Blogger gefoltert?

Minsk-Affäre: Nächster Journalist mit Tod bedroht

Ausland
25.05.2021 18:26

Verhaftungen von Regimegegnern und kritischen Journalisten, Polizeigewalt und jetzt auch noch die Flugzeugentführung nach Minsk - das weißrussische Regime scheint vor nichts zurückzuschrecken. Nun wurde bekannt: Ein Mitstreiter des inhaftierten Roman Protassewitsch bekommt nach eigenen Angaben Morddrohungen. Die weißrussische Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja vermutet zudem, dass Protassewitsch im Gefängnis gefoltert wird. Und auch Protassewitschs Mutter äußerte sich dementsprechend.

Die internationale Gemeinschaft müsse über gemeinsame Schritte diskutieren, „um die Täter vor Gericht zu stellen“, schrieb Tichanowskaja am Dienstag im Nachrichtenkanal Telegram. Zugleich forderte sie die Freilassung des 26-Jährigen und auch anderer politischer Gefangener in Weißrussland. Tichanowskaja lebt in Litauen im Exil.

Sie rief die USA nach einem Telefonat mit Präsident Joe Bidens nationalem Sicherheitsberater Jake Sullivan auf, eine Untersuchung wegen Flugzeugentführung und der Festnahme von Protassewitsch einzuleiten. Tichanowskaja verwies auf das Vorgehen der autoritären Führung in Minsk gegen unabhängige Medien. „All das ist Ergebnis der Straflosigkeit des Regimes und des Fehlens einer entschiedenen Reaktion der internationalen Gemeinschaft.“

Mutter von Protassewitsch: „Er wurde gefoltert“
Dem Regierungskritiker Roman Protassewitsch, der zuletzt im Ausland lebte, drohen nach seiner Verhaftung nun mehrere Jahre Haft. Seine Mutter Natalia Protassewitsch sagte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur, im Gesicht ihres Sohnes seien deutliche Spuren von Gewaltanwendung erkennbar gewesen. Die weißrussischen Staatspropaganda hatte am Montagabend ein Video (siehe unten) aus dem Untersuchungsgefängnis in Minsk verbreitet. 

In dem Video „gesteht“ der sichtlich gezeichnete Blogger seine „Verbrechen“. „Ich bin keine Chirurgin, aber es ist sicher, dass sie ihn auf die Nase geschlagen und diese möglicherweise gebrochen haben“, so die Mutter des Oppositionellen. Außerdem sei die linke Wange des 26-Jährigen geschwollen und hänge nach unten. „Selbst unter der Schminke sieht man eine gelbliche Färbung - vermutlich wurden Blutergüsse mit Puder überdeckt.“ Am Hals seien zudem Würgemale zu erkennen. „So wie es aussieht, haben sie ihn gewürgt, um aus ihm Beweise herauszuprügeln.“ Auch Protassewitschs russische Freundin sitzt in Minsk im Haft, nachdem sie am Flughafen festgenommen wurde.

„Nexta“-Gründer mit Mord bedroht
Und auch ein früherer Mitstreiter des inhaftierten Bloggers bekommt nun nach eigenen Angaben Morddrohungen. „Sie schreiben mir, dass wir als Nächste an der Reihe sind, dass man uns nicht nach Belarus entführen, sondern in Warschau erschießen wird“, sagte Stepan Putilo, der mit Protassewitsch die Internet-Seite „Nexta“ gegründet hat, die von der Gewalt Lukaschenkos gegen die Opposition berichtete, und im polnischen Exil lebt.

Fluglinien meiden weißrussischen Luftraum
Nach der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs in Weißrussland und der Festnahme des Bloggers und Journalisten meiden immer mehr Fluggesellschaften den Luftraum über der ehemaligen Sowjetrepublik. Bei der Lufthansa werden nun vor allem Moskau-Flüge umgeleitet, wie ein Sprecher am Dienstag mitteilte. Von der AUA hieß es am Dienstag, der weißrussische Luftraum werde „bis auf Weiteres“ umflogen und Minsk derzeit nicht angeflogen.

Sorge um Protassewitsch wächst
Die Behörden des autoritär geführten Landes hatten am Sonntag ein Ryanair-Flugzeug auf dem Weg von Griechenland nach Litauen mithilfe eines Kampfjets zur Landung in Minsk gezwungen - angeblich wegen einer islamistischen Bombendrohung. Minsk machte die im Gazastreifen herrschende Hamas dafür verantwortlich. Ein Hamas-Sprecher wies dies jedoch als „absurd“ zurück. Die Maschine flog später weiter nach Vilnius. Ziel der Aktion war offensichtlich Protassewitsch, der aus Griechenland nach Litauen wollte, wo er zuletzt im Exil lebte. In seiner Heimat war er unter anderem wegen Anstiftung zu Protesten gegen Präsident Alexander Lukaschenko zur Fahndung ausgeschrieben gewesen.

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