Staatsanwalt ermittelt

Strache: Keine Konsequenzen für Landbauer nötig

Österreich
24.01.2018 12:18

Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht beim niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer keine Notwendigkeit für Konsequenzen. Dieser war in Kritik geraten, nachdem antisemitische Liedtexte der Burschenschaft "Germania Wiener Neustadt", bei der Landbauer Mitglied ist, publik wurden - er stellte daraufhin seine Mitgliedschaft ruhend. Landbauer habe ihm versichert, dass er die Texte nicht kannte, so Strache am Mittwoch. Zudem hätten Burschenschaften "nichts mit der FPÖ zu tun". Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt leitete nun ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz ein.

In dem besagten Liederbuch werden der Judenmord und das Naziregime verherrlicht. Wörtlich heißt es dort: "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: 'Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million'", und weiter "Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäugiger Chines': 'Auch wir sind Indogermanen und wollen zur Waffen-SS.'" Strache erklärte, am Dienstag sei ein Liedtext aus der Verbindung aufgetaucht, in die Landbauer erst viel später eingetreten sei. Der Text sei "von wem auch immer" verfasst worden. Es handle sich um ein "wirklich widerliches und antisemitisches Lied", derartige Texte hätten in unserer Gesellschaft nichts verloren, so der FPÖ-Obmann.

"Hat mir versichert, dass er die Texte nicht kannte"
Zum Zeitpunkt, als das Liederbuch erstellt wurde, sei Landbauer elf Jahre alt gewesen und erst später in die Verbindung eingetreten. Die betreffenden Seiten sollen 1997/98 aus dem Buch gerissen oder geschwärzt worden und nicht in Verwendung gewesen sein. "Er hat mir versichert, dass er die Texte nicht kannte", so Strache.

Auf die Frage, ob nun - knapp vor der niederösterreichischen Landtagswahl am Sonntag - angesichts von Rücktrittsforderungen Konsequenzen nötig seien, sagte der Vizekanzler, Landbauer habe die Sache "sehr deutlich klargestellt" und selbst Aufklärung gefordert. Für den Text trage er keine Verantwortung. "Burschenschaften haben nichts mit der FPÖ zu tun", so Strache weiter. Komme es zu derartigen Vorfällen, sei dies "schärfstens zu verurteilen".

Blümel: Text "absolut indiskutabel"
Verurteilt wurden die antisemitischen Zeilen auch von Vertretern des Koalitionspartners. Der Text sei "absolut indiskutabel", so Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP), der ebenfalls Aufklärung forderte. Die Verantwortlichen sollen zur Verantwortung gezogen werden. Danach gefragt, ob damit dem Ansehen der Regierung im Ausland geschadet würde, sagte Blümel, er sei nun einige Male in Brüssel und Straßburg gewesen und dort würden die Inhalte des Koalitionsübereinkommens gut aufgenommen.

Man wolle daran gemessen werden, was man umsetze, bekräftigte der Minister das bekannte ÖVP-Wording. Auch Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) betonte, dass es keinen Platz für derartiges Gedankengut geben dürfe. Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal verwies auf die Tweets von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Dieser lobte am Mittwoch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und betonte: "Null Toleranz bei Antisemitismus, Rassismus und Verherrlichung der NS-Schreckensherrschaft."

"Aufklären oder sofort zurücktreten"
Von anderen Parteien hagelte es Kritik und Rücktrittsforderungen. Max Lercher, Bundesgeschäftsführer der SPÖ, sagte etwa, Landbauer müsse "die massiven Vorwürfe um das Liedgut seiner Burschenschaft aufklären oder sofort zurücktreten". Reinhard Hundsmüller, Landesgeschäftsführer der SPÖ Niederösterreich, forderte am Mittwoch ebenfalls Konsequenzen: Man wolle zwar keine "bombastischen" Rücktrittsforderungen an den FPÖ-Spitzenkandidaten stellen, aber "wenn man ein durchschnittlicher rechtstreuer Österreicher ist, weiß man, was man zu tun hat". Die SPÖ sieht neben der FPÖ aber auch ÖVP und Grüne in der Pflicht. Landbauer sitze als Stadtrat in Wiener Neustadt nämlich eigentlich auf einem Mandat der ÖVP, so Hundsmüller. Die Volkspartei sollte hier entsprechende Konsequenzen ziehen. NEOS-Chef Matthias Strolz unterzeichnete eine Petition, die den Rücktritt des Spitzenkandidaten der FPÖ Niederösterreich fordert.

Kultusgemeinde prüft rechtliche Schritte
Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) forderte am Mittwoch ebenfalls den Rücktritt des FPÖ-Spitzenkandidaten für die niederösterreichische Landtagswahl: Wenn Landbauer seine Distanzierung ernst meine, müsse er zurücktreten, so IKG-Präsident Oskar Deutsch. Erneut stehe ein FPÖ-Politiker aus dem deutschnationalen Lager im Mittelpunkt einer Affäre um NS-Verherrlichung und Holocaustrevisionismus, kritisierte Deutsch. "Wieder nötigt uns ein antisemitischer FPÖ-Skandal, unseren Gesprächspartnern in Brüssel zu versichern, dass die FPÖ nicht das wahre Österreich repräsentiert", so Deutsch, der sich am Mittwoch anlässlich der Schoah-Gedenkveranstaltung im Europäischen Parlament in Brüssel befand. "Anstatt Österreich von Kellernazis zu befreien, hievt die FPÖ deutschnationale Burschenschafter in Spitzenfunktionen von Ländern und Bund."

Die IKG prüft nun juristische Schritte zur Klärung der Verantwortlichkeit für das Liederbuch der "Germania", hieß es in der Aussendung. Die Behörden seien aufgerufen, die "Germania" und andere deutschnationale Burschenschaften unter Beobachtung zu stellen, forderte Deutsch. "Österreich ist nämlich anders als es die FPÖ erscheinen lässt."

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