Aribert Heim tot?

Nazi-Jäger suchen nach dem Grab von “Dr. Tod”

Ausland
06.02.2009 11:44
Nach den Enthüllungsberichten von ZDF und "New York Times", wonach der zuletzt meistgesuchte Nazi-Verbrecher Aribert Heim schon vor 17 Jahren in Kairo an Krebs gestorben sein soll, machen sich jetzt Nazi-Jäger auf, Beweise für das Ableben des als "Dr. Tod" berüchtigten KZ-Arztes zu finden. Laut seinem Sohn Rüdiger soll Aribert Heim 1992 auf einem muslimischen Armenfriedhof in der ägyptischen Hauptstadt beerdigt worden sein. "Wir haben kein Grab, wir haben keine Leiche, wir haben keine DNA", sagte der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Ephraim Zuroff. Deutsche Fahnder wollen deshalb nach Ägypten. In Österreich prüft das Justizministerium die Berichte zu Heims angeblichem Tod.

Sterbliche Überreste bzw. einen DNA-Beweis auf dem Armenfriedhof zu finden, dürfte aber extrem schwierig werden – die dortigen Gräber werden schon nach wenigen Jahren wieder für neue Bestattungen freigegeben. Die Nazi-Jäger sind jedoch entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.

Der Chef der im deutschen Ludwigsburg ansässigen weltweit größten Fahndungsstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Kurt Schrimm, hatte Heim zuletzt in Südamerika oder Spanien vermutet. Es hatte letztes Jahr sogar Berichte gegeben, wonach Heim in Lateinamerika gesehen worden sein soll. Mittlerweile wäre der "Schlächter von Mauthausen" 95 Jahre alt. Man habe zwar "ernstzunehmende Informationen", wonach der seit 1962 gesuchte Nazi-Verbrecher 1992 in Kairo gestorben sei, "für einen 100-prozentigen Beweis brauchen wir die sterblichen Überreste des Toten". Deutsche Fahnder wollen in Ägypten darum nach der Leiche des ehemaligen KZ-Arzts suchen lassen.

"Ohne Leiche gilt Fall nicht als geklärt"
"Ich bin noch nicht überzeugt, dass das Ergebnis richtig ist", sagte der stellvertretende Leiter der Ludwigsburger Zentralstelle, Joachim Riedel. "Es kann gut sein, dass da jemand an der Nase herumgeführt werden soll", meinte er. Erst in der vergangenen Woche habe seine Behörde einen anonymen Hinweis erhalten, nach dem Heim lebe und in Spanien wohne. Zwar habe ihn der jüngste Bericht über den NS-Verbrecher nicht überrascht. "Aber es hat mich zum einen irritiert, dass es angeblich eigenartige und nicht bestätigte Geldflüsse an Heims Sohn gegeben haben soll", sagte Riedel weiter.

Zum anderen sei es verwunderlich, dass Heims Familie in Baden-Baden den gesuchten Schergen nicht schon längst für tot erklärt habe. "Diese Konstellation ist eigentlich gut für alle Varianten, auch für die vom Tod Heims", sagte Riedel. Nicht zuletzt bei der weltweiten Suche nach dem berüchtigten KZ-Arzt Josef Mengele, der 1979 in Brasilien gestorben war, hatte es ähnliche Verwirrungen gegeben. Und auch bei Karl Adolf Eichmann, dem Organisator der Deportation von Millionen Juden in die Lager, seien nachweislich falsche Spuren gelegt worden. Heims Flucht 1962 aus seinem Haus in Baden-Baden bis nach Kairo sei "die typische Fluchtgeschichte eines gesuchten NS-Verbrechers", sagte Riedel.

Zuroff zu Sohn: "Entweder er log damals, oder er lügt heute"
Ephraim Zuroff vom Simon-Wiesenthal-Zentrum hegt den Verdacht, dass der in Baden-Württemberg lebende Heim-Sohn Rüdiger die ganze Sache orchestriert hat, um eine falsche Fährte zu legen. Rüdiger Heim habe früher ausgesagt, er habe keinen Kontakt zu seinem Vater gehabt. "Entweder hat er damals gelogen, oder er lügt heute", so Zuroff. Sollten sich die Todesnachrichten bestätigten, würde Zuroff "ein enormes Gefühl von Frustration und Enttäuschung empfinden, wenn Heim tatsächlich der Justiz entkommen wäre". Die Bemühungen, Heim zu finden, bereue er aber keinesfalls. "Im Jahr 2005, als wir begannen, wussten nur sehr wenige Menschen von seinen Verbrechen, und jetzt weiß die ganze Welt davon."

