258 Anzeigen in Wien

Mit „Null-Toleranz“ gegen Gewalt an Schulen

Wien
16.10.2018 17:46

„Ein gewaltfreies Klima an unseren Schulen schaffen“ - unisono in dieses Horn gestoßen haben am Dienstag der Bildungsdirektor des Wiener Stadtschulrats, Heinrich Himmer, und der Landespolizei-Vize, Michael Lepuschitz. Nachdem es in der Vergangenheit nun immer wieder zu schweren, teils sogar lebensbedrohlichen Auseinandersetzungen unter Schülern gekommen war, wurden nun zum ersten Mal überhaupt konkrete Zahlen zu den 258 angezeigten Delikten bekannt gegeben. Stolze 90 Prozent davon betreffen „strafbare Handlungen gegen Leib und Leben“. Gleichzeitig habe man jetzt ein umfassendes Maßnahmenpaket geschnürt, mit dem man die angepeilte „Null-Toleranz“ gegenüber Gewalt an und um die Schulen durchsetzen will.

Zweimal hatte der Stadtschulrat zum „Runden Tisch gegen Gewalt an Schulen“ geladen, nachdem es immer öfter zu gewalttätigen Eskalationen gekommen war, wie etwa am Polytechnikum im 18. Bezirk. Mit dabei waren 46 Repräsentanten aus den Bereichen Sicherheit, Bildung und Jugend, Lehrer-, Schüler- und Elternvertreter, alle im Wiener Gemeinderat vertretenen Parteien sowie Vertreter der Religionsgemeinschaften. Himmer betonte, dass „eine klare Null-Toleranz-Haltung gegenüber Gewalt an Schulen Konsens aller am Runden Tisch Beteiligten gewesen ist“. Solange es Gewalt in der Schule gebe, „müssen wir etwas dagegen tun“.

Erste Statistik mit „Dunkelfeld“
Erstmals überhaupt wurden nun konkrete Zahlen zu den Anzeigen, Delikten und Suspendierungen von Schülern in Wien genannt. Da man bisher nur über grobe Statistiken zu allen Bildungseinrichtungen verfügte, mussten jene für Schulen und Schüler erst eigens herausgefiltert werden. „Die tatsächlichen Zahlen“, urteilte Polizeigeneral Michael Lepuschitz, „seien relativ gering. Es gibt aber ein Dunkelfeld“.

Meist Delikte gegen Leib und Leben
Insgesamt konnten für das Schuljahr 2017/18 den 700 Schulen der Stadt genau 258 Anzeigen dem unmittelbaren Schulumfeld - das auch den Nahbereich der Gebäude einschließt - zugeordnet werde. Je nach Schultyp variiert die Verteilung naturgemäß stark. D. h., während auf Volksschulen mit gut 70.000 Schülern relativ wenige Anzeigen anfallen, sind es an den Neuen Mittelschulen (NMS) 138 bei rund 30.500 Schülern.

90 Prozent sind Körperverletzungen
Die NMS sind es auch, in denen am häufigsten Schüler suspendiert werden. Die meisten „Täter“ sind zwölf bis 15 Jahre alt, in rund 90 Prozent werden Körperverletzungen begangen. Eine Suspendierung dauert im Schnitt zwölf Tage. Das Gros - nämlich 229 Anzeigen - entfällt dabei auf Körperverletzungen. Da die Erhebung die bisher einzige ist, gibt es noch keine Vergleichszahlen. Nicht erhoben wurde bisher, gegen wen sich das Delikt im Einzelfall gerichtet hat. Man gehe aber davon aus, „dass es meist Schüler untereinander betrifft“, so der Polizeigeneral.

