Fakten zu Impfungen

So soll die Ausrottung von SARS-CoV-2 beginnen

Österreich
11.11.2020 07:55

Seit vor zwei Tagen das deutsche Unternehmen Biontech einen ersten Durchbruch bei einem Corona-Impfstoff vermeldet hat, überschlagen sich die euphorischen Meldungen über eine baldige Ausrottung des Coronavirus SARS-CoV-2. Dass noch etwas Geduld vonnöten ist, ist dabei aber klar. Die Fakten zur derzeit größten Hoffnung in der Corona-Krise, dem Vakzin „BNT162b2“, das kurz vor der Zulassung steht, und weiteren Hoffnungsträgern.

1. DIE VERTEILUNG ERFOLGT EU-WEIT GLEICHZEITIG
Der Impfstoff der Pharmafirmen Biontech und Pfizer soll rasch auch in der Europäischen Union zur Verfügung stehen. Nach Abschluss des Liefervertrags haben alle 27 Länder gleichzeitig Zugriff auf erste Lieferungen. Nicht nur bei den Firmen Biontech-Pfizer sei bestellt worden, sondern bei drei weiteren: AstraZeneca, Johnson&Johnson und Sanofi, wie Clemens Martin Auer, Sonderberater des Gesundheitsministeriums, Mittwochfrüh im Ö1-„Morgenjournal“ sagte.

2. 600.000 IMPFUNGEN IM JÄNNER/FEBRUAR MÖGLICH
Auch Österreich dürfte - eine Zulassung vorausgesetzt - bereits in der ersten Jahreshälfte 2021 genügend Impfstoff von zumindest zwei Herstellern, Biontech und AstraZeneca, zur Verfügung haben. Zunächst sollen, wie von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bereits mehrfach betont, die besonders gefährdeten Menschen die Impfung erhalten. Auer sprach von einem „Idealfall“, dass im Jänner und Februar in Österreich bereits 600.000 Menschen geimpft werden könnten.

Die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, ist offenbar da: Rund 54 Prozent der Österreicher gaben an, sich impfen lassen zu wollen, gäbe es ein Serum.

3. LANGZEITLAGERUNG BEI MINUS 80 GRAD
Die Lagerung gestaltet sich zudem schwierig - was eine Impfung beim Hausarzt in weite Ferne rücken lässt. Der Impfstoff muss bei minus 80 Grad gelagert werden, wenn er über einen längeren Zeitraum halten soll, wenn er bald gebraucht wird, reichen minus 20 Grad. Ist der Impfstoff aber erst einmal aufgetaut, muss das Vakzin binnen sechs Stunden verabreicht werden.

4. SO WIRKEN DIE EINZELNEN IMPFUNGEN
Bei dem Hoffnungsträger zum Schutz vor Covid-19 von Biontech/Pfizer handelt es sich um einen sogenannten RNA-Impfstoff, einen bislang völlig neuen Mechanismus. Hier dient ausgewähltes Genmaterial des Erregers, das in die menschliche Zelle eingeschleust wird, dieser als Bauanleitung für „Virusproteine“. Diese Eiweißbestandteile hält das Immunsystem für SARS-CoV-2, aktiviert die Abwehrzellen und schaltet das Virus aus, bevor es Schaden anrichtet. Da nur einzelne Proteine produziert werden, ist dabei kein Infektionsrisiko vorhanden.

Bei den sogenannten Vektorimpfstoffen - wie jenem von Johnson&Johnson (USA) oder Russlands Sputnik V - wird das Genmaterial des Erregers in harmlose Trägerviren eingebaut und injiziert (Antigene). Das Immunsystem glaubt, es handelt sich um SARS-CoV-2 und bildet Antikörper. Klassische Totimpfstoffe - wie jener des chinesischen Pharmakonzerns Sinovac Biotech - beinhalten abgetötete, nicht mehr vermehrungsfähige Erreger. Deren Proteine veranlassen das Immunsystem zur Abwehr.

Muss „BNT162b2“ zweimal (innerhalb von vier Wochen) injiziert werden, reicht beim Vakzin von Johnson&Johnson eine Dosis: „Es bleibt unser Ziel, es Anfang 2021 nach Zulassung für den Notfallgebrauch bereitstellen zu können“, so Forschungschef Dr. Paul Stoffels.

5. DIESE IMPFSTOFFE BEFINDEN SICH IN DER WICHTIGEN PHASE 3
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) befinden sich derzeit Impfstoffe der Firmen BioNTech/Pfizer (USA), AstraZeneca (Oxford University, GB), Moderna (USA), Sinovac Biotech, Sinofarm (beide China), Natl.Gamaleya Forschungszentrum (RUS), Johnson&Johnson (USA) CanSino Biologics (China) und Novavax (USA) in der klinischen Phase 3 der Impfstoffherstellung. Sinovac Biotech musste in Brasilien einen Rückschlag hinnehmen, AstraZeneca unterbrach seine Studie nach dem Auftreten von Nebenwirkungen bei einem Probanden.

Trotz Euphorie um Corona-Impfung „Vorsicht geboten“
Experten wie Samira Hurst, Vizepräsidentin der Covid-19-Task-Force des Schweizer Bundesamts für Gesundheit, mahnen zur Vorsicht, bis weitere wissenschaftliche Daten zur Verfügung stehen. Zudem mahnt sie: Bis Herbst 2021 würden allfällige Impfungen keine Auswirkungen auf die derzeit geltenden Maßnahmen haben. Österreichische Molekularbiologen der MedUni Wien wiesen zudem darauf hin, dass es keine Maßnahme für sich allein schafft, die Infektion komplett zu unterbinden.

Herdenimmunität mit diesen Impfstoffen nicht möglich
Dies sagte im „Morgenjournal“ auch der Virologe Dr. Herwig Kollaritsch, der darüber hinaus darauf hinwies, dass die derzeitigen Impfstoffe für keine Herdenimmunität sorgen. Die Impfung schütze vorrangig die Person, man trage das Virus aber weiter in sich und könne es auch weitergeben. Die Verbreitung könnte dadurch zwar eingeschränkt werden, „das wissen wir aber noch nicht genau“, so Kollaritsch, der Mitglied der Corona-Taskforce des Gesundheitsministeriums sowie des nationalen Impfgremiums ist. In erster Linie sei also keine Verdrängung des Virus möglich, es gehe dabei vorrangig darum, dass der Geimpfte nicht erkrankt.

krone.at/Kronen Zeitung

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