Justizministerium prüft Berichte
Auch das österreichische Justizministerium überprüft die Todesberichte über den weiterhin wegen mehrfachen Mordes gesuchten österreichischen KZ-Arzt. Nähere Angaben wurde aber dazu nicht gemacht. Die österreichische Regierung hatte im Jahr 2007 eine Prämie von 50.000 Euro für zweckdienliche Hinweise zur Ergreifung Heims ausgeschrieben. Österreich ist in den vergangenen Jahren immer wieder wegen seiner angeblich nachlässigen Haltung gegenüber gesuchten NS-Verbrechern kritisiert worden, vor allem vom Simon-Wiesenthal-Zentrum.

In Österreich ist seit langem ein Strafverfahren gegen den NS-Verbrecher Aribert Heim anhängig. "Bis es Gewissheit über einen möglichen Tod Heims gibt, bleibt das Verfahren aufrecht", sagte der Sprecher der Linzer Staatsanwaltschaft, Rainer Schopper am Donnerstag. Auch die Fahndung bleibt aufrecht. Bei einer Bestätigung des Todes würde das Verfahren nach Angaben Schoppers eingestellt werden, weil im Strafrecht Schuld nur lebenden Personen zugesprochen werden könnte.

Im März 1948 wurde laut Schopper vom Landesgericht Wien ein Verfahren gegen Heim eingeleitet, nachdem etwa ein Monat zuvor ein ehemaliger Häftling des Konzentrationslagers Mauthausen darüber geschrieben hatte, dass Heim Menschen "mit Benzin ins Herz" tötete. Das Landesgericht Wien erließ nach Voruntersuchungen über den mutmaßlichen Aufenthaltsort Heims in Deutschland im März 1950 einen Haftbefehl gegen den früheren KZ-Arzt. Die deutschen Justizbehörden wurden ersucht, den Beschuldigten zur Strafverfolgung nach Österreich auszuliefern.

Vom Amt des amerikanischen Hochkommissars für Österreich sei im Jänner 1951 die Information erfolgt, dass der Aufenthaltsort Heims in Deutschland nicht bekannt sei, so Schopper. Nach den heutigen Erkenntnissen hat Heim aber bis 1962 als Frauenarzt in Deutschland praktiziert. Erst ein deutscher Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde, ist er untergetaucht. 1959 wurde das in Wien anhängige Verfahren wegen der Tatortzuständigkeit an das Landesgericht Linz abgetreten, weil Heim Morde im ehemaligen oberösterreichischen KZ Mauthausen (mehr dazu siehe Infobox) angelastet werden.

"Schlächter von Mauthausen" schon seit 17 Jahren tot?
Den Recherchen von ZDF und "New York Times" zufolge konvertierte Heim an seinem Zufluchtsort Kairo Anfang der 80er-Jahre zur Tarnung zum Islam und trug seitdem den Namen Tarek Farid Hussein. Vorher habe er unter seinem zweiten Vornamen als Ferdinand Heim in Kairo gelebt, erzählte Heims Sohn Rüdiger. Er habe ihn Mitte der 1970er-Jahre erstmals in Kairo besucht und ihn später nach einer Krebsoperation Anfang 1990 über mehrere Monate gepflegt. 1992 sei Aribert Heim schließlich gestorben.

Nach Angaben seines Sohnes reiste Heim nach der Ausstellung des Haftbefehles 1962 über Frankreich, Spanien und Marokko auf dem Landweg nach Ägypten. Das Geld für seinen Lebensunterhalt sei ihm von seiner Schwester in unregelmäßigen Abständen überwiesen worden, berichtete das ZDF. Sie stammten demnach aus den Einnahmen eines Mietshauses in Berlin, das Heim gehörte.

Dokumente in Aktentasche gefunden
Bei Recherchen in Ägypten sprach das ZDF nach eigenen Angaben mit Augen- und Zeitzeugen und fand die Aktentasche Heims mit mehr als 100 Dokumenten (siehe Foto und Video oben). Unter ihnen befänden sich die Kopie eines ägyptischen Passes, Anträge auf Aufenthaltsgenehmigungen, Kontoauszüge, persönliche Briefe und medizinische Unterlagen, die Heim bis zu seinem Tod in seinem Zimmer in einem Kairoer Hotel aufbewahrt habe. Danach lasse sich "zweifelsfrei nachweisen", dass Hussein und der Nazi-Verbrecher ein und dieselbe Person seien.

