10.07.2020 19:05

Mord in Gerasdorf

„Warum bringt Putin bei uns Menschen um?“

Er kannte jenen Mann persönlich, der in Gerasdorf mit einem Kopfschuss regelrecht hingerichtet wurde: Khuseyn Iskhanov hat in beiden tschetschenischen Kriegen gekämpft, dazwischen war er Abgeordneter zum tschetschenischen Parlament. Er weiß Bescheid über den Beitrag im ukrainischen Fernsehen, der Martin B. zur Zielscheibe gemacht hat. Er kennt die Familiengeschichte, weiß, dass dem Mord Jahre der Verfolgung vorangegangen waren. Und er ist sich sicher: Diese Morde haben System. Was zu tun wäre, wie die Propagandamaschinerie des tschetschenischen Präsidenten in Österreich funktioniert und warum sich kaum etwas ändern wird, solange in Moskau Wladimir Putin das Sagen hat - das haben Iskhanov und die ehemalige Osteuropakorrespondentin Susanne Scholl bei „Moment Mal“ mit krone.tv-Journalistin Damita Pressl besprochen.

Vor einem Einkaufszentrum nahe Wien wurde ein Tschetschene (43) mit einem Kopfschuss regelrecht hingerichtet. Das Opfer, Martin B., war ein Gegner des gefürchteten tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow. Der Killer wurde wenige Stunden später in Linz gefasst. Der Fall ging als mutmaßlicher Auftragsmord um die Welt. Denn Martin B. hatte Videos veröffentlicht, in denen er Kadyrow beschimpfte. Das eigentliche Problem dürfte aber ein ganz anderes gewesen sein: Im ukrainischen Fernsehen hatte Martin B. offen über Auftragsmorde gesprochen, die ihm zugetragen worden waren. Das, so Iskhanov, war der Anfang vom Ende.

„Auftragsmorde funktionieren im Grunde sehr einfach“, weiß die ehemalige Osteuropakorrespondentin Susanne Scholl. Sie hat aus Moskau berichtet, aber auch aus Tschetschenien. „Da sagt jemand an oberster Stelle: ,Der stört mich‘“, so Scholl. Dann sickere die Botschaft so lange herunter, bis jemand Geld für den Auftrag bekomme. Wer verantwortlich ist, ist für Scholl klar: „Herr Kadyrow sitzt dort von Putins Gnaden. Solange er den Kaukasus ruhig hält, kann er tun und lassen was er will.“

Iskhanov sieht das ähnlich. Der Fall in Gerasdorf ist nicht der einzige. In Deutschland, in Frankreich, in Schweden sind tschetschenische Regierungskritiker attackiert worden. „Und niemand fragt: ,Putin, warum kommst du in unser Land Menschen umbringen?‘“, beklagt Iskhanov. Er fordert von Österreich, den Fall als politischen Mord zu behandeln.

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