Am 16. Juli startet in den Niederlanden die Frauenfußball-EM. Das österreichische Nationalteam hat sich erstmals qualifiziert. Wir haben ÖFB-Teamkapitänin Viktoria Schnaderbeck in ihrem Heimatort Kirchberg zum Interview gebeten und mit ihr über die Chancen bei der EM, ihren Werdegang und die Situation im österreichischen Frauenfußball gesprochen. Oben im Video sehen Sie die 26-jährige Bayern-Spielerin im sportkrone.at-Wordrap.
sportkrone.at: Wie hast du deine Liebe zum Fußball entdeckt?
Viktoria Schnaderbeck: Ich habe schon als Kind immer mit den Burschen Fußball gespielt. Der TSV Kirchberg war mein erster Verein. In der Schule haben mich meine Freunde zum Training mitgenommen. Da war ich sieben Jahre alt. Es hat mir vom ersten Tag an unglaublich viel Spaß gemacht. Über die Jahre hinweg war ich das einzige Mädchen, aber das hat mir nie etwas ausgemacht.
sportkrone.at: Warst du als Kind kein typisches Mädchen?
Schnaderbeck: Nein. Stricken, Nähen oder Puppen spielen haben mich nicht interessiert. Ich war immer ein aktives Kind und habe auch andere Sportarten gerne ausgeübt, wie Volleyball oder Ski fahren. Am Ende blieb es aber beim Fußball.
sportkrone.at: Ab wann hast du gewusst, dass du Profifußballerin werden willst?
Schnaderbeck: Ich habe relativ schnell herausgefunden, dass ich sehr ehrgeizig bin. Erst letztens habe ich ein Interview von mir als Kind im Confetti TV gesehen und da habe ich gesagt: "Ich möchte einmal Profifußballerin werden." Ich wusste zum damaligen Zeitpunkt gar nicht, was das eigentlich bedeutet. Aber im zunehmenden Alter wurde es immer ernster und konkreter. Zuerst kam der Wechsel ins LAZ in Weiz, danach habe ich eine Saison in Graz gespielt und schließlich folgte der Schritt ins Ausland.
sportkrone.at: Du hast eigentlich als Stürmerin begonnen. Wie kam es zum Wechsel in die Verteidigung?
Schnaderbeck: Ich habe als Kind immer viele Tore geschossen. Mit 15 oder 16 habe ich dann ins offensive Mittelfeld gewechselt. Bei Bayern hat mich der Trainer zuerst im defensiven Mittelfeld eingesetzt und seit einigen Jahren spiele ich jetzt in der Innenverteidigung. Ich denke, vom Spielertyp her bin ich sehr flexibel, würde mich selbst aber als Defensivspielerin bezeichnen.
sportkrone.at: Mit welchen Vorurteilen warst du zu Beginn konfrontiert?
Schnaderbeck: Eigentlich gab es keine Vorurteile. Von meinem Heimatverein und meiner Familie habe ich immer die volle Unterstützung bekommen. Ab und zu kam von den Burschen aus der gegnerischen Mannschaft ein blöder Kommentar, aber das war dann schnell wieder vorbei, wenn ich ein Tor erzielt habe. Ich hatte immer das Gefühl, dass die Burschen aus meiner Mannschaft mich sehr geschätzt haben. Da gab es keine Zwischenfälle. Ich habe aber schon von Kolleginnen gehört, dass sie nicht in einer Burschenmannschaft mitspielen durften als Kind.
sportkrone.at: Wie kam der Wechsel nach München zustande?
Schnaderbeck: Ich habe mich persönlich erkundigt. Ich wollte mir mal anschauen, wie sie beim FC Bayern trainieren und so kam ein Probetraining zustande. Dann haben sie mich nochmal eingeladen zu einem zweiten Termin und dann kam das Angebot. Da war ich gerade 16 Jahre alt. Ich wusste damals, dass das mein großer Traum ist. Dennoch war der Schritt weg von zuhause schwierig. Ein Vorteil war sicher, dass gleichzeitig auch Carina Wenninger, eine Schulfreundin von mir nach München mitging. Ihr Papa hat uns in den ersten Jahren unterstützt. Auch der Umstieg ins deutsche Schulsystem war sehr schwierig, aber schlussendlich habe ich die Schule in München mit Abitur fertig gemacht.
sportkrone.at: Wie ist der Kontakt zu den männlichen Bayern-Profis? Triffst du David Alaba?
