Während die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun im "Kurier" dafür plädiert, Doppelstaatsbürgerschaften generell zu erlauben, warnt Parteikollege Peter Pilz vor Missbrauch. Erdogan-Leute mit türkischem Pass würden die österreichische Staatsbürgerschaft dazu benützen, "um bei uns zu agitieren". Die Grünen scheinen in dieser Frage gespalten zu sein, auch Bundessprecherin Eva Glawischnig widerspricht Pilz.
An sich sind Doppelstaatsbürgerschaften in Österreich bis auf einige Ausnahmen verboten. Allerdings gibt es eine Dunkelzahl von Personen, die in Österreich mit österreichischem Pass wohnen, gleichzeitig aber auch die türkische Staatsbürgerschaft behalten haben. Auskunft gibt die Türkei über diese Personen schon seit Langem nicht.
"Genießen bei uns alle Vorteile, machen aber für Erdogan Stimmung"
Dazu Pilz: "Das sind in der Regel Erdogan-Leute, die bei uns alle Vorteile genießen, zugleich aber im türkischen Wahlkampf für Erdogan Stimmung machen." Dazu kommen Personen mit österreichischem Pass, die ihren türkischen Pass wieder haben wollen, weil sie etwa Erbschaftsangelegenheiten in der Türkei regeln wollen.
Das ist eine Missachtung österreichischer Gesetze. Schließlich ist laut Pilz eine Doppelstaatsbürgerschaft "keine Hilfe für Integration, denn man drückt sich vor der Frage: Bin ich für unsere Freiheit oder für eine Präsidialdiktatur?"
Glawischnig: "Das ist eine Einzel- und keine Gruppenmeinung"
Laut Grünen-Chefin Glawischnig steht Pilz mit seiner Linie alleine in der Partei. "Das ist eine Einzel- und keine Gruppenmeinung", so die Parteichefin in der Freitagsausgabe der "Tiroler Tageszeitung". Die liberale Haltung zu Doppelstaatsbürgerschaften sei schon seit dem Jahr 2001 ein Grundsatz der Grünen. Bisher hätten sich alle in der Partei an diesen gehalten, "heute wurde das zum ersten Mal infrage gestellt". Zudem vermische Pilz einiges: Das Hauptziel Erdogans seien die mehr als 100.000 türkischen Staatsbürger im Land - und nicht die illegalen Doppelstaatsbürger. Pilz werfe alle in einen Topf.
Erdogan will Doppelstaatsbürger für sich gewinnen
Besonders hochgekocht ist das Thema Doppelstaatsbürgerschaften infolge der diplomatischen Krise zwischen der Türkei und der EU wegen der Einflussnahme Ankaras auf potenzielle Wähler, die in den EU-Staaten leben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan versucht, auch diese Menschen, von denen viele die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, von seiner Verfassungsreform zu überzeugen.
Auftrittsverbote und andere Repressalien gegen türkische Minister in mehreren EU-Ländern haben in den letzten Wochen zu heftigen Attacken und diplomatischen Maßnahmen geführt. Unter anderem wurde ein Teil des Flüchtlingsabkommens von den Türken einseitig aufgehoben.
Am Donnerstag wurde der türkische Botschafter bei der Europäischen Union in Brüssel einberufen, um eine Erklärung zu den jüngsten Äußerungen Erdogans abzugeben. Der Präsident hatte etwa am Mittwoch in Ankara gewarnt: "Wenn Europa seinen Weg so fortsetzt, kann sich kein Europäer in irgendeinem Teil der Welt mehr sicher auf den Straßen bewegen."
Peter Gnam, Kronen Zeitung/krone.at
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