Im ZDF-Interview berichtet Rüdiger Heim auch detailliert über die Begegnungen mit seinem Vater zwischen 1975 und 1992. Dabei habe er ihn auf die Vorwürfe angesprochen, die ihm im Detail aber erst ab der Berichterstattung über das sogenannte "Sühneverfahren" gegen Aribert Heim im Jahr 1979 bekannt geworden seien: "Dann habe ich ihm natürlich diese Frage gestellt, ob er diese Person ist. Und ich kann jetzt nur wiedergeben, was er mir gesagt hat - ich bin kein Staatsanwalt, ich bin kein Richter - er hat das von sich gewiesen." Ein Berliner Gericht hatte Heim damals in Abwesenheit zu einer Geldstrafe von umgerechnet 255.000 Euro verurteilt.

Hotel-Mitbewohner erinnert sich an "Doktor Tarek"
Um seine Spur zu verwischen, wurde aus dem "Schlächter von Mauthausen" ein zum Islam konvertierter "Doktor Tarek". "Das war ein richtiger Hüne, gesprochen hat er wenig, aber er hat nicht ein einziges Gebet in der Moschee verpasst", erinnert sich Gamal Abu Ahmed an seinen früheren Mitbewohner im Hotel "Kasr el Medina" in der Port-Said-Straße. Der frühere Kaufmann bewohnt laut einem Lokalaugenschein der Nachrichtenagentur Agence France Presse heute "Doktor Tareks" damaliges Zimmer im 6. Stock des Hotels, das einst wohl bessere Tage gesehen hat.

Die Enthüllung über die wahre Identität von "Doktor Tarek" - der sich den vollen Decknamen Tarek Hussein Farit hat mich das nie", sagt er. "Doktor Tarek" habe ein sehr geregeltes Leben geführt, "sportliche Übungen am Morgen, Gebete in der Moschee el Ashar, viel Lesen und Schreiben in einem Schaukelstuhl", berichtet Abu Ahmed. Der deutsche Botschafter in Kairo, Bernd Erbel, sagt, für ihn und seine Mitarbeiter sei "Doktor Tarek" ein Unbekannter. Für den Nazi-Arzt wäre das Risiko viel zu hoch gewesen, Kontakt mit der Botschaft aufzunehmen. Er gehe davon aus, dass Heim ägyptischer Staatsbürger geworden sei.

Wie der 1914 im österreichischen Bad Radkersburg geborene KZ-Arzt von Mauthausen in das Kairoer Hotel kam - Abu Ahmed kommt ins Grübeln. Dann fällt ihm aber ein, dass der Mann gute Beziehung zu den Hotelbesitzern, der Familie Doma, hatte und zum Geschäftsführer, einem deutschsprachigen Armeemitglied namens Mohammed Sherif. Die Familie Doma war auch im Besitz jener persönlichen Dokumente, die vom ZDF und der "New York Times" als Belege dafür angeführt werden, dass Doktor Tarek und Aribert Heim identisch sind. Tatsache ist, dass Ägypten für eine ganze Reihe flüchtiger Nazi-Schergen zum sicheren Hafen wurde. Sie profitierten von Freundschaften mit ranghohen Einheimischen im Umfeld von König Faruk, wie Historiker berichten.

"Er war sehr fromm"
Abu Ahmed erinnert sich auch daran, dass Doktor Tarek alle drei Monate von seinem Sohn aus Deutschland Besuch bekam. An dem Tag, an dem Doktor Tarek im August 1992 seinem Darmkrebsleiden erlag, sei der Sohn aber nicht dagewesen, versichert der Kaufmann. Doktor Tarek wurde nach seinen Aussagen morgens tot in seinem Zimmer gefunden. Ein Krankenwagen habe den Toten abgeholt. Weil nichts für die Beerdigung vorbereitet war, wurde Doktor Tarek alias Aribert Heim nach Abu Ahmeds Schilderung in einem Armengrab bestattet. Der Arzt habe ein einsames Leben geführt, sei nur wenig ausgegangen und habe kaum Besuch bekommen, berichtet sein einstiger Hotel-Nachbar. "Er war sehr fromm - einen Bart hat er zwar nicht getragen, sich aber auch nie glatt rasiert, und während des Ramadan hat er stets gefastet."

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