Schnaderbeck: Die Männer haben andere Pläne und andere Trainingsplätze. Man trifft sich immer wieder und plaudert auch kurz. Bei Medienterminen sehe ich David öfter. Aber so richtig engen Kontakt gibt es eigentlich nicht.
sportkrone.at: Ärgert dich der Vergleich zwischen Männer- und Frauenfußball?
Schnaderbeck: Nein, viele haben gar nicht den Einblick in den Frauenfußball. Es gibt ja auch Gemeinsamkeiten. Wir haben denselben Trainingsaufwand, dieselbe Professionalität. Die Unterschiede liegen bei Zuschauerzahlen, Medienberichterstattung und dem Finanziellen.
sportkrone.at: Es soll ja leider immer noch Leute geben, die Frauenfußball belächeln - wie gehst du damit um? Wie reagierst du auf herablassende Kommentare?
Schnaderbeck: Früher hat mich sowas schon geärgert. Mittlerweile interessieren mich solche Leute gar nicht mehr. Das soll nicht arrogant klingen, aber ich möchte mich mit jemanden, der diesen Sport ablehnt, nicht auseinandersetzen. Mich lässt das kalt. Blöde Sprüche haben mich eigentlich noch mehr gepusht.
sportkrone.at: Der Fußball ist eine riesige Männerdomäne - ist das unter euch Spielerinnen ein Thema? Sehr ihr euch als Vorreiterinnen?
Schnaderbeck: Eigentlich ist es bei uns kein Thema, weder im Nationalteam noch bei Bayern. Man nimmt das natürlich wahr. Aber für uns ist das eine Gegebenheit, die nun einmal so ist. Ich weiß, in Schweden gibt es viele Frauenfußballerinnen, die sehr feministisch eingestellt sind. Bei uns ist es nicht so ein Gesprächsthema. Natürlich sind wir Repräsentantinnen vom österreichischen Frauenfußball und nehmen mit unserem Auftreten eine Vorbildfunktion ein.
sportkrone.at: Sexualisierung wird im Sport häufig als Marketingzweck eingesetzt. So haben sich beispielsweise vor der WM 2011 einige deutsche Spielerinnen für den Playboy ausgezogen. Wie stehst du dazu?
Schnaderbeck: Das muss jede für sich entscheiden. Ich finde es ok, wenn sich eine Sportlerin noch anders vermarktet, aber der Sport muss im Vordergrund stehen. Lindsey Vonn ist ein gutes Beispiel dafür. Ihre Bikinifotos sind sicher eine Marketingstrategie, aber was sie in ihrer Sportlerkarriere geleistet hat und wie sie sich immer wieder nach schweren Verletzungen an die Weltspitze zurückgekämpft hat, das zählt. Und so wie sie als Frau auftritt, ist das ok. Sie bleibt dabei professionell und erfolgreich. Ich persönlich habe bewusst keine freizügigen Fotos auf meinen sozialen Netzwerken. Privat bleibt privat.
sportkrone.at: Kannst du von deinem Einkommen als Bayern-Spielerin leben?
Schnaderbeck: Ja, es ist wie ein gut bezahlter Job. Ich kann mir ein bisschen was auf die Seite legen.
sportkrone.at: Du studierst nebenbei Sportmanagement. Hast du schon Pläne nach dem Karriereende?
Schnaderbeck: Einerseits möchte ich mir mit dem Studium ein zweites Standbein aufbauen. Zum anderen hilft es mir nach dem Training den Kopf frei zu kriegen. Ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit zum Thema "Karriereende bei Fußballern". Ich möchte nach meiner Karriere im Sportbereich bleiben. Sportlerberatung könnte ich mir gut vorstellen. Ich will auf jeden Fall mit Menschen zusammenarbeiten.
sportkrone.at: Dein Vertrag beim FC Bayern läuft bis 2018. Gibt es andere Vereine, die dich interessieren würden?
Schnaderbeck: Ich fühle mich in München sehr wohl. Unser Trainer baut auf mich und ich bin schon sehr lange Stammspielerin. Viele Ligen in Europa sind schon sehr professionell, aber das müsste man sich nächstes Jahr genauer anschauen.
sportkrone.at: Bekommt der Frauenfußball in Österreich genug Aufmerksamkeit?
