scherzt: „Als Schutz vor einem Diebstahl muss ich die Medaille wohl im Keller aufbewahren.“

Vor allem eins war ihm wichtig. Er wollte sich bei allen möglichen Leuten bedanken. Allen voran seinen Brüdern Wachid und Kimran, die wie er Judo betreiben. Der ältere Kimran begleitete ihn nach Tokio, half, ihn vorzubereiten. Natürlich dankte er auch seinen Trainern.

Sabsis Rolle
Und dann war da noch Sabrina Filzmoser. “Der Sabsi verdanke ich so viel„, sagte Shamil bewegt. “Ich bin mit ihr aufgewachsen. Sie ist für mich meine große Schwester.„ Als Borchashvili und seine Familie nach Wels kamen, war es Filzmoser, die, wie es ihre großherzige Art ist, sich um ihn kümmerte, ihn zum Training abholte, ihn finanziell unterstützte, ihm den Weg zum Judosport eröffnete.

“Ich hab keine Worte für Sabsi„, meinte er. “Das ist eine, die man nicht so leicht findet, die immer für mich da war, auch wenn ich mal ein Idiot war." Sabsi hatte sich eine Medaille gewünscht, am liebsten von ihm. Noch als Shamil in der Mixed Zone war, stürmte sie hinein und umarmte ihren kleinen Bruder.

Kronen Zeitung, Tokio

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