Massenexodus

Ägyptische Polizei geht gegen Palästinenser vor

Ausland
24.01.2008 14:06
Ägyptische Polizisten haben am Donnerstag offenbar damit begonnen, Maßnahmen gegen den ungehinderten Grenzübergang von Palästinensern aus dem Gaza-Streifen zu ergreifen. Die Beamten schlugen mit Stöcken auf die Motorhaube von Privatautos, um den Verkehr zurückzudrängen. Die ägyptische Regierung hat am Mittwoch den USA zugesagt, dass die von tausenden Menschen durchbrochene Grenze bald wieder geschlossen werden soll. Israel befürchtet, dass über die offene Grenze Waffen und Geld an Extremisten in dem von der radikalen Hamas beherrschten Gaza-Streifen gelangen.

Auch am Donnerstagmorgen strömten wieder mehrere tausend Menschen nach Ägypten. Sie kauften Lebensmittel, Benzin, Zigaretten und andere Güter. Andere besuchten Verwandte in Ägypten. Die Grenzöffnung war am Mittwochmorgen von bewaffneten Palästinensern erzwungen worden, die mehrere Löcher in die Sperranlagen sprengten. Aufgrund der Schließung der Grenze zwischen Israel und dem Gaza-Streifen hatte sich die Versorgungslage in dem schmalen Küstenstreifen dramatisch verschlechtert. Israel, das den Gaza-Streifen zum "Feindgebiet" erklärt hat, reagierte mit der Blockade auf den fortgesetzten Raketenbeschuss durch Extremisten.

Der UNO-Sicherheitsrat hat die Beratungen über eine Erklärung zum Ende der Gewalt auf Donnerstag vertagt. Der amtierende Ratsvorsitzende, der Libyer Giadalla Ettalhi, teilte am Mittwoch in New York mit, dass die Delegationen von 14 der 15 Mitgliedstaaten über den Text einig seien. Nur eine Delegation müsse sich noch mit ihrer Hauptstadt beraten, sagte Ettalhi in Anspielung auf die USA. Der vorliegende Textentwurf fordert "das sofortige Ende aller Gewalt, darunter auch des Abschusses von Raketen auf israelisches Gebiet und aller Aktivitäten, die internationalem Recht zuwiderlaufen und Zivilisten gefährden".

Hamsterkäufe in Ägypten
Gewaltige Menschenmassen - nach palästinensischen Schätzungen bis zu einer halben Million - hatten sich durch Lücken in der etwa zehn Kilometer langen Grenze nach Ägypten gedrängt. In den ägyptischen Städten Rafah und Al-Arish deckten viele Menschen sich bei Hamstereinkäufen mit Lebensmitteln ein, um dann wieder in den Gazastreifen zurückzukehren.

"Ich will Essen für meine Familie kaufen und auch meine Schwester in Al-Arish besuchen", sagte die 52 Jahre alte Mufida Abu Sarka, eine Mutter von fünf Kindern. Ein anderer Mann mit einer Ziege auf dem Arm sprang über eine niedrige Mauer zurück in den Gazastreifen. Er habe das Tier für 600 Schekel (gut 100 Euro) in Ägypten erworben und wolle es gewinnbringend im Gazastreifen weiterverkaufen, erklärte der 47-jährige Jamil Safi, der elf Kinder zu ernähren hat.

Auf dem Weg nach Rafah im südlichen Gazastreifen staute sich bereits in Khan Younis etwa sieben Kilometer vor der Grenze der Verkehr. Tausende waren in Bussen und Privatautos unterwegs, manche aus Neugier und andere in der Hoffnung, sich mit Nahrung und Treibstoff eindecken zu können. Angesichts der wachsenden Not in dem Autonomiegebiet am Mittelmeer gibt es auch immer mehr Menschen, die auf eine Flucht aus Gaza und ein besseres Leben im Ausland hoffen. Doch ägyptische Sicherheitskräfte errichteten auf Landstraßen der Sinai-Halbinsel Straßensperren, um ein Weiterreisen der Menschen zu verhindern.

Grenze seit Juni geschlossen
Die Grenze zu Ägypten war seit der gewaltsamen Machtübernahme der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen im Juni vergangenen Jahres abgeriegelt worden. Nach dem israelischen Abzug aus dem Gazastreifen hatten ägyptische Grenzschützer und EU-Beobachter im November 2005 gemeinsam mit der Palästinenserbehörde von Präsident Mahmoud Abbas (Fatah) die Kontrolle des Rafah-Grenzübergangs übernommen. Nach dem blutigen Sieg der Hamas über Fatah im Gazastreifen vor sieben Monaten verließen die EU-Beobachter den Posten. Die EU will mit der Hamas nicht zusammenarbeiten, weil diese als Terrororganisation eingestuft ist.

Gleichzeitig verschärfte Israel auf der anderen Seite die Blockadenmaßnahmen und Sanktionen weiter. Damit verstärkte sich für die 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen das Gefühl, im größten Gefängnis der Welt zu leben. Der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, waren die massiven Stromausfälle im Großraum Gaza zum Wochenbeginn, nachdem Israel die Treibstofflieferungen gestoppt hatte.

Israel will mit der Blockade die Hamas-Führung zwingen, die dauernden Raketenangriffe auf das israelische Grenzgebiet zu unterlassen. Seit Freitag erlaubt Israel nur noch die Versorgung der Gaza-Bevölkerung mit einem Minimum an Grundnahrungsmitteln. Es soll gerade so viel sein, dass eine humanitäre Krise vermieden wird, aber genug, um das Leben hart einzuschränken.

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