EU-Kommission empört

Nach „Sofa-Gate“: Türkei klärt Sitzordnung auf

Ausland
08.04.2021 12:30

Beim Besuch beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Präsidentenpalast in Ankara bekam EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nur einen Platz am Sofa zugewiesen - etwas abseits von ihren auf großen Stühlen sitzenden männlichen Kollegen Erdogan und dem ebenfalls teilnehmenden EU-Ratspräsidenten Charles Michel. Daraufhin wurde viel Kritik laut, die türkische Regierung sah sich veranlasst, die umstrittene Sitzordnung zu verteidigen. Das Treffen sei entsprechend internationaler Standards und „türkischer Gastfreundschaft“ abgehalten worden.

Es habe „ungerechte Anschuldigungen gegenüber der Türkei gegeben“, so der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Dieser war ebenfalls bei dem Gespräch präsent und saß von der Leyen - ebenfalls auf einem Sofa - gegenüber. „Es wurde entsprechend der Anregungen der EU-Seite so eine Sitzordnung aufgestellt. Punkt.“ Cavusoglu berief sich außerdem auf internationale Standards und „türkische Gastfreundschaft“.

Michel: Situation bedauerlich
Die EU-Kommission hatte sich später darüber empört, von der Leyen blieb zumindest auf Twitter professionell (siehe Tweet unten) und erwähnte den Zwischenfall mit keinem Wort. Ein Sprecher sagte, dass die 62-Jährige aus ihrer Sicht auf Augenhöhe mit Staatschef Erdogan und Charles Michel hätte platziert werden müssen. Vorfälle wie dieser dürften sich nicht wiederholen. Michel erklärte die Sitzordnung mit einer engen Auslegung von protokollarischen Regeln durch die Türkei, betonte aber, dass er die Situation ebenfalls als bedauerlich empfunden habe.

Juncker: „Zuweilen als Nummer zwei behandelt“
Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verwies darauf, dass auch er bei Auslandsreisen zuweilen als „Nummer zwei“ hinter dem Ratspräsidenten behandelt worden sei. „Für jeden klar war, dass aus protokollarischer Sicht der Präsident des Rates die Nummer eins ist“, sagte er dem Magazin „Politico“: „Normalerweise hatte ich einen Stuhl neben dem Stuhl des Ratspräsidenten, aber manchmal passierte es, dass ich auf einem Sofa saß.“

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Normalerweise hatte ich einen Stuhl neben dem Stuhl des Ratspräsidenten, aber manchmal passierte es, dass ich auf einem Sofa saß.

Ex-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker

„Zutiefst befremdliches Bild“
In sozialen Netzwerken bekam der Vorfall schnell den Titel „Sofa-Gate“. In der EU wurde die Verantwortung eindeutig Gastgeber Erdogan zugewiesen. „Die respektlose Behandlung der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ein zutiefst befremdliches Bild vermittelt und kann - wenige Tage nach Aufkündigung der Istanbul-Konvention - wohl nur als Provokation verstanden werden“, zeigte sich etwa Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) laut APA „schockiert“. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) warnte vor „Naivität oder Blauäugigkeit“ im Verhältnis zur Türkei.

Auch EU-Parlament will Aufklärung
Die beiden größten Fraktionen im Europaparlament haben am Donnerstag eine Plenardebatte über die „Sofa-Gate“-Affäre verlangt. Die konservative EVP und die Sozialdemokraten forderten, dass von der Leyen und Michel dazu Ende April ins Parlament geladen werden. Die Türkei-Mission „hätte eine Botschaft der Festigkeit und Einigkeit unseres Vorgehens gegenüber Präsident Erdogan sein sollen“, erklärte EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU). „Leider hat sie zu einer Spaltung geführt, da die EU es versäumt hat, zusammenzustehen, als es nötig war. Wir erwarten mehr von Europas Außenpolitik.“

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