Die Menschen sterben - so viel wie seit 42 Jahren nicht. Und sie sterben unter anderem auch dort, wo sie besonders geschützt werden sollten: in Pflegeheimen. Was läuft schief?
Insgesamt 19.447 Menschen starben heuer bis 22. November in Pflegeanstalten und ähnlichen Einrichtungen. Allein seit 19. Oktober waren es 2727 Menschen – ein Plus von 36 Prozent gegenüber 2019. Der Anstieg der Todesfälle in den Heimen verlief parallel zu jenen in der Gesamtbevölkerung. Auch hier starben in den fünf Wochen von 19. Oktober bis 22. November um 36 Prozent mehr Menschen als im Durchschnitt desselben Zeitraums der letzten fünf Jahre.
Zuletzt 1978 so viele Tote binnen einer Woche
Für die Woche vom 16. bis 22. November hat die Statistik Austria 2431 Todesfälle gemeldet. In keiner einzigen Woche seit 1978 sind binnen sieben Tagen so viele Menschen gestorben.
Die Corona-Pandemie schlägt sich in der Sterbefallstatistik nieder. Und es sind erschreckende Zahlen. Vor allem aber sind es Menschen und Geschichten, die dahinter stecken. Wie konnte es so weit kommen? Insbesondere in den Heimen, die – und das war von Anfang an klar – geschützt werden müssen?
Das Gesundheitsministerium erklärt dies mit der „hohen Mobilität der Mitarbeiter“ und den „vielen Kontakten, die das Tätigkeitsfeld mitbringt“. Dadurch ergebe sich „ein erhöhtes Risiko für BewohnerInnen und KlientInnen dieser Einrichtungen, die in der Regel einer (hoch)betagten Personengruppe angehören“. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Beschäftigten sich gegenseitig anstecken. Man habe aber weitreichende Schutz- und Testmaßnahmen vorgeschrieben.
Personaldecke schon vor Krise sehr angespannt
Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV), hat eine andere Erklärung: „Natürlich gibt es nicht einen Grund, sondern viele Faktoren. Was aber sicher nicht hilfreich war, ist die angespannte Personaldecke, die es schon vor der Krise gab.“ Seit Jahren fehlt es an Personal, durch das Virus kamen Zusatzaufgaben hinzu und zahlreiche Mitarbeiter sind in Quarantäne – 2135 selbst infiziert.
Das sagt auch Martin Falinski von der ÖGKV und selbst in der Langzeitpflege tätig: „Die Situation ist heikel, Mitarbeiter fallen von jetzt auf gleich aus.“ Zudem erreichen ihn Rückmeldungen, dass „manche Hausärzte die Häuser nicht mehr betreten, sobald es Covid-Fälle gibt, womit die ärztliche Versorgung wegfällt“.
„Alle, die es brauchen, kommen ins Spital“
Schon Mitte November gab es einen Hilfeschrei der Personalvertreter aus dem Kranken- und Pflegebereich in Oberösterreich. Das Personal sei am Limit. Die Senioren würden oft länger im Heim bleiben, bevor sie ins Spital kommen, wohl um Kapazitäten zu sparen, vermutete Stefan Bauer, Zentralbetriebsratsvorsitzender des Sozialhilfeverbandes Linz-Land. Tatsächlich ist von den teilweise hohen Zahlen an infizierten Bewohnern nur ein Bruchteil im Spital, die Bundesländer versichern aber, dass dies am Krankheitsverlauf liege: „Alle, die eine medizinische Betreuung in einem Krankenhaus brauchen, bekommen diese auch“, so der Tenor.
525.000 Stück Antigen-Tests wurden laut Ministerium bisher von der AGES ausgeliefert, die Umsetzung der Screeningprogramme laufe in allen Bundesländern gut, so das Ergebnis der „Krone“-Nachfrage. Und doch: 1417 Heimbewohner starben bisher an Corona.
Um besser arbeiten zu können, brauche es mehr Personal – und eine Einbindung der Pflegenden in die Krisenstäbe, so Potzmann und Falinski, denn auch wenn die Situation nicht überall gleich schlimm sei, „vielerorts geht es langsam nicht mehr“.
Infizierte nach Bundesländern:
Anna Haselwanter, Kronen Zeitung
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