Maßnahmenpaket gegen Gewalt
Um einer Eskalation von Gewalt nun entgegenzusteuern, habe man sich mit den Teilnehmern am Runden Tisch auf zahlreiche Maßnahmen verständigt. Mittels Infobroschüren für Schüler, Eltern, Lehrer wird auf Pflichten und Rechte der Schüler ebenso eingegangen, wie auf rechtlich einwandfreies Vorgehen für Erziehungsberechtige und Lehrer. So soll ein besseres Zusammenleben in der Schule gelingen. Die Flyer werden in den kommenden Wochen an alle Schulen übermittelt und auch online auf der Homepage des Stadtschulrats abrufbar sein.

In einem Pilotprojekt soll an den Polytechnischen Schulen, die oftmals als Brennpunkt-Schulen im städtischen Bereich gelten, erprobt werden, welche der folgenden Maßnahmen besonders gut funktionieren:

  • Gewaltprävention mit Grätzl-Polizisten, die als Ansprechperson für die Schuldirektionen gelten und ggf. weitere Maßnahmen vermitteln. Jeder Standort setzt zudem mit der Exekutive ein Gewaltpräventionsprojekt um.
  • Im Fall einerSuspendierung solle der Schüler diese nicht mehr als „gewonnene Freiheit“ empfinden, konstatierte der Bildungsdirektor. Künftig solle auch die „Erbringung des Lehrstoffs“ während der Suspendierung nachgewiesen werden. Außerdem gibt es „nur für die Betroffenen“ verpflichtende Gespräche mit eigens geschulten Polizisten in Zivil - denn man wolle vermeiden, „dass die Polizei als Feind gesehen wird“, so Wiens Polizei-Vize. Die Standpauke der Beamten soll dabei die rechtlichen Konsequenzen von Gewalt beinhalten. Die Schulpsychologie - diese wurde bisher gerade einmal von rund zehn Prozent der Suspendierten in Anspruch genommen - soll, ebenso wie die Vorladung der Erziehungsberechtigten, verpflichtend sein.
  • Deutschförderung, zusätzlich zum Regelunterricht als Gewaltpräventionsmaßnahme im Umfang von 800 Stunden, je nach Bedarf eingesetzt und verteilt. Das Ziel laut Bildungsdirektor Himmer: „Schüler sollen lernen, bei Konflikten Worte zu nutzen und nicht die Fäuste sprechen zu lassen.“
  • Alle Schulen führen ein Projekt zur Drogenprävention durch.
  • Schulungen zum Thema Rechtssicherheit durch die Pädagogische Hochschule
  • Eigenes Projekt zur Aufdeckung bzw. Bekämpfung von Radikalisierungstendenzen. „Auch das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist eingebunden“, ergänzte Lepuschitz.
  • Auch nach der Suspendierung sollen die Fälle nicht im Aktenberg untergehen. Eigene Case Manager sollen die Entwicklung der Schüler im Auge behalten.

Umverteilen heißt auch wegnehmen
Was die künftige Finanzierung dieser und derartiger Maßnahmen im Ganzen angeht, so baut Himmer auf den sogenannten Chancenindex. Auf Basis dessen soll es möglich sein, „wo mehr Ressourcen gebraucht werden“. Bei dieser Umverteilung der Mittel sei es auch klar, dass man „den anderen (Schulen, Anm.) dabei etwas wegnehmen wird“, ließ Himmer keinen Zweifel an der beabsichtigten Vorgehensweise. Das gleiche gelte für die Zuteilung von Sozialarbeitern. Von der Stadt Wien gibt es laut dem Bildungsdirektor jedenfalls ein „Bekenntnis“, zu den 27 vorhandenen weitere Schulsozialarbeiter zu finanzieren.

Übrigens: Das Konzept des Runden Tisches zum Thema Bildung soll beibehalten werden - im Idealfall bis zu zwei Mal jährlich. Die statistischen Entwicklungen sollen so im Auge behalten werden. Wichtig ist, „dass es auch weiter einen Schulterschluss aller Akteure für die Bekämpfung von Gewalt an Schulen gibt“, schloss Himmer.

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