Infektionswelle rollt

Impfvorreiter Chile: „Macht es nicht wie wir“

Ausland
20.06.2021 12:47

Schon fast die Hälfte der Menschen in Chile ist bereits vollständig gegen das Coronavirus geimpft worden - dennoch hat die Belegung der Intensivstationen zuletzt ein kritisches Niveau erreicht. Zunehmend infizieren sich auch immer mehr junge Menschen mit dem Virus. Nun würden Vorwürfe laut, dass die Regierung bei der Bekämpfung der Pandemie zu einseitig auf Impfungen gesetzt habe.

Chile verzeichnete zuletzt einige der höchsten Ansteckungszahlen seit Pandemiebeginn, obwohl das Land eine der höchsten Impfquoten weltweit hat. Mehr als 60 Prozent der Einwohner haben mindestens eine Impfung erhalten, knapp 50 Prozent sind bereits vollständig geimpft. Dennoch wurde nun die Notstandslage im Land um drei Monate verlängert.

Kaum Intensivbetten mehr frei
Die Intensivstationen seien zu 96,7 Prozent ausgelastet, sagte der Beauf­tragte für die Intensivpflege des chilenischen Gesundheitswesens, Luis Castillo. Im ganzen Land seien nur noch 146 Intensivbetten frei. Das sei die höchste Auslastung in Chiles Geschich­te. Bei den meisten Intensivpatienten handele es sich um Menschen mit Covid-19. Ein Großteil sei noch nicht geimpft worden, so Castillo.

Groß angelegte Impfkampagne
Der „Impf-Champion Lateinamerikas“ hatte sich eigentlich bereits frühzeitig Impfstoffe von einer ganzen Reihe an Herstellern gesichert. Geimpft wird nach einem recht einfachen Priorisierungsplan ohne komplizierte Terminvergabe - in Gesundheitszentren, Fußballstadien und Impfstraßen. Dennoch schützt der Fortschritt bei der Verabreichung das Land offenbar nicht ausreichend.

„Undichte Impfung“ als Problem
Noch vor China habe man etwa den dort entwickelten Impfstoff Sinovac zugelassen, darauf folgten die Präparate von Biontech/Pfizer, AstraZeneca und das ebenfalls chinesische Vakzin CanSino. Bereits im Juni hätte so bereits eine Herdenimmunität von mehr als 70 Prozent Geimpften im Land erreicht werden sollen.

Gerade in Bezug auf das meistgenutzte Mittel von Sinovac spreche man aufgrund der geringeren Wirksamkeit mittlerweile aber sogar von einer „undichten Impfung“, wie die Gesundheitsexpertin Soledad Martinez dem „Spiegel“ erklärte. Sie schütze zwar vor schweren Verläufen, jedoch nur bedingt vor einer Infektion, was in weiterer Folge besonders für Ungeimpfte kritisch sei.

„Wichtige Maßnahmen vernachlässigt“
„Seit Beginn der Impfstrategie konzentriert sich in Chile alles auf das Impfen“, sagte Simone Reperger von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Santiago de Chile dem Deutschlandfunk. „Andere wichtige Maßnahmen wie Testen, Kontaktnachverfolgung und Prävention werden vernachlässigt.“ Die Haltung der Regierung habe die Menschen in Chile zudem zu einer gewissen Sorglosigkeit verleitet - die Chilenen hätten die Gefahr des Virus dadurch unterschätzt.

Aufgrund der wenigen Tests im Land, wisse man auch nicht, welche Virus-Variante für den enormen Anstieg der Infektionsfälle verantwortlich ist, so Martinez. „Dass jüngere Menschen und Schwangere betroffen sind, deutet aber darauf hin, dass sie sich mit P1 (Anm.: Gamma-Variante aus Brasilien) infiziert haben könnten“, meint sie weiter.

Sorge vor ständig neuen Mutationen
„Wir sind wirklich ein Negativbeispiel“, mahnte die Gesundheitsexpertin die anderen Länder am Globus zur Vorsicht. Niemand könne nun so tun, als sei die Pandemie vorbei und Maßnahmen - wie etwa das Maskentragen - aussetzen. Aufgrund der ständig entstehenden neuen Varianten könne Herdenimmunität derzeit immer nur temporär und lokal begrenzt verstanden werden: „So wie Chile soll man es nicht machen“, meint Martinez.

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