Krankenhaushygiene

Haben Sie schon Ihre Hände desinfiziert?

Gesund
30.06.2018 06:00

Eine Frage, die schon Ignaz Semmelweis Mitte des 19. Jahrhunderts gestellt hat, und damit Leben rettete. Das gilt heute mehr denn je - moderne Keime werden immer aggressiver.

Sie kennen die kleinen Flaschenbehälter mit dem Druckmechanismus, die am Eingang jedes Krankenzimmers und auch auf den dortigen Toiletten zu finden sind? Es handelt sich um die mittlerweile alltägliche Ausführung einer alten, aber damals revolutionären Idee, die Keimübertragung über die Hände des Arztes auf seine Patienten mittels Desinfektion zu verhindern.

Der genau vor 200 Jahren in Budapest geborene Ignaz Semmelweis bemerkte 1846 als Assistenzarzt in der geburtshilflichen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses, dass Schwangere, die von Ärzten und Studenten untersucht und entbunden wurden, häufiger an Kindbettfieber erkrankten und starben als jene, die von geistlichen Schwestern und Hebammen betreut wurden. Den Grund für die schweren Infektionen ortete der Chirurg darin, dass erstere regelmäßig Leichensektionen durchführten und einfaches Händewaschen mit Seife nicht ausreichte, die Keime zu reduzieren. Seine Anordnung, zur Reinigung Chlorlösung bzw. Chlorkalk zu verwenden, senkte die Müttersterblichkeit innerhalb kürzester Zeit von 12 % auf unter 2 %!

„Würde er jetzt leben, wäre Semmelweis sicher ein Favorit für einen Nobelpreis. Leider wurden seine großen Errungenschaften erst nach seinem Tod gewürdigt“, betonte Univ.-Prof. Dr. Markus Müller, Rektor der MedUni Wien beim Auftakt eines Fachsymposiums in Wien. Die Kritik an seinen Ärztekollegen, das vehemente, aggressive Einfordern der von ihm verlangten Desinfektionspraxis und die Patientenschaft von Frauen aus der Unterschicht, auch Prostituierten, verschafften dem als schwierigen Charakter verschrienen nicht Anerkennung, sondern Ablehnung aus den eigenen Reihen bis hin zur Verleumdung.

Mittlerweile gibt es in jedem Spital in Österreich einen genauen Hygieneplan nach WHO-Richtlinien zur Händedesinfektion mittels alkoholischer Lösungen. „Heute sind wir mit wesentlich gefährlicheren Keimen als damals konfrontiert, die vor allem durch falschen und zu leichtfertigen Gebrauch von Antibiotika entstehen. Diese multiresistenten Keime können in Spitälern und Gesundheitseinrichtungen für ohnehin schon geschwächte Patienten zur Bedrohung werden“, plädiert Dr. Bernhard Küenburg, Präsident des Semmelweis-Vereins (www.semmelweis.info) für weiteren Ausbau der einfachen Hygienemaßnahme. Das sollte bald so selbstverständlich sein, dass Patienten im Zweifel bei einer Visite sogar fragen könnten: „Herr Professor, haben Sie sich schon die Hände desinfiziert?“

„Die systematische Förderung der Handhygiene kann bis zu 8 Millionen Leben pro Jahr retten“, lieferte Prof. Dr. Didier Pittet, Genfer Universitätskliniken, externer Leiter des WHO-Programms „Clean Care is Safer Care“ beim Symposium beeindruckende Zahlen.

So viele Leben Dr. Semmelweis bewahren konnte, sein eigener Tod mit nur 47 Jahren könnte tragischer nicht sein: Es wurde behauptet, er wäre - ausgerechnet - an einer Blutvergiftung verstorben, was immer noch fälschlicher Weise in zahlreichen Biografien zu lesen ist. Tatsächlich stellte sich bei einer Exhumierung 1963 aber heraus, dass der Mediziner zahlreiche Knochenbrüche, auch des Brustkorbs, erlitten hatte, die auf Misshandlung und Schläge zurückzuführen waren. Diese wurden ihm in der „Landesirrenanstalt Döbling“, nur zwei Wochen nach seine Zwangseinweisung, zugefügt. Beim Rektoratsgebäude am Gelände des Wiener AKH (Eingang Spitalgasse), würdigt eine Statue die Errungenschaften des großen Vordenkers.

Karin Podolak, Kronen Zeitung

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