„Krone“-Analyse

ÖVP und Grüne: Leben und leben lassen

Österreich
03.01.2020 06:00

Seit dem Weltkriegsende gab es nur fünf Parteien in der Regierung: ÖVP, SPÖ und FPÖ. Plus ganz am Anfang die KPÖ und vorübergehend das BZÖ als Abspaltung. Mit den Grünen als Mit-Regierenden passiert also etwas, das lediglich alle paar Jahrzehnte geschieht …

Ist es aber auch eine inhaltliche Revolution? In 300 Seiten Regierungsprogramm steht viel. Steuersenkung, Pflegeversicherung, Sicherungshaft, Öffi-Ticket, Transparenz. Spannend war, was Wiederkanzler Sebastian Kurz und sein Vizekanzler Werner Kogler besonders betonten.

Ja, es gibt einige Wohltaten im Regierungsprogramm. Gegen einen höheren Familienbonus und ein preisgünstiges Ticket für alle öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich wird kaum jemand etwas haben. Letzteres macht auch umweltpolitisch viel Sinn. Und gegen Kinderarmut sind hoffentlich sowieso alle. Zugleich wird aber das Nulldefizit beschworen. Die genannten Dinge bedeuten mehr Ausgaben und weniger Einnahmen des Staates. Also muss anderswo gespart werden. Bundesheer und Justiz sollten sich keine großen Hoffnungen auf eine wirkliche Lösung ihrer Finanzprobleme machen.

Beim emotionalen Reizthema Zuwanderung und Asyl behilft man sich auch mit Symbolen. Die ÖVP verweist auf das Kopftuchverbot für Schulen und Sicherheitshaft für kriminelle Asylwerber. Das eine kostet nichts, das andere sehr wenig. Mit beidem zugleich gibt die ÖVP den Grünen aber viel zu schlucken.

Was als Wunsch der Grünen uneingeschränkt gut ist, wenn nicht das Kleingedruckte irgendwelche Ausflüchte enthält: Dass der Rechnungshof in Parteikassen schauen darf und nicht mehr alles ein Amtsgeheimnis ist, was der Staat so tut. Der Elchtest für transparente Regierungsparteien ist da freilich, ob es auch Strafen für Zuwiderhandeln oder gar Mogeleien gibt. Sollte die „kalte Progression“ abgeschafft werden - eine versteckte Steuermehrbelastung, die sich aus der jährlichen Preissteigerung ergibt -, wäre das viel wert.

Ein bisschen unklar bleibt die Frage einer CO2-Steuer. Eine solche wollten die Grünen. Genauso trommelte die ÖVP: „Keine neuen Steuern!“ Na ja, eine Ökologisierung von Flugticketabgabe und Lkw-Maut ist formal keine Steuer, doch etwas Ähnliches. Überhaupt wird zunächst einmal typisch österreichisch eine Arbeitsgruppe eingeführt, die Wirtschaft, Steuern und Umwelt miteinander verknüpfen soll. In Summe haben sich ÖVP und Grüne nach dem Motto „Leben und leben lassen!“ zusammengefunden. Schauen wir mal.

Peter Filzmaier, Kronen Zeitung

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