Komplizen packen aus

So flüchtete Paris-Killer Salah Abdeslam

Ausland
24.12.2015 06:00

Nach den Attentaten von Paris, zu denen sich der Islamische Staat bekannt hat, führen wie berichtet viele Spuren nach Belgien. Mindestens zwei der Attentäter sollen im Brüsseler Stadtteil Molenbeek gewohnt haben. Der in Brüssel geborene Hauptverdächtige Salah Abdeslam (26) ist weiter auf der Flucht, er gilt derzeit als Europas meistgesuchter Terrorverdächtiger. Zwei seiner Komplizen sitzen in einem belgischen Gefängnis - sie berichteten Ermittlern nun weitere Details zur Flucht ihres mutmaßlichen Anführers.

Drei Mal sei Abdeslam von der französischen Polizei kontrolliert worden, hieß es bereits vor einigen Tagen aus Ermittlerkreisen. Grundlage für die Berichte war die Zeugenaussage von Hamza Attou, einem Freund von Abdeslam aus dem Brüsseler Viertel Molenbeek. Attou und ein weiterer Freund, Mohammed Amri, gaben an, den flüchtigen Extremisten nach den Anschlägen vom 13. November mit dem Auto aus Paris abgeholt und nach Brüssel gebracht zu haben. Beide sitzen in Belgien in Untersuchungshaft.

Wollte sogar Fluchtauto sprengen
Attou zufolge drohte Abdeslam während der Fahrt unter anderem, er werde das Auto in die Luft sprengen, sollte er nicht nach Brüssel gebracht werden. Er erinnerte demnach daran, dass sich auch sein an den Anschlägen in Paris beteiligter Bruder Brahim dort in die Luft gesprengt hatte und dass er selbst Menschen mit einer Kalaschnikow getötet habe. Attou zufolge erzählte Abdeslam während der Fahrt, dass er Papiere seines Bruders in einem Auto zurückgelassen habe, damit Brahim "weltweit bekannt" werde - "so wie Coulibaly".

Der Islamist Amedy Coulibaly war am 9. Jänner, zwei Tage nach dem Anschlag auf das Pariser Büro der Satirezeitung "Charlie Hebdo" mit zwölf Toten, in einen jüdischen Supermarkt der Hauptstadt eingedrungen. Er erschoss dort vier seiner jüdischen Geiseln, bevor die Polizei ihn tötete.

Bei drei Kontrollen nicht aufgeflogen
Während der Flucht von Paris nach Brüssel verlangte Abdeslam laut Attou, langsam zu fahren und kleine Straßen zu benutzen, um Polizeikontrollen aus dem Weg zu gehen. Das Trio geriet jedoch auf die Autobahn nach Belgien und wurde drei Mal angehalten. Bei der ersten Kontrolle habe sie der Polizist gefragt, ob sie etwas "konsumiert" hätten. Amri und Attou antworteten demnach "Ja", weil sie gerade einen Joint geraucht hatten. Der Polizist habe gesagt, das sei "nicht gut", doch weil es "heute nicht das Vordringliche" sei, habe er sie ohne Kontrolle ihrer Papiere weiterfahren lassen. Abdeslam habe derweil schweigend auf der Rückbank gesessen. Erst beim zweiten und dritten Mal wurden die Personalausweise kontrolliert.

Bei der dritten Kontrolle an einer Tankstelle in der Nähe von Cambrai habe Abdeslam sogar seine Adresse in Molenbeek angegeben, sagte die Quelle aus Ermittlerkreisen weiter. Zu diesem Zeitpunkt wurde allerdings noch nicht nach Abdeslam gefahndet. Als er von der Toilette kam, war den Angaben zufolge seine Jacke offen. Darunter seien weder ein Sprenggürtel noch eine Kalaschnikow zu sehen gewesen.

Augenbraue rasiert, Haare ab
Schließlich kamen die drei "wohlbehalten" in Brüssel an. Abdeslam habe sich dort zunächst neue Kleider besorgt, verrieten seine Komplizen nun laut "Le Parisien" weitere Details zur Flucht. Er habe sich eine schwarze Jeans, eine Jacke ohne Kapuze, eine Unterhose und Socken gekauft - ebenso ein neues Handy.

Bevor der Terrorverdächtige von der Bildfläche verschwand, erkundigte er sich offenbar noch bei einem Friseur nach einer Haartönung, zitiert auch der Schweizer "Blick" aus den Aussagen der beiden Helfer. Der Salon habe das aber nicht im Angebot gehabt. Beim nächsten Coiffeur fragte er offenbar ein zweites Mal nach einer Tönung, ließ sich dann aber die Haare kurz rasieren. Weiters habe er sich einen Strich durch eine Augenbraue rasieren lassen.

"Wir werden uns nicht wiedersehen"
In einem Versteck in Brüssel traf die Gruppe dann auf einen weiteren Komplizen, und Abdeslam zerstörte sein altes Handy. Schließlich verabschiedete er sich von seinen Helfern: "Er hat mich umarmt und gesagt, man werde sich nicht wiedersehen", beschrieb einer von ihnen laut "Blick" den Moment.

In Möbelstück versteckt
Der Fluchtwagen wurde später in Molenbeek gefunden, Attou und Amri verhaftet. Abdeslam ward nicht mehr gesehen. Seither kursieren zahlreiche Gerüchte über seinen Verbleib: Er könnte sich dem IS in Syrien angeschlossen haben, er sei in Marokko, er befinde sich weiterhin in Belgien. So soll er in Brüssel gerade noch rechtzeitig einer Razzia entgangen sein, indem er sich in einem Möbelstück in einem Umzugswagen verkrochen habe.

So unklar wie sein derzeitiger Aufenthaltsort ist die genaue Rolle Abdeslams bei den Anschlägen selbst. Ermittlern zufolge könnte er mit einem weiteren Hintermann die grausamen Attacken von Paris mit 130 Toten und mehreren Hundert Verletzten gesteuert haben.

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