"Fahne geschmäht"

Anti-Italien-Plakat sorgt in Südtirol für Zündstoff

Tirol
14.10.2010 15:30
Die Bozner Justiz ermittelt gegen zwei Landtagsabgeordnete der Partei Süd-Tiroler Freiheit, die für eine Loslösung ihrer Region von Italien durch eine Volksabstimmung eintritt. Stein des Anstoßes ist die jüngste Plakataktion der Fraktion mit dem Titel "Auf Italien kann Südtirol verzichten" anlässlich des 90. Jahrestags der Annexion. Nach Angaben der Politiker geht es um das Delikt "Schmähung der italienischen Fahne".

Am Mittwoch wurden laut Eva Klotz (Bild), Tochter des Südtiroler Freiheitskämpfers Georg Klotz, und Sven Knoll bei einer Plakatierfirma in Bozen 800 Sujets, die auch in Tirol angebracht werden sollten, beschlagnahmt. Abgebildet ist darauf ein Besen, der die italienische Fahne vor sich her schiebt und eine weiß-rote Tiroler Spur nach sich zieht.

Damit solle laut den beiden Politikern zum Ausdruck gebracht, dass Südtirol einen Großteil seiner Kraft dafür verwende, die Probleme zu beseitigen, die ihm von Italien eingebrockt würden. Ganz bewusst sei als Symbol für Italien das Staatssymbol der Trikolore-Fahne gewählt worden, um damit unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, dass sich die Kritik nicht gegen die Italiener in Südtirol richte, sondern gegen den italienischen Staat.

"Eine Blamage für Italien"
Dass die Anzeige der Staatsanwaltschaft ausgerechnet auf "Schmähung der Fahne" laute, spotte jeder Rechtsstaatlichkeit und sei "eine Blamage für Italien", meinen die beiden Abgeordneten. Der Paragraf stammt nämlich pikanterweise aus der Faschisten-Zeit. In Österreich gibt es übrigens ähnliche Bestimmungen, wobei allerdings nur die Flaggenverbrennung mit bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe belegt werden kann. Grafische Verfremdungen bzw. "Schmähungen" der Nationalflagge werden in der Regel als Meinungsfreiheit gewertet und nicht verfolgt.

Die "Südtiroler Freiheit" beschuldigen die italienische Justiz, mit zweierlei Maß zu messen. Bereits bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Plakataktion habe man die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht, dass derzeit Zuckersäckchen in Bars und Geschäften kursierten, auf denen Mussolini mit seinen schlimmsten Sprüchen sowie die italienische Trikolore mit dem Liktorenbündel (altrömisches Symbol der Faschisten) darauf abgebildet seien. Obgleich es sich dabei eindeutig um eine Straftat handle, habe die Staatsanwaltschaft bisher nicht einmal Ermittlungen eingeleitet.

Dass für die italienische Staatsanwaltschaft ein Besen offensichtlich eine schlimmere Beleidigung darstelle als das faschistische Liktorenbündel auf der italienischen Fahne, bedürfe keines weiteren Kommentars, kritisierten Klotz und Knoll.

Kritik auch von SVP und Freiheitlichen
Schützenhilfe für die Süd-Tiroler Freiheit kam am Donnerstag von der Südtiroler Volkspartei (SVP) und von den Freiheitlichen. SVP-Kammerabgeordneter Karl Zeller verwies darauf, dass das italienische Parlament 2006 ein Gesetz genehmigt habe, mit dem die Meinungsfreiheit neu geregelt wurde. Die "völlig überzogenen Strafen des faschistischen 'Codice Rocco'" für Schmähung der italienischen Fahne seien damals drastisch gesenkt worden, eine Reihe von Meinungsdelikten, wie der Angriff auf die Einheit des Staates, sei abgeschafft worden. Seither werde die "Schmähung der italienischen Fahne" nicht mehr mit einer Haftstrafe von ein bis drei Jahren, sondern lediglich mit einer Geldbuße von 1.000 bis 5.000 Euro geahndet. Ihn verwundere es daher, dass in diesem Fall "wegen einiger Plakate so massiv vorgegangen" werde.

Der freiheitliche Landesparteiobmann Pius Leitner nannte das Vorgehen gegen die beiden Abgeordneten "unverständlich und anachronistisch". Man müsse mit dem Inhalt bzw. mit der Gestaltung des Plakats nicht einverstanden sein, man könne auch laut Kritik dazu äußern, die freie Meinungsäußerung müsse "im Zweifelsfalle aber im Vordergrund stehen". Die Staatsanwaltschaft solle "bei Voltaire nachlesen anstatt immer wieder solche unangemessenen Schritte" zu setzen, verlangte Leitner.

Von Faschisten unterdrückt
Das vormals dem Österreichischen Kaiserreich zugehörige Südtirol wurde nach dem ersten Weltkrieg von italienischen Truppen besetzt und im Herbst 1919 im Vertrag von Saint-Germain dem Königreich Italien zugesprochen und von ihm annektiert. So hatten es die Mächte der Entente in London 1915 vereinbart, um das neutrale Italien für den Eintritt in den Krieg auf ihrer Seite zu gewinnen. Die Machtergreifung der Faschisten in Italien 1922 führte zu Repressionen gegen die Tiroler beziehungsweise deren Kulturgut.

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