Schnaderbeck: Aktuell durch die EM schon, aber sonst leider nicht. Der Frauenfußball wird in Österreich teilweise gar nicht wahrgenommen. Ich würde mir gerne österreichische Spiele anschauen, aber da gibt’s gar keine Möglichkeit. Es erfolgt keine Berichterstattung über die östtlich hinten nach. Durch das Leistungszentrum in St. Pölten hat sich die Ausbildung stark verbessert. Aber was passiert danach? Für die Spielerinnen ist der Weg ins Ausland fast verpflichtend, auch weil das Niveau in der Liga nicht so hoch ist.
sportkrone.at: Wie könnte man die Situation in der österreichischen Bundesliga verbessern?
Schnaderbeck: Man müsste die ganze Liga professioneller gestalten. Es wäre einfacher, wenn die großen Klubs wie Rapid, Austria oder Salzburg auch Frauenteams aufbauen. Es muss Geld in die Hand genommen werden, damit die Spielerinnen professionell arbeiten können. So wäre die Liga auch für Spielerinnen aus dem Ausland attraktiver. Und wir wären international konkurrenzfähiger. Die mediale Berichterstattung muss sich ebenfalls steigern. Aber ich denke, das ist auch ein gesellschaftlicher Punkt. Ich habe das Gefühl, dass die Anerkennung für Frauensport generell in Österreich nicht so hoch ist, wie in anderen Ländern. Natürlich braucht man im Sport immer Erfolg um Aufmerksamkeit zu bekommen, aber man braucht auch Förderer und Unterstützer. In Deutschland hat sich in Bezug auf Frauenfußball viel getan, auch weil der Bayern-Präsident sich dafür eingesetzt hat. In Deutschland wird seit drei, vier Jahren ein Live-Spiel der Frauen-Bundesliga auf Eurosport übertragen. Es sind kleine Schritte, aber es geht voran.
Sportkrone.at: Was ist Dominik Thalhammer für ein Trainertyp?
Schnaderbeck: Er ist ein sehr akribischer und sehr ehrgeiziger Trainer. Immer fokussiert auf Detailarbeit und auf der Suche nach Dingen, die uns zum Vorreiter machen können. Egal ob im taktischen Bereich oder von der Spielidee her. Er ist sehr modern eingestellt, sehr fordernd, aber er gibt uns auch genügend Freiraum. Er fördert die Teamkultur und gibt uns die Möglichkeit, dass wir uns entfalten können. Dominik Thalhammer hat aus uns eine Siegermannschaft geformt. Er versucht immer auf die Spielerinnen einzugehen, sucht immer wieder das Gespräch und vermittelt uns die Dinge, die ihm wichtig sind.
sportkrone.at: Wo liegen die Gründe für den Erfolg des Nationalteams in den letzten Jahren?
Schnaderbeck: Es sind verschiedene Dinge. Wir haben uns schon 2012 für das EM-Play-Off qualifiziert, sind dann gegen Russland ausgeschieden. Die Mannschaft hat sich weiterentwickelt. Die Spielerinnen, die schon 2012 dabei waren, haben aus den Erfahrungen gelernt. Jede hat an sich gearbeitet. Viele Spielerinnen spielen mittlerweile im Ausland.
sportkrone.at: Was sind eure Stärken?
Schnaderbeck: Ich glaube, dass wir mittlerweile eine extrem gute Teammentalität haben, wo jede für die andere kämpft. Auch die Bereitschaft immer weiter zu machen, sich neu entwickeln zu wollen und nie aufzugeben zählt zu unseren Stärken. Sportlich gesehen sind wir gegen den Ball extrem stark. Dass wir unterschiedliche Systeme spielen können, macht uns als Gegner unberechenbar.
sportkrone.at: Wie sieht deine Rolle im Nationalteam aus?
Schnaderbeck: Ich bin sicher eine, die sehr viel kommuniziert. Als Kapitänin bin ich immer bemüht, dass das Gesamte passt. Der Austausch mit den anderen Spielerinnen ist mir wichtig. Ich bin aber auch jemand, der immer für einen Spaß zu haben ist. Auf dem Platz gebe ich immer Vollgas. Ich mag es nicht, wenn jemand nicht 100 Prozent gibt.
sportkrone.at: Was könnt ihr aus den letzten Testspielen für die EM mitnehmen?
