Die Wiener Grünen hoffen noch, sie klammern sich an jeden Strohhalm. Sollten die Koalitionsverhandlungen zwischen der SPÖ und den NEOS scheitern, würde Grünen-Chefin Birgit Hebein sofort die zweite Geige spielen. Wenn dem nicht so ist, gehen viele Millionen Euro, Jobs und Macht den Bach runter.
Wenn die Verhandlungen scheitern, wäre Hebein die große Gewinnerin. Sie könnte - mangels Alternativen für die SPÖ - den Preis besonders hoch treiben. Die NEOS draußen, die ÖVP kein Koalitionspartner für die Roten, die FPÖ schon gar nicht. Welch ein Moment der Freude für die Grünen. Nur: So wird es nicht kommen. Auch Bürgermeister Michael Ludwig weiß, dass im Falle des vorzeitigen Platzens der rosaroten Gespräche die SPÖ Richtung Grün ausblutet. Die Punschkrapfen-Koalition zieht ins Machtzentrum des Rathauses. Es ist fix.
Und für die Grünen bedeutet das: loslassen. Loslassen von Top-Jobs und vielen Millionen Euro. Die Rede ist aktuell von rund 50 Jobs, die direkt und indirekt mit einer grünen Regierungsbeteiligung zu tun haben. Diese Zahl kommt einer Sprecherin von Hebein hoch vor: „Im Büro gibt es rund sechs Personen, die politische Verträge haben und an Legislaturperioden gebunden sind.“ Aber grüne Strukturen reichen weiter als ins Vorzimmer der einstigen Vizebürgermeisterin - die Ranken flechten sich bis etwa zur Mobilitätsagentur, einem Versorgungs-Eldorado für Grüne aller Art. Seit dem Regierungseintritt der Grünen in Wien wurden rund 22 Millionen Euro in diese Institution gebuttert. Kaum vorstellbar, dass Rot-Pink an dieser Einrichtung festhält. Aktuell sind dort zehn Mitarbeiter beschäftigt.
Die Grünen selbst sind in einer Art Schockstarre. Noch sind es nur Stimmen aus dem Off, aber die Kritik an Chefin Hebein beginnt bereits. Ihre Art dem Bürgermeister gegenüber wird von vielen kritisiert. Ein hochrangiger Grüner, der (noch) anonym bleiben will: „Das einzig Gute an der aktuellen Situation ist, dass sich Hebein wird verabschieden müssen.“
Das sagen die Politologen
„Für uns Grüne stehen die Türen offen.“ Immer wieder wiederholte Hebein diesen Satz Richtung Stadtchef Ludwig. „Ein unsouveräner Auftritt! Verzweifelt!“, sagt Politologe Thomas Hofer. Jetzt starten bei den Grünen interne Querelen, bei den NEOS die Suche nach einem Vorzeigeprojekt. Jene mit den NEOS ist die billigste, aber auch die innovativste Koalition für Ludwig. Bei den Grünen wird schon „intern diskutiert, wer jetzt die richtige Person für die Oppositionsführung ist“, erklärt Hofer. „Hebein war für viele nicht die Favoritin.“ Die Kunst liegt darin, den Streit nicht auf dem Balkon, sondern im Wohnzimmer auszutragen. Politologe Peter Filzmaier weiß: „Strategisch bleibt den Wiener Grünen nur der Weg der fundamentalen Opposition.“ Sprich, immer gegen die Stadtregierung sein und zurück zur Kontrollpartei.
Umgekehrt werden die NEOS die Rolle der Kontrollpartei nicht ausüben können, wenn sie selbst die Regierung sind. „Die NEOS bekommen ein, zwei Vorzeigeprojekte, die groß genug, aber für die SPÖ belanglos sind“, so Filzmaier. „Was ist sozusagen die Mariahilfer Straße der Pinken?“
Michael Pommer und Maida Dedagic, Kronen Zeitung/krone.at
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