Schnaderbeck: Das Match gegen Holland war das perfekte Lehrspiel. Wir waren nach drei Minuten 0:2 hinten, mit einem Eigentor. Das darf bei einer EM nicht passieren. Punkt. Das müssen wir aufarbeiten. Die Erfahrung war echt wichtig. In der zweiten Hälfte haben wir dann Moral bewiesen. Uns ist es wichtiger, solche Spiele zu spielen, aus denen wir lernen können um perfekt auf die EM vorbereitet zu sein.
sportkrone.at: Ihr trefft bei der EM in Gruppe C auf die Schweiz, Frankreich und Island. Wie schätzt du die Gegnerinnen ein?
Schnaderbeck: Frankreich ist für mich nicht nur Gruppenfavorit, sondern auch Titelfavorit. Island ist sicher unangenehm zu spielen, ähnlich wie bei den Männern. Eher unbekannt, aber sehr robust. Gegen die muss man erst einmal ein Tor schießen. Und die Schweiz hat eine Turniererfahrung mehr als wir. Die Gruppe hat es wirklich in sich. Die Gegner werden uns alles abverlangen.
sportkrone.at: Du hast in einem Interview gesagt: "Wir wollen eine Rolle und nicht um die goldene Ananas spielen." Was ist das konkrete Ziel bei der EM?
Schnaderbeck: Es geht darum, wie wir uns verkaufen. Ich möchte dort auftreten und uns als Mannschaft und den österreichischen Frauenfußball bestmöglich präsentieren. Was dabei rausschaut, kann man nicht sagen. Wir wissen, dass wir der Underdog sind, aber die Zuschauer sollen sagen können: "Wow, da hat sich echt etwas entwickelt." Das Überstehen der Gruppenphase wäre eine Sensation.
sportkrone.at: Wer sind deiner Meinung nach die größten Favoriten auf den Titel?
Schnaderbeck: Neben Frankreich natürlich auch England, Holland und Deutschland.
Sportkrone.at: Du bist mit Sebastian Prödl verwandt - wie läuft so ein Familientreffen ab? Wird da nur über Fußball diskutiert?
Schnaderbeck: Es ist so, dass wir automatisch immer wieder auf den Fußball zu sprechen kommen. Fast alle meine Cousins und Cousinen spielen in einem Verein. Das kann manchmal schon ein bisschen nerven (lacht). Das Leben bietet ja mehr als Fußball.
sportkrone.at: Wer waren deine ersten Vorbilder?
Schnaderbeck: Als kleines Kind hat mich Nina Aigner voll begeistert. Sie war mein erstes Vorbild. Heute arbeitet sie beim FC Bayern in der Medienabteilung.
sportkrone.at: Du hattest in deiner Karriere bereits fünf schwere Verletzungen im rechten Knie, darunter zwei Kreuzbandrisse - wie konntest du dich in den Verletzungspausen motivieren?
Schnaderbeck: Für mich war das ein Lernprozess. Meine erste Verletzung mit 17 war besonders schwierig. Da kamen noch erste Zweifel. Es war mein erstes Pflichtspiel für die erste Bayern-Mannschaft im DFB-Pokalfinale und genau da habe ich mir das Kreuzband gerissen. Aber ich bin jemand, der sehr ehrgeizig ist. Da bin ich auch hart mit mir selbst. Wenn ich etwas mache, dann zu 100 Prozent. Ich habe einen starken Glauben, habe mir immer gesagt "ich schaffe das." Trotz fünf Operationen kann ich auf höchstem Niveau spielen.
sportkrone.at: Was war dein persönliches Karrierehighlight bisher?
Schnaderbeck: Schwierig, da muss ich aufteilen auf Verein und Nationalteam. Im Nationalteam natürlich die EM-Qualifikation. Das Spiel in Wales werde ich nie vergessen. Und dann natürlich der DFB-Pokalsieg und der erste Meistertitel mit Bayern.
Hier im Video sehen Sie Viktoria Schnaderbeck und David Alaba im Ösi-Quiz-Duell:
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